Ein Drum & Bass-Tausendsassa im Gespräch. Setz dich hin, nimm dir nen Keks und lies dir das in Ruhe durch.
Hallo Steffen. Wie geht es dir? Erzähl uns doch mal ein wenig über Dich und Deine Person.
Ich bin Steffen Korthals und als DJ unter dem Künstlernamen Dash unterwegs. Die Leute schätzen mich außerdem als Journalist, Radiomoderator, Autor, Booker, Dozent und als einer der Headz im Drum & Bass seit über 25 Jahren.
Aufgewachsen und lebend in Dortmund stimme ich den Szenekennern zu, die meinen, dass Dash einer der Motoren und Kulturmalocher der sich – meiner Meinung nach – immer wieder neu erfindenden Clubmusikgenres im Pott sei. Auch wenn ich in vielen Bereichen der Clubkultur unterwegs sein darf: Mittelpunkt bleiben meine Club-Sets rund um Basslines, Energie und Emotionen. Das ist mir wichtig und ein Grund, warum ich DJ geworden bin: das gemeinsame Erleben auf dem Floor und das Loslassen der Schwere hin zu einem besseren Morgen durch Musik.
Bei eldoradio* bist Du mit deiner Show Vinyl Asyl zu hören. Erzähle uns mal etwas darüber.
Los ging es mit der eigenen Radioshow circa 1997 als die Macher des jungen Dortmunder Senders Carsten Helmich und mich als DJs und Kuratoren hinter dem legendären Club Trinidad (Carsten Helmich für die geraden Beats, Dash für Breakbeats) angesprochen hatten, ob wir nicht eine eigene Live-Show haben möchten. Wir nannten das Ganze “Open Sesame” – von wegen Tunes droppen aus der Schatzkammer und nach einem Song von Kool & The Gang. Nach ein paar Jahren haben wir die wöchentliche Sendung aus Ermangelung an Zeit an befreundete DJs übergeben und “Open Sesame” gibt es bis heute noch.
Nach ein paar Jahren habe ich aber doch die Offenheit der Selection als einer der Vorteile des Auflegens im Radio vermisst. Zudem war es mir wichtig, auch zu moderieren und Geschichten und Hintergründe zu den Tracks geben zu können, und auch Hintergründe aus der lokalen und internationalen Clubkultur zu vermitteln. Ich habe schon immer auch andere Musikstile neben Drum & Bass gehört, in Plattenläden und Plattenvertrieben gearbeitet, Musikkritiken geschrieben und mich geschichtlich, gesellschaftlich und philosophisch mit dem beschäftigt, was hinter dem einzelnen Track stehen könnte. Das wollte raus und nicht nur als Text geschrieben, sondern mit Musik dabei, erzählt werden.
Hinzu kam, dass ich seit circa 2005 viele Freestyle-Sets bei Open Airs, Festivals und illegalen Raves spielen durfte, wo ich meine Seite außerhalb von Drum & Bass ausleben konnte. Oft kamen Menschen zu mir, die diese musikalisch offenen DJ-Sets abgefeiert haben, und ermutigten mich darin, weiter außerhalb der Box zu denken. Das macht ja Jungle und Drum & Bass im innersten Wesen auch aus und kombiniert die verschiedensten Einflüsse musikalisch und sozio-kulturell. Nur, dass das Publikum leider noch zu häufig engstirnig lediglich einen Teil der Drum & Bass-Kultur feiern möchte; zumindest außerhalb des Ruhrgebiets – hier sind die Leute das durch 25 Jahre Dash-Einfluss und entsprechende Reihen gewöhnt, weshalb viele Künstler*innen von außerhalb gerne im Pott auflegen.
2013 bin ich dann wieder zum Dortmunder Radio und habe die Sendung “Vinyl Asyl” gestartet. Damals mit Flash aka. Andrea Eichardt als Ko-Moderatorin und seit 2019 mit Nikky Nikk aka Nicole Winkelkötter. Wir versuchen uns nicht zu ernst zu nehmen, mit einer gewissen Selbstironie aber eine solide Sendung zu machen, die immer wiederkehrende Sektionen hat, wie das Dubplate der Woche, einen besonderen Tune der Clubmusikgeschichte (Schallmützel der Woche), den Rewind der Woche (garantierter Clubsmasher), das Werk einer Produzentin oder eines weiblichen DJs (Flashgirl der Woche) usw. Die Styles innerhalb einer zweistündigen Live-Sendung variieren zwischen Drum & Bass, Jungle, Halftime, Techno, House, Jazz, Soul, HipHop, WorldBeats, Electronica, deepem Dubstep, frischen Breakbeat-Hybriden und Sachen zwischen den Stühlen.
Der Fokus liegt auf Tunes von Vinyl und Dubplates. Ab und an gibt es auch Specials mit Themen wie Soundsystemkultur, Breakbeat im Techno, Dub, die Beziehung von Gospel zu Disco und House, Musik aus Afrika in den Siebzigern usw. Jede Sendung hat einen Vibe, der sie durchzieht; mal sind die Tracks eher uplifting, mal melancholisch, mal besonders future thinking, mal nostalgisch, mal mit geographischem oder zeitlichem Fokus usw.
