Paradox – Soviet / 7Arc
Let´s talk about Paradox! Der Mann hat das verdient, ist seit über 20 Jahren „doin’ his thing“, so dass es langsam mal an der Zeit für einen Lifetime Award wäre. Sein Schaffen reicht bis in die Anfangsjahre des Jungle / Drum & Bass zurück, als die wichtigsten Labels noch Moving Shadow und Reinforced hießen. Seitdem laviert sich Paradox durch die Soundscapes zwischen Jungle und Drumfunk. Künstlerisch und technisch gleichsam wert- wie anspruchsvoll, worauf man richtig gut abnerden kann. Andererseits wirkte die Musik von Paradox auf mich mitunter auch etwas sperrig, verkopft oder gar entrückt, so dass ich mich ertappte, doch wieder den einfacheren Weg gegangen zu sein und mich dem tooligeren Drum & Bass widmete. Doch nun versuche ich zunehmend, das Oeuvre von Paradox wertzuschätzen und tue dies nicht zuletzt mit diesen Zeilen. Nach einer Reihe von Re-Releases liegen hier zwei Paradox-Tracks vor, die mir neu waren und es hoffentlich auch sind. „Soviet“ ist ein düsteres Jungle-Monster mit mächtiger Bassdrum. Diesen Track würde ich wirklich gern mal in einer großen Venue hören. „7Arc“ ist da wesentlich minimalistischer unterwegs und entwickelt über seine fast 7-minütige Laufzeit einen echt feinen trippigen Breakbeat-Groove. Richtig gute Single des Altmeisters! Man reiche ihm nun einen verdienten Award. Bitte! Danke! (Metric)
Release: 29.10.2021
Label: Paradox Music
Katalognummer: PM040
Wertung: 8/10
Screamarts – ”Yokai EP”
Es ist schon interessant, dass der allgemeine Trend hin zu techigerem, sagen wir, deeperem Drum & Bass bis zu nahezu jedem Label durchdringt. Eatbrain empfand ich persönlich bis dato als eines der letzten Labels, welches unbeirrt weiter seinen typischen Neurofunk-Sound propagierte und auch releaste. Doch auch die wandeln sich. Der „neue“ Sound kommt hier von Screamarts. Ein Artist, der sich über die letzten Monate äußerst gemausert hat und stets Qualität ablieferte. Und so reiht sich auch die „Yokai EP“ ein, welche mit dem Titeltrack startet, der den Hörer direkt mit einem ziemlich quietschigen Synth strapaziert. Zum Glück folgt danach gleich der nach meinem Dafürhalten beste Track der EP mit dem Titel „Waldgott“. Aufmerksam geworden bin ich auf den durch Akovs Selection und der Tune fand außerdem Erwähnung in Bassface Saschas Baesse-Charts. Nun endlich releast, stellt sich passenderweise genau der Bassface-Mode ein, wenn man ihn hört. Das Ding ist einfach ein Killer, bei dem gefühlt alles im unteren Frequenzbereich stattfindet. „Vortex“ setzt etwas mehr auf Percussion und snapt parallel zum schraubenden Synth, der hintenraus dann auch noch einen auf Machine-Gun macht. „Bushido“ macht den Abschluss und lässt (zum Glück) keinerlei Rückschlüsse auf den hiesigen Rapper erkennen. Es ist der einzige Track der EP, der mit einer Melo versehen ist. Und die klingt eher nach Morgenland, während die Bassline böse reingrätscht und den Track ripped. Solides Restprogramm, doch „Waldgott“ ist einfach dasjenige welche! (Metric)
Release: 08.10.2021
Label: Eatbrain
Katalognummer: EATBRAIN128
Wertung: 8/10
Midas Touch Recordings – Rising I
