Untrue – “Rudeboy EP”
Unglued, Unkoded, Untrue…die Vorsilbe “Un” an den Anfang des Artistnamens zu setzen, hat Konjunktur. Didaktisch erschließt sich mir das in etwa so gut, wie der Umstand, dass DJ Limited ein ziemlich vielseitiger Producer ist. Aber um den geht’s ja hier nicht. Stattdessen entstammt Untrue tatsächlich eines waschechten Vater-Sohn-DnB-Duetts. Den Zögling verschlug es nunmehr aus dem kalten Sibirien in das kosmopolitische Moskau und als Untrue releast er seitdem u.a. auf Occulti, Fokuz, Warm Communications oder Skankandbass. Die „Rudeboy EP“ wiederum erschien auf Grid Recordings, die seit dem Neustart nach Twisted Individuals persönlicher Pause wieder richtig agil und schon bei Katalognummer 168 angekommen sind. Die EP selbst erfreut sich höchster Vielseitigkeit. Von herrlicher Urbanität zeugen sowohl der clanging Opener „Rudeboy“ als auch „Acid Skank“, der noch ein schönes Reggae-Riff parat hat. Was „London´s Finest“ mit London zu tun hat, muss ich noch eruieren. Jedenfalls befindet sich das Ding auf dem Release hier im wunderbar techig rollenden Remix von Cnof, den ich bislang „nur“ mit gutem klassischem Liquid assoziierte. Einen weiteren Steppenroller gibt´s mit dem Bristol-esken „Underground Tribute“, der total nach DLR klingt. „Soundboy“ steppt dann noch etwas heftiger, während „Rehabilitation“ mein heimlicher Lieblingstrack der EP ist, denn die laid-back Melo ist so wunderbar ausproduziert, dass ich mich nur noch zurücklehnen und genießen will. Untrue heißt er, true beats liefert er! (Metric)
Release: 15.04.2022
Label: Grid Recordings UK
Katalognummer: GRIDUK168
Wertung: 8/10
Warm Roller – “Black Lies EP”
Warm Roller – “Believe / Galaxy”
Man mag nur erahnen, wie es den Menschen in der ukrainischen Hauptstadt geht und irgendwie empfinde ich für einen DnB-Producer aus Kiew dann noch zusätzliche Verbundenheit; und freue mich, dass er unter welchen Umständen auch immer, seiner Passion nachgehen kann; und dass es Plattformen gibt, wo seine Musik released wird. Prinzipiell möchte ich hier zwei Veröffentlichungen besprechen, die beinahe zeitgleich erschienen sind. Die „Black Lies EP“ auf Celsius ist allerdings streng genommen genauso eine Single, wie die andere VÖ „Believe / Galaxy“ auf dem Chemnitzer Label C Recordings. Wie auch immer. Der Name des Artists ist natürlich Programm: vier schöne, warme, liquide Nummern, simple as that. „Break Me“ ist eine erhabene Kollaboration mit Qumulus, der auch eine ganze Weile weg war und inzwischen auch schon wieder ein paar richtig gute Tracks rausgehauen hat. Und während „Black Lies“ eher rollt und „Believe“ eher steppt, macht „Galaxy“ einfach gekonnt beides. Ein einfaches Riff und ebensolche Basstonika sowie eine betriebsame Background-Percussion reichen aus, um daraus einen spitzenmäßigen Feierabend-Track zu machen. Zwei Singles, die auch eine zusammenhängende EP hätten sein können. Aber beide Labels wollten wohl was vom warmen Kuchen abhaben. Verständlicherweise. (Metric)
Release: 29.04.2022 und 25.04.2022
Label: Celsius Recordings und C Recordings
Katalognummer: CLS394 und 10218645
Wertung: 7/10
Xaetis – “Leviathan LP”