Regelmäßig gibt es auch Gäste im Studio oder via Telefonschaltung, die in ausführlichen Interviews spannendes erzählen und exklusive, meist circa einstündige Sets gerne abliefern, denn die Sendung hat ein Stammpublikum über Antenne, Kabelnetz und Internet im fünfstelligen Bereich. Auf Soundcloud oder Mixcloud müsste man/frau lange dafür stricken, um solche Zahlen zu erreichen. Das bedeutet auch gute Promo für die KünstlerInnen, wenn sie zu Gast sind oder es ihre Tracks in die Vinyl Asyl-Playlist schaffen. Wir bekommen eine Menge Dubs und Stücke vor Veröffentlichung, Produktionen von jungen und/oder lokalen KünstlerInnen oder bereits international etablierten MusikerInnen. Das ist eine gegenseitige Wertschätzung, die toll funktioniert und beide Seiten motiviert. Wenn ich mal in Köln oder woanders tanzen gehe, dann freut es mich sehr, wenn mich freundliche Menschen ansprechen, Respekt zu einer bestimmten Sendung geben oder erzählen, wie sie den einen oder anderen Tune bei “Vinyl Asyl” entdeckt haben.
Wir hatten eine Menge hochkarätige Gäste in der Show wie z.B. A-Sides, Digital, Nookie, Bassface Sascha und viele weitere.
Aus Zeitgründen kommt Vinyl Asyl nur einmal im Monat und die Fangemeinde freut sich dann immer auf den vierten Montag des Monats, wenn es von 20 Uhr bis 22 Uhr frische Vibes live gibt
https://www.eldoradio.de/sendung/vinyl-asyl
Seit ein paar Monaten sind die letztvergangenen Vinyl Asyl-Ausgaben ab Ausgabe 128 zum Nachhören auch hinterlegt auf.
https://www.nrwision.de/mediathek/sendungen/vinyl-asyl/
Regelmäßiger Gast ist u. a. auch DJ Bailey. Woher kennt ihr euch bzw. wie kam es dazu?
Bailey übernimmt seit ein paar Jahren die Weihnachtsausgabe von “Vinyl Asyl”. Und zwar komplett und mit Moderation und den gerade beschriebenen einzelnen Sektionen. Da freut er sich immer sehr drauf und packt die besten Tunes in die Sendung.
Bailey und ich haben in den Neunzigern ein paar Mal zusammen aufgelegt. Unser Ansatz an das Auflegen ist ähnlich, nämlich verschiedene Jungle- bzw. Drum & Bass-Stile zu kombinieren, mit dem Publikum auf eine Reise zu gehen und gute Tunes zu spielen, egal ob sie gerade in den Charts oder von bekannten Labels und Produzenten sind oder nicht. Er legt seinen Schwerpunkt auf das Auflegen und ist außerdem einer der sympathischsten Typen, die ich in dem Biz kenne. Auch wenn ich in dieser Zeit viel Kontakt mit englischen Drum & Bass-Leuten hatte – durch Bookings und auch durch meine langjährige Arbeit beim Plattenvertrieb NTT, wo ich wirklich jedes Release bis zum Ende des Vertriebs circa 2010 vorab hören konnte und der als erster UK Hardcore, dann Jungle und später Drum & Bass nach Deutschland importierte und als Großhändler an die Plattenläden in Deutschland weiterverkaufte -, so haben Bailey und ich uns erst später bei einer der ersten Ausgaben des Sun and Bass-Festivals wiedergesehen, wo er mich auf mein Label-T-Shirt von Boogie Beat angesprochen hatte. Dann habe ich ihn zum Juicy Beats Festival in Dortmund auf den Drum & Bass-Floor eingeladen und ich habe ihm von “Vinyl Asyl” erzählt. Er selber ist auch ein Radiomann, hat auf BBC1xtra aufgelegt und spielt aktuell viel auf Mi-Soul Radio etc. Bailey fand die Idee einer “take-over show” toll und seitdem machen wir das.
Du legst regelmäßig bei der Soul in Motion im Bochumer Club Rotunde auf. Wo kann man dich sonst noch hören?
Das mit Soul In Motion war für mich eine logische Konsequenz als ich gehört hatte, dass Bailey und Need For Mirrors eine Reihe in London starten, welche die Musik in den Vordergrund stellt. Keine MCs, kein Jahrmarkt drumherum, sondern eine gute Anlage und innovative KünstlerInnen sowie ein tanzbarer Mix frischer Drum & Bass-Styles für ein open minded Clubpublikum. Mein Kumpel cYpher hat die Verbindung mit Soul In Motion dankenswerterweise forciert und da ich gerade als Booker in der Rotunde Bochum anfing, wurde Soul In Motion in der Rotunde zu einer der Leuchtturmveranstaltungen für Drum & Bass in Deutschland. Das Ganze ist weniger ein Business als eine Herzensangelegenheit. Soul In Motion ist ein Aushängeschild, die Leute lieben diese Nacht und die Location buttert zurzeit eher rein als Kohle zu machen, obwohl mehrere Hundert Raver kommen. Dafür gab es für meist tolle Gäste (wie Seba, Commix, Bryan Gee, BCee, Storm, Carlito & Addiction, Mark System, Source Direct, Phil Tangent und weitere) für einen fairen Eintrittspreis. Außerdem ist immer einer der Londoner SiM-Residents dabei, also Need For Mirrors oder Bailey, und cYpher sowie jetzt Doc H und ich als deutsche Residents.
