Ohoh, wegen Ichi the Killer - da könnte ich mich wieder zu äussern...versuche es mal.
@atem - das ist keinesfalls nur auf Dich bezogen oder gegen jemand was hier getextet wird...sondern generell eine Kritik gegen Polemik in Hinsicht auf Gewalt im Film - ich habe darüber vor vielen Jahren eben zu dieser Debatte in einem Wiesbadener Filmclub einmal ein Referat gehalten...
Nur soviel: Ichi the Killer ist lediglich EIN Teil eines Yakuza - thematisierten Zyklus, es gibt ausser Ichi also noch 2 weitere Filme des Regisseurs Miike bezügl. Yakuza - Ehre und Verbrechen, als da wären: Graveyard of Honor und Dead or Alive.
Mal ganz abgesehen von der Gewalt, die ich übrigens speziell bei Ichi the Killer - sehr karikiert und zu überzogen finde als dass man sie ernstnehmen könnte - im Ganzen ist Ichi der Satirischste von diesen Dreien. Für "Perverse" ist das einfach zu überzogen.
Das wird schnell klar, wenn man sich den Charakter Ichi einmal genauer betrachtet.
Ein im Grunde genommen weicher, verweinter Schwächling, weil fehlentwickelt in moralischer und menschlicher Hinsicht und Versager. Aber dennoch brandgefährlich.
Weil er seinen Selbst - Hass nach aussen kehrt. Und ventiliert. Das Klischee des vergessenen Aussenseiters, der völlig ausrastet und zu einer Killermaschine wird. Und das treibt Miike hier auf die Spitze. Letztendlich "siegt" keiner, beide Kontrahenten sterben. Btw. genauso grausam, elend und brutal, wie sie's verdient haben und wie sie es
anderen zuvor angetan haben. Es gibt kein Happy End.
Übrigens zieht sich genau diese Thematik fast wie ein roter Faden durch Miikes Werk. Er kann aber ggf. auch ganz anders. Abgesehen von Sex, Blut, Gewalt und Chaos.
Das Problem bei Ichi ist, dass er durch seine Gewaltdarstellung bei vielen Vollidioten (damit meine ich jetzt nicht atemone oder sonstwen hier...), die sich durch ihre eh nicht vorhandene Härte wie toll sie sind und was für "extreme" Filme sie schauen, ansprechend wirkt, nicht etwa durch den Zusammenhang mit den anderen 2 Filmen des o.g. Zyklus. Da hat man Montags im Büro / bei der Arbeit wieder was zu berichten, weil man ja sonst nichts zu melden hat...
Die meisten Leute sehen den Film ohnehin so blind, dass sie meinen, Ichi ist der hier:
Ist aber nicht so. Ich lach mich immer tot, wenn Leute von dem Herrrn da oben erzählen undwie ach-so-brutal das ja alles gewesen sei, mit dem "Ichi". Der er ja nun mal gar nicht ist.
Naja.
All das macht ihn (den Film) hier in Europa zu gewöhnlich für ein sensationsgeiles Möchtegern - Extremo Publikum und ist für jeden, der sich ein wenig mehr mit Film auseinandersetzt ein alter Hut.
Viele der Dinge die in Ichi passieren sind sehr sehr gut dargestellt und ausgeführt im technischen und filmischen Sinne.
Ob man sich ansehen muss, wenn ein an der Zimmerdecke befestigter Mensch an Händen und Füssen hängt und ihm siedendes Öl in den Rückenbereich gegossen wird, überlass ich den nervenstärkeren unter den Betrachtern. Immerhin: man hat die Wahl, sich zu entziehen und die DVD oder die Vorführung zu stoppen, bzw. zu verlassen.
Moralische Schuld hat da keiner.
Beispiel:
Einer meiner Lieblingsfilme ist DIE NACHT DES JÄGERS (1955) mit Robert Mitchum. Dort übt er als kindermordender Wanderprediger mit Love / Hate Fingertattoo sein Handwerk aus, aber nie ist die Gewalt an sich sichtbar dargestellt. Es ist die seelische Grausamkeit und die Doppelmoral des Charakters, der von Mitchum gespielt wird und die Kälte mit der er die Morde ausübt, die einen als Zuschauer abstossen. Das ist grausamer und perverser als alle Ichi's dieser Welt und der Film will es trotzdem nicht mit moralverseuchtem Zeigefinger Misstände der damaligen Gesellschaft aufzuzeigen, obwohl Mitchum's Charakter ein Produkt eben dieser ist. Das trifft im übertragenen Sinne auch auf den Charakter Ichi und Miike's Film zu.
Der Film Night of the Hunter von Charles Laughton ist ein Meisterwerk, übrigens. Film Noir in Reinform.
Aber weiter:
In Japan dagegen ist die Gewalt und Entmenschlichung und Entpersonifizierung sowie Werteverlust der Menschen, die in einer sehr leistungsorientierten Gesellschaft leben an der Tagesordnung.
Vielleicht hilft das so ein wenig...mehr zu verstehen - und seit Abu Ghuraib, Guantanamo und den Snuff - Movies der Al - Zarkawi Ära ist der Extrempunkt doch 'eh erreicht. Mich schockt seitdem gar nichts mehr.
Muss aber zugeben, dass der japanische Film teilweise recht unzugänglich für westliches Publikum (und deren Sehgewohnheiten) ist, von daher verstehe ich die Einwände. Teilweise. Jedenfalls ist Gewalt im jap. Kino mitunter das am meisten vertretene menschliche Gefühl. Und kehrt immer wieder.
Entweder sind sie lt. Aussage meist "langweilig" oder "pervers" oder "kitschig".
Die Ironie ist aber, dass dies auf die meisten Hollywood- Produktionen genauso zutrifft. Aber die haben am Box - Office eben ihre verpissten neureichen Publikumsmagneten von VIP - Schauspielern. Und das macht sie ja dann "gut". Im Unterhaltungsfaktor. Meinetwegen wie "Mann, die Titten von Jolie sind geil" oder (bei Frauen vornehmlich) "Ach, der geile Kenau Reeves..." Ist ja egal, wie der Film dann ist.
@simpson: Audition ist übrigens auch von Takashi Miike, also dem gleichen Regisseur wie Ichi.
Musste jetzt doch wieder "Wissenschleim" abgeben...
Euer Profilneurotiker
Hostel werde ich mir ansehen.