Über das spannende Label Midas Touch Recordings habe ich ja bereits an anderer Stelle referiert. Die haben jüngst eine Art Mini-Compilation mit sieben Tracks veröffentlicht, welche allesamt von Nachwuchskünstlern produziert wurden. Meine beiden Favoriten sind der Opener „Type O Negative“ von Boycot, der einen schönen organischen Groove mitbringt und wunderbar rollt sowie „I Try“ von Silent (UK). Letzterer ist ein unglaublich schöner Track, an dem ich mich eine Weile lang gar nicht satt hören konnte und das kommt nun wahrlich selten vor. Da steckt so viel Gefühl drin, dass die verträumte Grundstimmung des Tunes einen mal ganz locker wegschweben lässt. Ich bin zwar kein Freund von Vocals, aber durch die Grandiosität vom Rest des Stückes, ist das zu verschmerzen. Die anderen Titel des Releases sind übrigens auch allesamt qualitativ propere Roller bzw. Stepper. Ein Label, dass man unbedingt weiterhin auf dem Schirm behalten sollte! (Metric)
Release: 29.10.2021
Label: Midas Touch Recordings
Katalog: MDSTCH007
Wertung: 9/10
REPAIR, Ben Shaw & PONZ – „Stay With Me“
2020 hat, Achtung, Understatement incoming, viele Änderungen mit sich gebracht. Eine der am schönsten anzusehenden Entwicklungen ist dabei die immer größer werdende Drum & Bass Szene in Neuseeland. Der Inselstaat war schon immer auf dem aufsteigenden Ast, aber letztes Jahr kam eine wahre Lawine aus neuen Kiwi Producern, DJs und Vocalisten ans Tageslicht, die sich ständig gegenseitig an Qualität zu übertrumpfen schienen. Mit REPAIR, einem aufstrebenden Kiwi Duo, dem in Auckland stationierten Multi-genre Produzenten Ben Shaw und der exzellenten Sängerin aus Christchurch Ponz haben sich nun vier wahre Hochkaräter aus Aotearoa für die neue Single „Stay With Me“ zusammengetan. Nach ein paar mal Anhören wusste ich auch direkt warum er so heißt, denn so catchy wie diese Kollabo ist, blieb er noch eine ganze Weile bei mir im Ohr hängen. PONZ glänzt zum wiederholten Male mit grandiosen Vocals, während REPAIR und Ben Shaw geradezu mühelos die Brücke zwischen klassischem modernen Dancefloor und einzigartigen Ideen schlagen. Ich mag’s sehr. (Lennart Hoffmann)
Release: 26.10.2021
Label: Tenfold. Records
Katalognummer: TR 021
Wertung: 8.5/10
Rizzle – „Twilight Tones LP“
Ich mag meinen Drum & Bass ja öfters mal auch etwas Deep & Dark. Aber so richtig feiern tu ich’s meistens erst, wenn es auch noch eine schön ominöse melodische Komponente hat. Einer, der meinen Geschmack mit geradezu chirurgischer Präzision trifft, ist Rizzle. Seit 2015 gibt’s vom Produzenten aus Bournemouth derb gut produziertes Material in genau der Ecke wie am Fließband. Nach zahlreichen EP Releases auf Vandal, Overview und vor allem Dispatch, erschien auf Letzterem nun endlich sein Debütalbum, „Twilight Tones“. Der Elevator Pitch: 15 Tracks geballte Deep & Dark Drum and Bass Power, keine Intros, keine Outros, keine Skits. Zu sagen, er hätte da zu 100% abgeliefert, wäre noch untertrieben. So ziemlich jeden Track feier ich extremst. Mal geht’s etwas steppiger zu wie auf „Harmonizer“, „Duality“ oder „Gloom“ mit GROUND, mal geht’s in die melodische Roller Schiene wie auf „Twilight Tones“, „Subliminal“ oder „Pathways“ mit Wingz, mal fetzt er einem die rollenden Drums aber auch um die Ohren wie auf „Tetris“ oder „Abyss“. Kann ich echt nur jedem empfehlen. (Lennart Hoffmann)