Regelmäßig kann man mich sonst auf dem Schiff Herr Walter im Dortmunder Hafen finden, wo ich seit über zehn Jahren die open minded Drum & Bass-Reihe Subport mache, die als eine der erfolgreichsten und vielseitigsten Partynächte des Ruhrgebiets gilt. Als festes Crew-Mitglied kommt aus Frankfurt Nogata regelmäßig zu den Partys in ihre alte Wahlheimat Dortmund und rockt das Schiff. Das junge Dortmunder Trio Voyagers bringt die Planken ebenfalls häufiger zum Beben. Bei Subport gibt es ein funktionierendes Miteinander der Styles, egal ob Neurofunk, Rave-Drum & Bass, Jungle, Roller oder Liquid. Auch das Publikum ist gemischt vom Alter, sonstigen Musikvorlieben und offengeistig unterwegs. Bei Subport wird das Klischee widerlegt, dass Drum & Bass Jungsmusik sei, und viele Fans kommen von weiter her, um bei der Subport zu raven. Wenn es warm ist, dann kann man/frau auch am Sandstrand abhängen, sonst an und unter Deck, auf das Wasser schauen und natürlich tanzen. Ich versuche bei der Subport auch immer DJs als Gäste an Bord zu haben, die sonst weniger in den Ruhrgebiet-Clubs zu finden sind, wie zuletzt DJ Fu, Feindsoul, Jumpat, OaT, Bumblebee, Microgravity, und ermögliche DJ-Slots für den lokalen Nachwuchs.
Neben “Vinyl Asyl” bin ich auch Resident in der Sendung Club der Republik von Mike Litt auf Deutschlandfunk Nova, wo auch regelmäßig Live-Aufnahmen von Subport-DJ-Sets gesendet werden.
Bist du auch als Veranstalter aktiv?
Bei der Subport auf dem Schiff Herr Walter (Dortmund) bin ich der Veranstalter. Das bedeutet immer auch großen Aufwand, eine fette Audioanlage zu organisieren und finanzielles Risiko zu tragen, das erst bei vollem Schiff auf plus/minus null geht. Die Location und die Leute sind aber einzigartig und das ist die Motivation. Nicole Winkelkötter hilft auch hier viel in der Organisation. Wer mal die Stimmung vor einer Subport aus der Veranstaltersicht checken will: In einem anderen Interview hat mich eine Journalistin mal am Tag einer Subport begleitet, was hier nachzuhören ist:
Videos von der Subport gibt es unter anderem hier:
https://www.youtube.com/watch?v=Afmp7CWwyI4
https://www.youtube.com/watch?v=Afmp7CWwyI4
https://www.youtube.com/watch?v=WRUm2oLNvlY
sowie viele weitere auf diesem YouTube-Videokanal inklusive alter Juicy Beats Festival- und Club Trinidad-Filme. Ein Radiointerview auf 1LIVE zu Subport gibt es hier:
https://www.youtube.com/watch?v=hHw1mXGDEoI.
Beim Juicy Beats Festival bin ich zwar nicht der Veranstalter, kuratiere aber das Drum & Bass-Programm, wie bei Soul In Motion in der Rotunde, auf dem entsprechenden Juicy Beats Drum & Bass-Floor. Dort waren zum Beispiel Randall, Doc Scott, Blu Mar Ten, Nymfo, Zero T, Grey Code, Digital, Need For Mirrors, Bailey und Nookie zuletzt als Gast. Beim Festival bin ich seit 25 Jahren aktiv und als DJ seit der ersten Festivalausgabe 1996 dabei:
https://www.juicybeats.net/de/artist/dash/509.
Seitdem du DJ bist gab es sicher auch die ein oder andere besondere, aufregende oder witzige Geschichte. Hau mal eine Anekdote raus!
Die Massive im dee2 in Siegen wollte nach meiner letzten Platte und diversen Zugaben einfach nicht nach Hause gehen. Trotz Licht an und fordernden Türstehern tanzten die Leute noch bestimmt fünf Minuten weiter – und zwar zum Sound der rotierenden Lüftung. Das war sick.
Mir kommt auch in den Sinn, wie ich mit Digital mal eine halbe Flasche Single Malt Whiskey gegen Pizza getauscht habe, weil wir kein Geld mehr in der Tasche hatten. Dann hat Digital noch die Pizza fallen gelassen. Wir haben nach einem neuen Pizza Slice gefragt und es auch bekommen.
Oder der Moment, als ich mit DJ Patife aufgelegt habe, und nette Leute im Publikum aus dem arabischen Kulturraum, wie dort auf Festen üblich, als Dank und Wertschätzung nach dem Set Geldscheine auf die Turntables gelegt haben.
Verwirrung gab es als ich auf der Ninja Tune Deutschlandtour 1998 als letzte Platte vor DJ Krush ein Stück von Lakim Shabazz aufgelegt hatte. Ich mochte den Beat, dachte aber nicht an den Refrain „Your arm is too short to box with god“. Krush ist eher von kleiner Statur und stand auf dem Deckel seines Plattencases, um an die Turntables zu kommen. Nach ein paar Drinks war aber wieder alles okay zwischen uns.
Und dann gab es noch die famose Dash-Tour durch Portugal. Die, die dabei waren wissen Bescheid und die Abenteuer dort sollten besser privat bleiben.
Bei der Frage fallen mir auch viele Bilder ein, wie wir Plattenspieler und Mixer zu illegalen Raves durch die Pampa getragen haben oder wie ich immer beim Tag der Trinkhallen an einem typischen Ruhrgebietskiosk den Block rocken durfte. Ich hoffe, dass es die Veranstaltung mit dem Kiosk bald wieder geben wird und dass die OrganisatorInnen erneut beim Booking an mich denken werden. Das ist immer sehr besonders nicht nur mit den Fans, sondern auch mit der Nachbarschaft aus aller Welt und der ganzen Hood zusammen zu tanzen.
