Hallo Vera. Schön dich zu sprechen. Wie alt bist du, wo kommst du her, was machst du?
Ich bin in dem Alter, in dem ich das nicht mehr sofort weiß, sondern rechnen muss. 2019-1978 = Tadaaaaa: 41. Im Moment wohne ich in Frankfurt. Andere Abschnitte meines Lebens habe ich in Köln, dem Pott, in Mainz und im tiefsten Schwarzwald verbracht.Ich bin Mama, DJ, Medienpädagogin und Autorin. Und neeee, ich bin weder poetisch, noch kann ich mir tolle Geschichten ausdenken. Ich schreibe Nerdliteratur für meinen Hauptjob. Da bringe ich Kindern und Jugendlichen näher, sich respektvoll und sicher durchs Netz zu bewegen. Und wir entdecken die schönen Seiten: nehmen Trickfilme auf, entwickeln Comics oder programmieren Spiele, die wir anschließend mit Möhren und Gummibärchen steuern.
Hört sich lustig an. Der Name Nogata steht in der deutschen Drum & Bass Szene für dope Neurofunk Sets. Aber wie kamst du zu diesem? Ich kam zu meinem DJ-Alias, als mein DJ-Papa Cypher sich weigerte,„Vera“ auf den Flyer zu schreiben. Er schickte mir anstelle dessen einen Wikipedia-Link:„Der Meteorit Nogata gilt als der weltweit früheste beobachtete Meteoritenfall, von dem heute noch Material vorhanden ist. Den alten Aufzeichnungen zufolge fiel der Meteorit nahe der heutigen Stadt Nōgata, nach der er auch benannt ist, nieder. Er soll die Nacht zum Tage gemacht und nach einer fürchterlichen Explosion durch das Dach eines Shintō-Tempels gefallen sein.“ Das passte zu dem Sound, den ich schon immer geliebt und gespielt habe.
Wie kamst Du überhaupt zum Drum & Bass? Seit wann legst du auf?
Aufmerksam auf den Sound wurde ich, als ich 1995 irgendwo im Schwarzwald mit dem Zug unterwegs war. Eine Gruppe Schweizer hörte „Original Nuttah“ und ich musste mir das sofort danach auf CD kaufen. Über das Gebäude 9 und die Basswerk Session kam ich einige Jahre später schließlich zu Drum & Bass-Parties. Jahrelang bin ich zum Tanzen auf jede erreichbare Party gelaufen – dreimal pro Woche und oft auch allein, weil all meine Freunde die Nase voll hatten, ausschließlich gebrochene Beats zu hören. Ich wollte weiterhin zu keiner anderen Party, denn das war die einzige Musik, die ich wirklich fühlte. Und ich schätzte schon immer die offene und familiäre Atmosphäre, in der jeder so sein kann, wie er / sie ist. Die Idee aufzulegen hatte ich erst 2006. Eigentlich war es ein Akt der Verzweiflung, weil ich gerade von Köln ins Ruhrgebiet gezogen war und mich morgens vor der Arbeit fürchterlich langweilte. Hamm, wo ich zu Beginn wohnte, hatte für mich nämlich recht wenig zu bieten: Jonglage und Yoga. Das liebte ich zu der Zeit, suchte aber vergebens Gleichgesinnte. Da habe ich mir kurzerhand einen Mixer und das alte Final Scratch bei Ebay ersteigert. Ich war vom ersten Tag an angefixt und nutzte jede freie Minute zum Mixen und dem Kauf von Platten. Dann ging es eigentlich ganz schnell: Dash gab mir recht bald die Chance, in Dortmund ein Warm-up zu spielen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn es brachte einen Stein ins Rollen, den ich anfangs nicht im Blick hatte. Ziemlich direkt hat mich dann Cypher unter seine Fittiche genommen und mich als Resident zu den Bassassassins nach Essen geholt. Er hat mir immer wieder gezeigt, dass es in erster Linie auf den Spaß ankommt und dass perfekte Übergänge nicht alles sind.
Du hattest Residencies bei Subport, Quake und Massive? Erzähl uns darüber ein wenig. Wie kams dazu, was ist Stand der Dinge und wie gehts weiter?