Zunächst Kopfschütteln meinerseits beim Hören dieses Mini-Albums. Wie krank kann eine Soundstruktur sein? Als jemand, der mit Aphex Twin und Squarepusher aufgewachsen ist, nehme ich jedoch im gleichen Atemzug wohlwollend zur Kenntnis, dass sich viele DnB-Producer in Sachen Arrangement inzwischen eine Menge mehr trauen, als es vielleicht vormals „zum guten DnB-Ton“ gehörte. Das Album hier ist jedenfalls der Shit. „Stop Go“ ist gleich zu Beginn ein Breakbeatmonster, was gar keine Lust hat, in einen geraden Beat zu münden. In eine ähnliche Kerbe schlägt „Pathogen“. „Insecurities“ verbindet Halfstep, Techno auf 170 und Filtered Business miteinander und das ziemlich gekonnt. Killer! „Gargoyled“ ist völlig abgedreht und da sind wir gedanklich wieder bei Warp bzw. kommen mir da Bilder wie die von Chris Cunningham erschaffenen in den Kopf. Zum Glück kommt danach der „Doctor“ und verabreicht das entsprechende Beruhigungsmittel in angemessener Dosis, so dass hier keiner wegnippelt. Indes, die innere Unruhe bleibt. „Never Have“ schwingt dann noch mehr die Techno-Keule – das ist ne richtig schöne Soundnische geworden. „Chapters“ macht die LP rund, ist zwar noch immer ziemlich alkalisch, aber etwas näher dran an den „normalen“ Hörgewohnheiten eines DnB-Consumers. Unnormale EP eines Ausnahmekünstlers aus Bristol, der sich gar nicht nach dem typischen Bristol-Sound anhört. Schade, dass er im Social Media ziemlich inaktiv ist, sonst hätte ich ihm ein fettes BIG UP für diese LP dagelassen. (Metric)
Release: 18.04.2022
Label: Sinful Maze
Katalognummer: SFM014
Wertung: 8/10
Majestim – „Worlds Collide“
Majestim ist einer dieser Artists, bei denen man auch mal 2 Jahre auf neues Material wartet. Er ist allerdings auch einer dieser Artists, bei denen die Qualität des Outputs so verdammt hoch ist, dass man die Wartezeit gerne in Kauf nimmt. Trotz des raren Outputs hat es den Estländer seit seinen ersten Produktionsanfängen circa 2012 schon auf Labels wie Lifestyle und RustOut verschlagen, heutzutage findet man ihn aber ausschließlich auf dem grandiosen Glitch Audio, dem Label des Liquiddnbftw Kanalinhabers. Auf eben diesem bringt uns der gute Majestim mit seiner „Worlds Collide“ EP nicht nur 3 oder 4, sondern gleich 6 neue Tracks voller souligen Vocals, wirklich extremst guten Klaviermelodien und einem überaus hohen Maß an wunderschönen Vibes. Sind zu viele tolle Sachen, um alle einzeln durchzugehen, aber „Past, Present & Future“ muss ich doch noch mal explizit lobend hervorheben. Definitiv einer meiner Lieblingstracks dieses Jahr, krieg‘ beim Drop jedes Mal Gänsehaut. Is‘ einfach der perfekte Soundtrack für’s nächste Sommergewitter oder entspannende Bad. (Lennart Hoffmann)
Release: 06.05.2022
Label: Glitch Audio
Katalognummer: GLTCHAUD021
Wertung: 9.5/10
Screamarts – „Ultimatum / Parallel“
Auf der anderen Seite haben wir hier mit Marvin Eibl, aka Screamarts, einen Artist, dessen Output sowohl konstant hoch als auch konstant gut ist. Dass er nicht nur „gut“, sondern auch „verdammt gut“ kann, zeigt uns der Wiener mit seinem neuester Skankandbass Double Single „Ultimatum / Parallel“. Mit Releases auf Delta9, Flexout und Fokuz, aber eben auch Bad Taste, Eatbrain und sogar dem Neurobreaks Label Symbiotik Records, weiß man nie so ganz genau, was für einen Sound man denn bei einem Screamarts Release eigentlich erwarten sollte und diese neue Single stellt diese Diversität wiedermal eindrucksvoll unter Beweis. Auf Ultimatum springen wir nicht nur mühelos zwischen wummernden 4×4 Beats und einem breakigen Rhythmus Feuerwerk hin und her, es gibt auch allerlei distorted Synthmelodien zu bestaunen. Die B-Seite Parallel geht da einen komplett anderen Weg: Mit einem konstanten Achtel-Noten Kopfnickerflow bestehend aus metallenen Snares und blechernden Synths nistet sich der Track so tief in unseren Kopf ein, dass die wunderschön-komischen Melodien so schnell nicht aus unserem Gedächtnis entfleuchen. Geniale Produktion, sowohl sounddesigntechnisch als auch musikalisch. (Lennart Hoffmann)