Die mit Abstand schlimmste Geschichte ist die, wie ich die allerletzte Platte auf der allerletzten Love Parade in Duisburg auflegen musste. Mir läuft es immer noch kalt den Rücken herunter. Überall war Polizei, es wurde langsam dunkel und der Staub der tanzenden Menschen lag in der Luft. Ich spielte auf einem Float, der am Rand des Geländes stand, und wurde gebeten, nachdem das Unglück passierte, weiter aufzulegen, um zu beruhigen und damit die Menschen nicht in Panik geraten. Die offiziell letzte Platte der Love Parade war Roger S. „Strictly 4 The Underground“, die immer noch voller Staub dieses beklemmenden Augenblicks ist.
Aufregende Geschichten verbinde ich auch immer mit vielen der Live-Projekte, die ich gemacht habe. Da sticht natürlich der Auftritt vor tausenden Leuten im strömenden Regen auf dem Dortmunder Rathausplatz hervor, wo ich mit dem Orchester der Dortmunder Philharmoniker eine eigene Drum & Bass- und House-Komposition für Vinyl-DJ und großes Orchester uraufgeführt habe. Das wurde so weltweit noch nie gemacht und hat viele Nicht-Drum & Bass-Hörer sehr interessiert. Die Szene ist allerdings zu engstirnig, was Drum & Bass außerhalb des Clubkontexts betrifft. Diese ganze Hoch- versus Subkultur und Mainstream versus Underground-Diskussion ist absolut überflüssig. Und steht dem entgegen, was Drum & Bass bedeutet, nämlich Offenheit. Okay, einige, besonders im süddeutschen und norddeutschen Raum, würde hier wahrscheinlich Ballern statt Offenheit als Wort einsetzen, aber das ist dann wohl ein ganz anderer Ansatz.
Die Kombination von Auflegen und Live-Drum & Bass mache ich seit 1997, damals mit Breaks Alighted und verschiedenen MCs, bis hin zur großen Live-Show 2019 mit Tänzerinnen aus dem Theater- und Opernhaus Mönchengladbach und Krefeld, einem der besten Drummer Deutschlands, Thomas Holtgreve, dem diabolisch guten Bassisten Nicolas Rodriguez Pagan, Ghost am Mic und mir an den Turntables, Komposition und Konzeption. Das ist schon krass, wenn alles live zusammenkommt, die Drums und Bässe von Drum & Bass quasi räumlich greifbar werden und in Bewegung geraten.
Bei den besonderen Geschichten muss ich auch an viele Auftritte mit meinem Bruder denken, der ein begnadeter Komponist, Pianist und Organist ist. Er an der Orgel und ich in the mix. Da ist nicht nur das Miteinander der Musikinstrumente als Weltpremiere neu, sondern auch der Raum der Aufführung ganz besonders, nämlich Drum & Bass und weitere Clubmusikgenres live in Kirchen und sakraler Architektur.
Die Bässe der Orgel passen übrigens bestens zu Drum & Bass und Clubmusik und de sakrale Aufführungszusammenhang trifft sich mit dem Spirituellen, das nicht nur dem Glauben, sondern auch vielen Clubmusiken innewohnt. Zurzeit arbeite ich mit Hellmut Neidhardt a.k.a. N von Denovali Records an einem neuen Live-Projekt. Bei solchen Sachen kommt mir meine Klavier- und Dirigentenausbildung nicht nur im DJ-Mix, sondern auch im Zusammenspiel mit Live-Instrumenten und Orchestern zugute. Ich wünsche vielen der deutschen Producer ein wenig mehr Experimentierfreudigkeit. Props dafür gehen an das ehemalige Duo Phoneheads und die Umsetzung ihrer Drum & Bass-Produktionen mit den Düsseldorfer Symphonikern 2007 sowie an Heiner (The Green Man) von basswerk mit seinem Kollabo-Album von 2019, an Eric Sykes und Patrick Scale von baesse.de sowie an Mainframe und Kabuki.
Erzähle uns mal wie es bei dir alles angefangen hat mit dem Drum & Bass bzw. DJing?