Auf der Quake in Köln durfte ich zum ersten Mal 2007 mit Rregula und Dementia (heute Zombie Cats) spielen. Der Gig war für mich sehr besonders: zum einen hat mich meine musikalische Vergangenheit ja sehr mit Köln verbunden und die Quake hatte sich dem Sound verschrieben, den ich liebte: Techstep und rollender Neurofunk. Zum anderen war sie so anders als das, was ich sonst kannte: Bookings wurden nicht namentlich angekündigt. Die Deko wurde von ganz vielen tollen Menschen für jede einzelne Party mit viel Energie und Herzblut gestaltet. Alle trugen eigene Kostüme oder abgefahrenes Make-up. Und es gab frisches Obst und Shots für alle. Einige Zeit später löste sich die Crew auf; da holte Hi:Radiation den Jonas Submarine und mich zur Quake dazu. Wir machten ein paar unvergessliche Jahre gemeinsam weiter, bis der Bogen 2, unsere geliebte Clubheimat, schloss. Hirad, Submarine, Makah und ich hatten leider einfach zu viele andere Baustellen, um an anderer Stelle mit alter Energie weiterzumachen. Parallel zur Quake zog ich gemeinsam mit Dash und LOWmAX in Dortmund eine neue Partyreihe, die Subport, groß. Wir starteten in einer Zeit, in der Dubstep im Ruhrgebiet extrem zog. Da kamen ganz viele neue Gesichter, aber die kannten Drum & Bass noch gar nicht. Das müsste Anfang & Mitte 2011 gewesen sein. Wir haben in den ersten Jahren Dubstep und Drum & Bass immer im stündlichen Wechsel gespielt. Anfangs wurde es auf der Tanzfläche immer recht leer, sobald es an die 174 bpm ging. Immer mehr Leute erkannten dann aber für sich „Der schnelle Dubstep ist auch super!“. Und so spielen wir heute ausschließlich Drum & Bass im Schiffsrumpf des alten Herrn Walter, einem Schiff im Dortmunder Hafenbecken. Von der Ma:ssive war ich von Beginn an Feuer und Flamme: endlich eine Partyreihe in der Hochburg Mannheim, die nicht 5 UK-Artists und 10 MC’s auf jeden Flyer setzt! Juhu! Und sich noch dazu auf Neurofunk und Verwandtes konzentriert. Ich war ab und zu als DJ gebucht und es machte immer unglaublich viel Spaß, sodass ich mich sehr freute, als mich Simon und Marius im Sommer 2019 als Resident an Bord holten. Leider schließt das Loft, in dem die Ma:ssive zuletzt stattfand, zum Jahreswechsel. Ich hoffe inständig, dass wir einmal an anderer Stelle in vielleicht neuer Form weitermachen. Ich wäre sofort dabei!
Deine Sets sind aus meiner Sicht ziemlich „hart“. Gibt es auch Zeiten in denen Du mal einen deeperen oder liquideren Track aus der Kiste holst? Wenn ja was sind deine Faves?
Zuerst einmal: ich finde, Drum & Bass lebt von der Vielfalt und den vielen Facetten, die das Genre zu bieten hat! Wenn es in einer Stadt mehrere Partyreihen gibt, die sich auf verschiedene Subgenres konzentrieren, halte ich das für eine Szene für sehr sehr wertvoll. Ich selbst liebe neben dem härteren Sound insbesondere auch deepere Tracks mit düsteren Atmos. Das macht mich aber leider gleichzeitig zu einer Warm-up-Niete: zu schlecht kenne ich mich in dem Bereich aus, der melodiös und stimmungsvoll ist – eben das, was man braucht, um anzukommen und sich gemütlich auf den Abend einzustimmen. Wenn ich also ein Warm-up spiele, bereite ich mich intensiver auf mein Set vor als üblich. Gerne lege ich aber auch am Ende einer Party auf, denn ich genieße die Freiheit, die man musikalisch als DJ zu dem Zeitpunkt hat
Welche 3 Neurofunk Tracks verlassen niemals Deine Tracklist und warum?
1. Audio – Collision
Weil mich schon der erste Ton zurückversetzt in eine für mich sehr prägende Zeit.
2. Mindscape – No Escape
Weil der Track für mich der Inbegriff des Sounds ist, den ich liebe: düster, rollend und mit einer guten Portion Funk im Neuro.
3. Und es wird künftig auch dieser hier sein: Benny L & Shimon – Yeti
Warum? Wegen diesem Baaaaaaaaass. Hach..
Wie siehst Du die Entwicklung von Neurofunk momentan?