Release: 25.04.2022
Label: Skankandbass
Katalognummer: SNB099
Wertung: 9/10
Niallo – „Juxtaposition EP“
Aufwachen, es gibt mal wieder neues fantastisch-sonderbares Material aus der DnB Produzenten Welthauptstadt Bristol! Diesmal bringt uns einer der meiner Meinung nach absolut besten Newcomer des Jahres, Niall Overend, besser bekannt als Niallo, vier neue Kronjuwelen aus der abgedrehten techy Newschool Schule, in Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden walisischen Label Incurzion Audio. Auf dieser „Juxtaposition“ EP, die nach „Introspection“ auf Expedite und „Unsettle“ auf South West Riddim nun sein drittes britisches Underground Meisterwerk in Folge darstellt, geht es einfach nur drunter und drüber, egal welchen Track man anspielt. Im positiven Sinne. Der Titeltrack „Juxtaposition“ ist mit seinen Kombinationen aus diversen Kinderspielzeugmelodien und wildem 16tel Geballere einfach nur komplett plemplem, „Physical“ zeigt, dass es auf der 4×4 Schiene immer noch neue absurd-klingende Welten zu erkunden gibt, „More Than One Word“ ist nicht nur ein grandios-stumpfer Titel, sondern auch einer der komischsten Ohrwürmer, die ich je hatte, und „Overcome“ rundet das ganze mit wundersamen Synthmelodien und abgespacedten Rhythmen perfekt ab. Perfekte Musik für das entspannte sonntägliche Familienfrühstück. (Lennart Hoffmann)
Release: 29.04.2022
Label: Incurzion Audio
Katalognummer: INC039
Wertung: 9/10
Forum – „Right Time EP“
Forum! Sagt einem eventuell erstmal nichts. Wenn ich dann aber sage, das Deep-Liquid Projekt der französischen DnB Maestros The Clamps, Opsen und seit knapp einem Jahr auch Vandal Records Labelhead Sks, dann sollte ich nicht mehr viel sagen müssen. Selbst wenn dem nicht so ist, das Wichtige ist: Die Musik spricht für sich selbst. Wie man es schon von den jeweiligen Solo Projekten und dem Clamps und Opsen Zusammenschluss Burr Oak gewohnt ist, waren auch die ersten paar Forum Releases bereits top produziert, dank einer gehörigen Menge an Foghorns aber definitiv noch etwas grober. Seitdem Sks mit am Start ist scheint der Soul auf den Tracks nun noch häufiger als zuvor durch, und genau diesen findet man nun auch viel auf der „Right Time“ EP, released über Sks‘ Label. Vor allem der Klavier-lastige Titeltrack, mit wunderschön souligen Vocals der Kosenprod Newcomerin Izela, überzeugt in der Hinsicht vollkommen. Für die, die’s etwas härter mögen, gibt’s am Ende der EP aber auch einen starken techy Remix des fast tot geglaubten italienischen Duos Synth Ethics. Auf „Rebel Heart“ gibt’s zwar auch ’ne gehörige Portion Vibes, aber es geht schon etwas düsterer zu. Ein Trend, der sich auf meinem Favouriten der EP, „Sunset Sherbet“, weiterführt. Erst serviert uns das Trio ein bereits sehr formidables 3 Gänge Menü aus rollenden Drums, bedrohlich umher wandernden Bässen und atmosphärischen Samples, doch dann stellt der Switchup noch mal alles komplett auf den Kopf. Magnifique! (Lennart Hoffmann)
Release: 29.04.2022
Label: Vandal Records
Katalognummer: VDL065
Wertung: 9/10