Los ging es, wie bei vielen in den Neunzigern, in Bars und Miniclubs. Eine wichtige Erfahrung, die ich jedem DJ wünsche, den dort lernt man/frau das Publikum zu lesen, mit Frustrationen und Unsicherheiten umzugehen und wie in Sets experimentiert werden kann ohne den Flow zu verlieren. Anfang der Neunziger kamen so viele neue Musikrichtungen gefühlt wöchentlich heraus. Das war aufregend und die Clubkultur hat eine Hochzeit mit guter, frischer Musik, tausenden Ausdifferenzierungen sowie Subkontexten und beinhaltet mit Jungle schließlich die Geburtsstunden des bis heute letzten genuin neuen Musikgenres. Angefangen hat alles in einem CD-Verleih an der Dortmunder Schützenstraße, so was gab es damals noch. Ich habe dort zusammen mit Martini und Lefty gearbeitet, die dem Dortmunder Club-Publikum ebenfalls gut bekannt waren. Die beiden erzählten von einer neuen Kneipe namens Subrosa, in der sie zusammen auflegen konnten. Sie haben mich gefragt, ob ich nicht vielleicht mitmachen wollte, und so kam es, dass ich bei der Reihe Solid Vinyl zum Abschluss der Abende als “Rausschmeißer” Platten auflegte. Besonders Dortmund war mit seinem Plattenvertrieb NTT und entsprechender Infrastruktur eine der Hochburgen für die neue Musik aus den englischen Clubs, was mir durch die sonst nur schwer zu bekommenden Platten und den Kontakt zu den ersten deutschen Jungle- bzw. Drum & Bass-Aktivisten einige Möglichkeiten eröffnete. 1996 ging die legendäre Club Trinidad-Reihe im Dortmunder FZW an den Start. Es folgte das damals ausschließlich den elektronischen und hauptsächlich lokalen Musikspielarten gewidmete Juicy Fruits, das später Juicy Beats genannte Festival im Westfalenpark. Der Rest ist Geschichte und ich wurde schnell zu einer Art Aushängeschild und Botschafter für Drum & Bass. Das ist bis heute so und ich werde oft angefragt, ob ich nicht ein paar Promi-Tipps (Ausgehen, Platten, Kunst, Essen etc.) in großen Zeitungen und Zeitschriften abgeben kann, war Gast bei einem Promi-Kochwettbewerb, es gab schon ein paar Dash-Home-Storys, die veröffentlicht wurden, Interviewanfrage kommen relativ häufig und ich werde zu Talks eingeladen, um etwas zum Ruhrgebiet zu erzählen usw. Ich bin da gerne Repräsentant und mag meine Heimat Ruhr. Von den Artikeln, die über mich geschrieben wurden, mag ich eine Überschrift besonders, das ist die mit „der aufgeschlossene Rebell aus dem Ruhrpott“ oder so. Schmeichelt mir natürlich und sowas brauche ich ab und an, um meine Selbstzweifel und Unsicherheiten zu kaschieren.
Die Motivation beim Auflegen war als junger Mensch, der in einem eher konservativ-kirchlichen Umfeld mit restriktivem Vater und musikalischer Umgebung aufgewachsenen ist, das klassische Pianospiel zu verlassen und den Club zu nutzen, den ich damals als einen fantastischen Gegenort voller neuer, kreativer Möglichkeiten empfunden habe. Die für mich besondere Kommunikation zwischen Raum, Körper, Technik, DJ und Musik hat es mir sofort angetan. Clubs, wie die Rote Liebe in Essen, und die Mischung von Genres, die afro-karibisch-amerikanische Vibes und Basslines kombinieren, haben mich geprägt. Nach Jazz, HipHop, Reggae, Disco, House und Techno hat mich dann später UK Hardcore und Jungle total geflasht.
Das mit Club Trindidad, NTT und Juicy Beats ist ja weitreichend bekannt, aber ich möchte an dieser Stelle auch Mal jenen Clubleuten Respekt geben, die an Drum & Bass glauben, mir als Resident und dem Style im Ruhrgebiet ebenfalls Unterstützung gegeben haben, aber oft vergessen werden wie Georg vom Club Im Keller, Tosh vom Superfly oder Oli vom Herr Walter.
Wie legst du auf? Vinyl, CD oder digital?
Bis vor ein paar Jahren habe ich ausschließlich mit Vinyl aufgelegt. Dadurch dass die Anzahl der digitalen Dubplates, die an mich gesendet werden, in den letzten Jahren so angestiegen ist und ich finanziell nicht alle Tunes, die ich sonst als Dubplate hätte pressen lassen, auf Vinyl haben kann, lege ich auch ergänzend digitale Tracks von CD, noch seltener vom Stick auf. Ich mag Cover, Linernotes, die besondere Wertschätzung gegenüber den Tracks, überhaupt das Haptische bei Vinyl und finde auch die Selbstbeschränkung gut, nicht immer alles dabei haben zu müssen. Ab und zu lasse ich noch von ganz besonderen Tracks Vinyl-Dubplates schneiden. Natürlich weiß ich, dass das mit dem Vinyl einige Nachteile hat. Es ist eine persönliche Vorliebe von mir. Die Leute mögen es, wenn ich Vinyl auflege, Cover aus dem Case ziehe usw. Mir ist es aber egal, womit andere auflegen. Die Trackauswahl (diese zuerst wichtig) und der Mix sollten stimmen. Beides kann digital oder von Vinyl gleich schlecht oder gut sein, auch wenn das Digitale komfortabler ist natürlich.
Hast du einen Lieblingsstil, ein Lieblingsgenre oder Lieblingsartist?
Ich beantworte das mal nur im Bereich Drum & Bass, weil es sonst zu ausufernd würde. Was meine Sets ausmacht, glaube und hoffe ich, dass der Vibe positiv, zukunftsorientiert und seelenvoll ist. Mir ist das Emotionale wichtig und dass es nicht langweilig wird, aber auch nicht sprunghaft. Häufig wechseln Stücke, die für euphorische Eskalation auf dem Dancefloor sorgen, mit melodischen Stücken, futuristischen Klängen, Reggae- und Dub beeinflusstem Jungle und Dubplates aus der Zukunft der Bassmusik. Eine Position zwischen Künstler und Dienstleister zu finden, ist für mich als DJ wichtig. Der Mensch am Mixer ist keine Jukebox, aber sollte schon Mal den Blick hochnehmen, ob noch jemand auf dem Dancefloor ist. Ich spiele Bassline Roller, Liquid, neuen und aktuellen Jungle, Neurofunk, der seinen Namen verdient hat, ravigen Drum & Bass, atmosphärische Stücke in der Good Looking-Tradition, Amen-Smasher, auch mal einfallsreichen Jump Up, edgy Zeugs, dubbigen Halftime, Metalheadz-Styles, urban-souliges von V Recordings und mit einem Old School Piano und smarten Reggae-Lyrics bekommst du mich fast immer. In jedem Drum & Bass-Subgenre gibt es spannende und langweilige Releases. Ich versuche immer alle Neuheiten durchzuhören, stelle aber fest, dass es mir bei den vielen digitalen Neuro-, Minimal-Drum & Bass- und Jump Up-Labels schwerer fällt, frische Tunes zu entdecken, die länger als 30 Sekunden nach dem Drop und auch in der Woche nach dem Release noch Positives in mir erzeugen.