Release: 22.10.2021
Label: Dispatch Recordings
Katalognummer: DISRZLP001
Wertung: 9.5/10
VovKING – „Katana“
Wenn es darum geht, über den Sound Der Zukunft™ im DNB zu reden, driftet die Diskussion meistens in die Newschool Neuro Schiene a la IMANU und Buunshin ab. Für Leute, die eher so auf Dancefloor Sachen stehen und trotzdem am liebsten den Sound von morgen schon heute haben wollen, kann ich nur den Ukrainer VovKING wärmstens empfehlen. Früher noch zusammen mit Tapolsky unterwegs, ist er seit diesem Jahr nun Ridin‘ Solo und zeigt der Szene, wer hier der (Vov)King ist. In kürzester Zeit hat es ihn dabei mit seinem Händchen für einzigartige Sounds und Atmosphären auf Labels wie High Tea, Mainframe, Rampage Recordings und mit „Katana“ nun eben auch Friction’s Elevate Records verschlagen. Auf eben diesem zeigt der Ukrainer ein wenig seine seichtere Seite. Mit kitschigem (im guten Sinne!) Vocal Sample leitet er uns direkt in den retrofuturistisch angehauchten Drop, in dem sich die schnellfeuernden Staccato Synths auf dem steppigen Beat von ihrer besten Seite zeigen. Das hat nicht nur Ohrwurmcharakter, es bleibt auch durch die gekonnt gebastelten verschiedensten Variationen ebenjenes ersten Drop-Drittels immer spannend. Schöne Nummer. (Lennart Hoffmann)
Release: 05.11.2021
Label: Elevate Records
Katalognummer: ELA084
Wertung: 8.5/10
Vacant Future & Tasha Baxter – “No Release”
Mal etwas anderes. Südafrikanische Singer-Songwriterin und Legende der Electronic Dance Music Community, Drum & Bass mit eingeschlossen, Tasha Baxter hat im ersten Lockdown letzten Jahres ein ganz besonderes Projekt gestartet: „Full Moon Flex“. Angefangen hatte alles auf Discord und Patreon, aber es dauerte nicht lang, bis Tasha auch auf Twitch unterwegs war. Zu jedem Vollmond (es ergibt jetzt alles einen Sinn!) gab es Live Performances, Feedback Streams, eigentlich alles was man sich so vorstellen kann. Irgendwann fing Tasha dann an, auf den eingereichten Instrumentals live Vocals, Instrumente oder andere Produktionstipps beizusteuern, die die Produzenten weiterverwenden durften. Irgendwann kamen so viele gute Einreichungen von aufstrebenden Künstlern zusammen, dass die Idee eines „Full Moon Flex“ Albums langsam aber sicher Form annahm. Prompt gründete sie ihr eigenes Label, „Polyoto“, und arbeitete mit ihrer Community an der Finalisierung eben jenes Longplayers. Letztendlich sind es 17 Tracks von 13 Künstlern aus aller Welt geworden, die am 19. November ihren vollen Release feiern werden. Einen der Tracks, die vorab bereits released wurden, „No Release“ mit dem australischen Newcomer Vacant Future, möchte ich hier mal extra hervorheben. Die Vibes, die Atmosphäre, die Emotionen, die dieses beeindruckende Debüt ausstrahlt, sind echt erste Klasse. Der tief vibrierende Bass, die ominösen Unterwasser Melodien, die (natürlich) exzellenten Vocals von Tasha, alles arbeitet zusammen in perfekter Symbiose. Wie Vacant Future die Vocals zu neuen Melodien im Buildup zum zweiten Drop verarbeitet, ist auch einfach super. Mit anderen Worten: Hört’s euch an! Und das Album natürlich auch! (Lennart Hoffmann)
Release: 05.11.2021
Label: Polyoto
Katalognummer: POLY05
Wertung: 9/10