Die Entwicklung des Neurofunk passt zu unserer heutigen Zeit und zur allgemeinen Entwicklung des Drum & Bass, finde ich: der Sound wird schnelllebiger, die Tracks kürzer, der Drop steht mehr im Fokus und jeder Track ist fetter als der vorherige. Ich bedauere daran, dass Neurofunk nicht mehr dazu gemacht ist, lange gemixt zu werden. Aus zwei bestehenden Tunes durch die Kombination etwas Neues zu schaffen und mit Sounds zu spielen war für mich immer ein großer Anreiz. Und das macht es auch spannend für die Crowd. Gleichzeitig fehlt mir auch manchmal etwas der Funk im Neuro, deshalb finde ich Tracks spannend, die Elemente aus dem Jump up aufgreifen und etwas mehr bouncen. Aber ich gehöre nicht zu der „Früher war alles besser“-Fraktion; manches hat mir sicher vor einigen Jahren besser gefallen, anderes wiederum schätze ich an der heutigen Zeit. Jede Weiterentwicklung gibt auch wieder Raum für Neues. Diesen zu erkennen und zu nutzen fordert einen als DJ dann auch ständig, und das finde ich sehr reizvoll. Entwicklung und Veränderung führen letztlich dazu, dass ich nicht einroste, dass mir nicht langweilig wird und dass ich mich immer wieder auf Überraschungen freuen kann.
Du Bist stolze Mutter. Wie vereinst du das Drum & Bass Biz mit Deiner Familie?
Wenn man so oft in erster Linie „Mama“ ist und das Kind immer der erste Gedanke ist, braucht man zwischendurch Raum für sich allein. Ich zumindest finde das für mich wichtig und ganz klar heißt dieser Raum „Drum & Bass“. Ich möchte meinem Kleinen ja auch vorleben, dass man das, was einem wirklich und ernsthaft am Herzen liegt, nicht aufgibt und dass man auf sich achtet. Das klappt super, weil wir uns gegenseitig unterstützen in unserer Familie: mal ist Papa zu Hause, mal Mama. Manchmal dann halt eine müde Mama. Trotzdem verbringen wir viel Zeit gemeinsam; das soll ja auch nicht zu kurz kommen und deshalb habe ich meine Gigs auf ca. 2 pro Monat beschränkt.
Produzierst du auch oder hast Ambitionen in die Richtung?
Mit Anfang / Mitte 20 habe ich immer mal wieder mit Cubase herumgespielt, aber schnell gemerkt, dass ich das nicht auch noch schaffen kann. Ich mache ungern halbe Sachen, und neben Auflegen, Job und Familie bliebe nicht genügend Zeit, um ernsthaft zu produzieren.
Hast Du Vorbilder oder gibt es jemanden den du besonders respektierst für das was er musikalisch leistet?
Für mich sind alle jene Menschen Vorbilder, die sich für etwas begeistern und sich für das einsetzen, was ihnen wichtig ist. Das betrifft natürlich nicht nur die Musik.
Hörst du andere Musik neben Drum & Bass und wenn ja was?
Ich muss gestehen, dass ich musikalische Scheuklappen trage. Ich höre seit 20 Jahren ausschließlich Drum & Bass. Breaks zum Beispiel finde ich ganz nett, manche Hip Hop- und Trap-Sachen gefallen mir auch ganz gut. Aber nichts anderes berührt mein Herz.
Was waren für Dich die Highlights in diesem Jahr? Was hat Dich am meisten bewegt?
Bewegt hat mich in diesem Jahr viel. Mit Kind bleibt es nicht aus, dass man ständig in neue Situationen kommt und an seine Grenzen stößt; dadurch lerne ich mich immer besser kennen und bewege mich vorwärts. Mein musikalisches Highlight in diesem Jahr, tatsächlich sogar in diesem Jahrzehnt war das Set von Signal, das er im Sommer bei der Ma:ssive spielte – unfassbar gut und so eine einzigartige Selection!!! Ansonsten bleiben mir immer die Parties als Highlights im Kopf, bei denen ich mich verbunden fühle mit allen Leuten im Raum. Das ist dann eine Stimmung, die ich in meinem Herzen mitnehme und die nichts damit zu tun hat, wie gut die Playtime, wie fett der Mainact oder wie groß Festival xy war.
Was sind Deine Wünsche für die Zukunft?
Ich wünsche mir Gesundheit; natürlich nicht nur für mich. Das ist sicher das am meisten unterschätzte Glück. In diesem Sommer musste ich nachts notoperiert werden; alles halbwegs harmlos, aber es hat mir wieder einmal bewusst gemacht, dass ich Gesundheit zu wenig zu schätzen weiß.
Danke für deine Zeit und alles Gute auf deinem Weg.
Ich danke dir! ♡
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