Aber ich sehe mich nicht als Geschmackspolizei. Jeder soll das hören, was ihn glücklich macht. Leidenschaft ist wichtig. Und wenn die für Schlager, oder so, brennen, dann sei es doch denjenigen gegönnt. Warum dürfen die nicht Spaß haben mit dem, was sie befreit? Ich habe die Weisheit nicht gepachtet.
V Recordings und Metalheadz habe ich recht häufig in den Charts, die kommenden Dillinja-Sachen finde ich fett, Need For Mirrors ist meist ein paar Schritte voraus, im Liquid schätze ich viele der Veröffentlichungen auf Spearhead, Integral und Fokuz. Nicht zu vergessen das Label Footnotes von LSB, was die Calibre-Schule weiter ausformuliert und auch super dope Stücke am Start hat. An den jungligen Sachen von Hospital komme ich meistens auch nicht vorbei. Im minimalen Bereich digge ich die meisten der letzten 31 Recordings-Releases. Auch der Rave-Ansatz von Digitals Function-Label catched mich regelmäßig. Was Roller betrifft, so schwöre ich auf die Künstler Chromatic oder auch Monty. Das Label Absys wird meist übersehen, bringt aber kontinuierlich innovativen und mentalen Kram auf den Markt. Vieles vom Liondub-Label ist auch in meiner Box und ich checke gerne die Veröffentlichungen des Producers MD. Seba und Bungle sind auch sehr hoch in meiner Gunst für die Eigenständigkeit und das Gefühl ihrer Tunes. Command Strange liefert immer stabil. Bei jedem neuen Release von Dead Man’s Chest (Alex Eveson) bin ich sehr gespannt. Mit Om Unit, Acid Lab oder Kabuki machst du nie was verkehrt, wenn du nach Future Stuff suchst. Madcap, Amit, Workforce, Carlito & Addiction sind auch wiederkehrend in meinem Case. Von den Young Guns mag ich vieles von Veak, Nectax und Nausika. Aus Deutschland mag ich besonders die Labels Yumi Recordings, ein amtliches Liquid-Vinyl-Label, und Original Key. Letzteres Label hat in den letzten Jahren zu einer Art eigener Bristol meets Germany meets Jungle-Ästhetik gefunden. Auf den deutschen Producer Sevin habe ich auch gerne ein Auge, weil der Typ Jazz mit großen Löffeln isst.
Hast du Alltime Faves oder Tracks, die du regelmäßig spielst?
Meine Sets sind nie durchgeplant und immer spontan. Vielleicht überlege ich mir mal den Einstieg und Ausstieg, aber ansonsten möchte ich auf das reagieren können, was auf dem Floor passiert und wie der Vibe gerade ist, was der/die DJ vor oder nach mir spielt, wie die Anlage ist und die tausend anderen situativen Faktoren, die sich oft erst im Moment ergeben.
Ein paar Tunes gibt es schon, die ich häufiger als andere mit in die Plattentasche packe, das sind zum Beispiel:
Omni Trio – Together VIP – Moving Shadow
Studio Pressure (Photek) – Water Margin
Baraka – I’ll Be There – Boogie Beat
Krust – Memories – Full Cycle
Die – Special Treat – V Recordings
Splash – Babylon – Dee Jay Recordings
Ed Rush – Guncheck – No U-Turn
Das ist nur eine spontane Auswahl und das sind einige der Tunes, welche öfter mal in meinen Sets auftauchen. Wer mag, der/die kann bei Mixcloud viele Mitschnitte von Dash-Sets finden und wird einige wiederkehrende Stücke entdecken, auch wenn ich versuche Tracks selten mehr als einmal aufzulegen: https://www.mixcloud.com/dash/stream/
Legst du ausschließlich Drum & Bass auf oder gibt es da noch andere Stile in deinem Case?
Am bekanntesten bin ich für Drum & Bass und das ist auch mein Hauptaugenmerk. Ich finde, dass die Musik sich immer noch weiterentwickelt und das größte Innovationspotential aller Clubmusikstile hat. Aber ich bin auch in anderen Clubkulturmusikstilen unterwegs, habe eine Compilation mit elektronischen Tracks aus dem Ruhrgebiet kuratiert, werde in Clubs und auf Festivals für House-, Techno- oder Freestyle-Sets gebucht.
Tendenziell empfinde ich Breakbeats als abwechslungsreicher als gerade und mit mehr Sex, Körper und Groove ausgestattet. Aber natürlich sind auch 4Beats geil, um in Hypnose zu gehen, oder ganz andere Taktarten und Beats aus anderen Kulturen irre aufregend für mich. Die zig Jahre lange Arbeit in Plattenläden und als Einkäufer im Plattenvertrieb haben selbstredend auch den Horizont erweitert und Kenntnisse in anderen Musikstilen geschult. Was ich neben Drum & Bass auflege (oder welche Arten von Drum & Bass) hängt immer vom Kontext ab. Da ich durch meine Autorenschaft im Kunstbereich sowie durch meine Uniabschlüsse in den Bereichen Publizistik, Psychologie, Medienwissenschaft und das Schaffen als Journalist und Dozent bedingt öfter Mal bei Ausstellungen, Festivals, Symposien usw. mitwirke, werde ich auch in dem Zusammenhang als DJ gebucht. Dann spiele ich, was an den Ort und zum Thema passt. Meine Erfahrung dabei: das Publikum bei Filmfestivals, Biennalen und großen Ausstellungseröffnungen ist meist noch mehr bereit für Freestyle-Sets und gewagtere Platten als das Clubpublikum. Da kann ich dann, ähnlich wie bei meiner Radiosendung, weitere musikalische Bögen spannen und Grenzen gemeinsam ausloten.
Dadurch, dass ich mich nicht nur im Drum & Bass auskenne und sich das herumgesprochen hat, darf ich in der hiesigen Kreativlandschaft Clubprogramme kuratieren, wie zum Beispiel in der Rotunde Bochum, und bin in Kunstprojekte involviert, die recht häufig anschlussfähig an Clubkultur sind. Zudem spiele ich regelmäßig bei einigen der lokalen Musik- und Partykollektiven wie All The Time/Maschinerie und weiteren. Da spiele ich dann Deep House, Techno und alles dazwischen.
Als Journalist und Autor veröffentliche ich Texte und Bücher – teilweise auch mit DJ-Lectures, wo ich Auflegen, Textveröffentlichung und Vorlesung verbinde, wie zum Thema UK Clubculture beim Institut für Populäre Musik an der Folkwang Universität der Künste oder zum Thema Drexciya: Detroit Techno, Aquanauten und die Politik des Dancefloors im Rahmen der Ausstellung Afro-Tech des HMKV im Dortmunder U, wo ich auch ein paar Jahre angestellt war. In einen Zusammenhang wie beim HMKV spiele ich afro-futuristische Tunes, die von Electro bis 31 Recordings reichen. Die Klammer ist dann weniger das Genre, sondern die inhaltliche Ebene. Es macht mir Spaß solche Sachen zu durchdenken und mit der Erfahrung in dem Bereich zu kombinieren, an Universitäten oder bei Vinyl-Talks zu dozieren, als Experte über Clubkultur und Zeitgenössisches aus regionaler Kunst, urbanem Leben und Kultur Meinung beizusteuern. Bei diesen Gelegenheiten kommen dann in DJ-Sets viele weitere Genres außerhalb von Drum & Bass dazu. Wenn ich aber in einem Drum & Bass-Club gebucht bin, dann spiele ich auch das, wofür der Auftraggeber bezahlt und mache selten mal einen Abstecher am Ende oder zwischen drin zu Genres, die reinpassen, wie Dub, Reggae, HipHop, Disco oder Electronica.
Wie ist deine Sicht zur heutigen Drum & Bass Culture? War früher alles besser?
Früher war nicht alles besser, eher ähnlich wie heute. Natürlich hat sich die Technik- und Kommunikationsgrundlage von Drum & Bass verändert, aber es gibt immer noch jede Woche einige überraschende Tracks. Vielleicht nicht mehr in der Anzahl wie früher oder diese fallen im Wust der vielen Veröffentlichungen heutzutage nicht so sehr auf. Es gibt immer noch Kollektive, die zusammenhalten, Partys im DIY-Geiste, Raves in dicken Hallen, die Diskussion um Jump Up, die es schon 1996 gab, die Nerds, die bunten Vögel, das Zusammenkommen der verschiedenen Musikszenen bei Drum & Bass, zu viele Klone von erfolgreichen Tracks, Selbstüberschätzung, Beef, die Wiederkehr von bestimmten Drum & Bass-Unterarten in der ewigen Schleife, was gerade angesagt ist usw. Trends kommen und gehen. Mal sehen, was nach der Welle mit den Horn-Tunes kommt, nachdem so langsam alle Tiergattungen als Tracknamen durch sind („Elephant“, „Yeti“, „Bearclaw“, „Coyote“, „The Falcon“, „Jungle Demon“, „Chewbacca“ etc. etc.). TechStep-Beats scheinen auch langsam wieder zu kommen. Ich hoffe aber, dass die Beats sich durchsetzen, die im Zuge des Jungle-Revivals wieder spannender geworden sind und mehr Abwechslung, Groove und Funk mit sich bringen. Drum & Bass ist mehr als nur ein Bass und sollte auch ein Drumgerüst haben, das mehr als nur Boumtchack 4 Minuten lang macht. Was die Soundästhetik betrifft, so gibt es interessante Impulse nicht nur aus England, dem russischen, brasilianischen und europäischen Raum, sondern auch aus Indien, Afrika und Mexiko.
Anders geworden ist die hohe Anzahl derer, die als DJs bei Partys und Raves mitspielen möchten. Gleichzeitig ist die Anzahl der Gäste nicht gestiegen, so dass das Hauen- und Stechen um DJ-Slots eine neue Dimension angenommen hat. Würden die DJ, die auflegen möchten, auch häufiger mal selber ausgehen und auf der Tanzfläche zu finden sein, könnte es vielleicht besser werden. Aber die meisten supporten nur ihren eigenen Style. Das war wirklich früher anders, wo es mehr Publikum als Künstler gab.
Weniger geworden sind hingegen MCs, besonders hier im Ruhrgebiet, wo sich einige der richtig guten Mikrophonkünstler in den letzten Jahren zur Ruhe gesetzt haben. Ich hoffe, dass Nachwuchs kommen wird. Aber es ist halt schwerer zu MCen als auf einen Sync-Knopf zu drücken. Ich freue mich darauf, in Zukunft wieder mehr mit Memo a.k.a. MC Memory aus Süddeutschland zusammen arbeiten zu dürfen. Auf den Partys fällt mir auf, dass es immer unüblicher wird bei einer starken Reaktion des Publikums den Tune zu rewinden, weil DJs die Befürchtung haben, dass das junge Publikum durch einen Pull-Up irritiert sein könnten. Mein Rat: Einfach machen und diesen Teil der Kommunikation im Rave nicht sterben lassen. Wheel it!
Der Austausch, der in Plattenläden üblich war, fehlt heute. Zwar ist es jetzt einfacher möglich, sich über neue Tunes und Szeneinfos online auszutauschen, aber der Vibe im Plattenladen war anders als das heutige Gebashe im Internet.
Das Corona Virus beschäftigt momentan große Teile dieser Welt. Inwiefern beeinflusst es dich aktuell in allen Lebenslagen?
Alle Buchungen als DJ wurden mir – verständlicherweise – abgesagt. Da ich aufgrund eines anderen Jobs nicht in der KSK bin, komme ich auch nicht für die Ausfallentschädigungen des Landes in Frage. Bei meinem Hauptjob bin ich meinen Chefs für ihren Einsatz dankbar, dass sie Kurzarbeit durchsetzen konnten. In Summe reicht das nicht wirklich, was kein Meckern sein soll. Ich achte jetzt mehr darauf, was ich mir leisten kann. Luxus, wie Anziehsachen und Platten, sind nicht mehr wirklich drin. Ich denke mehr in Richtung digital und verkaufe Vinyl aus meiner Sammlung bei Discogs, um an Geld zu kommen:
https://www.discogs.com/seller/dj.dash/profile. Ich freue mich für diejenigen, welche die Krise als Chance zur Entspannung nutzen können. Für mich bedeutet die Zeit gerade Umdenken und speziellen Einsatz im Umgang mit den Herausforderungen. Wie alle hoffe ich – nicht nur aus finanziellen Gründen – dass die Coronazeit möglichst schnell überstanden ist.
Mir fehlt der Club als Ort des Zusammenseins. Das können auch keine Streams auffangen. Außerdem hoffe ich, dass der Club, für den ich arbeite und der für die Region sehr wichtig ist, die Krise überleben wird, mein Job und die Clubkultur an sich, in welcher Form auch immer außerhalb von den Multi-Locations, noch existent sein werden.
Corona zwingt zur Neukonfiguration, zum Hinterfragen neo-liberaler Strukturen generell und zum Finden von Alternativen. Ich persönlich intensiviere gerade wieder das Schreiben, habe ein paar Texte in Auftrag, überlege meinen Blog www.atthecontrols.de wieder mehr aufleben zu lassen und veröffentliche am Freitag, dem 3. April, einen Mix und ein ausführliches Essay über Politik auf dem Dancefloor bei den geschätzten KollegInnen von www.dasfilter.de.
Gesamtgesellschaftlich wird es spannend, ob Kultur und Clubkultur im speziellen nach der Krise mehr wertgeschätzt werden wird, weil sie in der Pandemie schmerzlich vermisst wurde. Oder ob der gesellschaftliche Konsens, der sein wird, dass man*frau auch weiter darauf verzichten könnte und das ja alles irgendwie auch nicht so wichtig sei. Musikalisch interessant wird nach der Krise auch, ob die Leute genug von dystopischer Musik haben werden, wie sie in Techno seit Jahren dominiert, und sich zum Beispiel den mutmachenden Utopien des House und Disco zuwenden werden oder nicht. Es könnte auch sein, dass nach den krassen Zeiten aktuell Clubs weniger riskante Bookings bevorzugen werden, weil wieder sicheres Geld in die Kasse kommen muss, damit es weitergehen kann. Sicher ist, dass nach dem Krisenende viele Releases herauskommen werden und ich einer der ersten auf dem Dancefloor mit Tränen in den Augen sein werde.
Wenn wir diese Krise überstanden haben: auf was können wir uns von dir in Zukunft freuen?
Ich hoffe darauf, dass einige der Veranstaltungen nachgeholt werden können. Keiner weiß, wann es vorbei sein wird mit der Krise und was danach noch da sein wird, aber ich bete dafür, dass Soul In Motion mit Makoto, Bailey, Doc H und mir am 18. Juli in der Rotunde Bochum stattfinden kann
https://fo-fo.facebook.com/events/rotunde-alter-katholikentagsbahnhof/soul-in-motion-x-rotunde-drum-and-bass-makoto-jp-bailey-uk/846439722469702/ und eine Woche später am 25. Juli auch das Juicy Beats Festival im Dortmunder Westfalenpark mit Sweetpea, Fava, weiteren DJs und meinem 25jährigen Festivaljubiläum. Vielleicht klappt es ja auch schon am 27. Juni mit der bereits geplanten Subport auf dem Dortmunder Schiff Herr Walter mit Basic und Mendax von Degree als Gästen http://www.facebook.com/subportdortmund. Im Laufe des Jahres sollte auch ein Track von cYpher und mir auf einem der bekannteren englischen Drum & Bass-Labels erscheinen. Die nächsten beiden Ausgaben von “Vinyl Asyl” sind mit einem zweiteiligen Special über Dub, dies besonders in anderen Genres und mit exklusiven Stuff von White Peach, Deep Medi, Cyantific, DJ Plead und weiteren, fertig geplant und wir warten darauf, dass die Radiostudios wieder geöffnet werden können.
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