E“RWI, yanekcore – „Went Away“
Normalerweise schau ich mir ja eher die lokalere, oder zumindest aus benachbarten Ländern stammende, Künstler an, aber wisst ihr was, diesmal spring ich einfach mal etwas rum. Erster Stopp: Weißrussland! In Minsk haben sich nämlich zwei außerordentlich unter dem Radar fliegende Künstler zusammengetan, ERWI und yanekcore! Langzeitfans ist ERWI, professioneller Finger-Trommler und Creative Producer bei Forest Rock, auch unter dem Multigenre alias mod:noise bekannt, für uns DnB Liebhaber ging’s dann ab dem exzellenten Final Decay, und der dazugehörigen EP, so richtig rund. Seit dem 2023er Banger Watchu schon, aber vor allem in letzter Zeit immer häufiger, wird dabei mit Minskeraner Kollege yanekcore zusammen an allerhand grandiosem gebastelt. Zu ihm hab ich soweit erstmal keine früheren Aliase gefunden, aber früher gab’s wohl viel hi-quality lo-fi zu schnabbulieren, bis er dann 2019 in die Electronic-Schiene abgebogen ist. Mit so coolen Inspirationen wie Tek Genesis und Quiet Bison, ist das auch fast gar kein Wunder wie sick die Endresultate da bisher so waren, aber vor allem die Tunes mit dem lieben ERWI hauen mich immer wieder auf’s Neue um. So auch der neueste Streich der beiden, Went Away, auf dem Denveraner Label Goost Music. Was als stimmungssetzende Gitarren mit simplem aber effektiven Vocal beginnt, mutiert schnell zu einem Feuerwerk der futuristischen Gefühle, mit allerlei schnell-feuerndem Synthgeschnetzel als Hauptgericht. Fetzig! (Lennart Hoffmann)
Release: 04.08.2024
Label: Goost Music
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
MEWONE! – „Jin-Roh“
Wo wir schon mal gen Osten schauen, lasst uns gleich mal den Sprung rüber zu Moskau machen, wo Roman Moore, leider noch viel zu wenigen Leuten als MEWONE! bekannt, seit Jahren quasi konstant Banger über das ganze DnB Spektrum hinweg raushaut. Und wenn ich konstant sage, meine ich es auch. Er ist so verdammt produktiv, dass ich auf Spotify bald fünfzig, in Zahlen 50, Songs von ihm geherzt hab, und ich bin mir zu 100% sicher, dass die Grenze innerhalb der nächsten paar Monate gesprengt wird. Früher hat’s ihn auch mal auf die üblich-verdächtigen russischen Labels wie SLK und Neuropunk-Vorfahre TAM Records verschlagen, aber seit der Gründung seines eigenen Labels Divine Music ist er hauptsächlich dort unterwegs. Nun gibt’s mit Jin-Roh den nächsten Eintrag in der langen, langen Reihe an Bangern! Man könnte bei dem stimmungshaften Intro erstmal denken, dass es in eine etwas melodischere Richtung geht, aber die düstere Bassmelodie, die sich kurz danach dazugesellt, sollte jedem klar machen, was hier bevorsteht: fetter, dunkelster Dancefloor! Macht auch so schon gut Spaß, aber es ist der Synthwave inspirierte melodische Switchup in Hälfte Zwei, der das ganze am Ende für mich so richtig herausstechen lässt. Klasse! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.07.2024
Label: Divine Music
Katalognummer: -/-
Wertung: 8.5/10
Emzhi – „Mirage“
Springen wir mal ganz woanders hin, in’s Land der niemals enden wollenden Wahlkampagnen, Amerika! In der Stadt der Engel treibt nämlich Matthew Gooden, für uns Zuhörer wahrscheinlich besser bekannt als Emzhi, schon seit einiger Zeit sein emzhiges Multigenre Unwesen. Als Teil des Ä Collectives, gibt’s schon seit 2018 heftigstes Geschredder im Electronic, Dubstep und Neuro Wave Bereich, Kollateralschaden-verursachende Kollaborationen mit Kapslock Kapitänen VARI, VRGL und DAETRICH, und seit First Light auf Arcadium Project in 2023 dann endlich auch fetzige Trommelbässe(.de)! Checked gerne mal Seiprah aus, ihr werdet es nicht bereuen. Aber hier geht’s natürlich erstmal um den Neuen, Mirage! Eine bedrückende Atmosphäre, die einem wie ein Schauer über den Rücken läuft, und fast auszufaden droht, bevor zwei blitzschnelle Kicks ein Breakbeatgewitter voller donnerdem Bassgetöse lostreten, was seinesgleichen sucht. Unglaublich sick! (Lennart Hoffmann)
Release: 17.07.2024
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Human Theory – „Pressure“
Und zu sehr guter Letzt, zwei die nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch extremst gute Newcomer sind: Human Theory! Auch wenn dieses Projekt erst seit diesem Jahr besteht, so ist es bei Weitem nicht das erste Mal, dass die britischen Mates Lorenzo Morandi und Oliver Frost zusammen musiziert haben. Vor rund 11 Jahren haben die beiden bereits in einer Hardcore Band zusammen gespielt, mit Oli an den Drums und Lorenzo am Gitarre shredden, die sie zwar nicht weiter öffentlich nennen wollten, aber laut Zeitungsberichten wohl doch spaßige Shows abgeliefert haben. Als die Band dann hinüber war, haben die beiden sich noch mal für Akustik Experimente zusammengetan, aber als Oli dann irgendwann Lorenzo an Drum and Bass herangeführt hat, war beiden klar, was ihre DnBestimmung ist. Nach 3-4 Jahren des Produzierens, gab’s dann dieses Jahr ihre ersten, selbst releasedten Outputs, und alles was man sagen kann ist Wow. Ich mein, hört euch einfach mal den neuesten, Pressure, an. Ein vor Atmosphäre nur so triefender Buildup, in dem Oli eine wahre Glanzleistung im Gesangsbereich raushaut, ein MODUS-esker, höchst eskalativer und unerhört alles-zerschmettender Drop, voller Drum Auswechslungen und Synthhaft grandiosen Melodeien – was will man mehr? (Lennart Hoffmann)
Release: 02.08.2024
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 9.5/10
Various Artists – “Onlyfunks”
Das St. Petersburger Label Paperfunk ist mit dessen neuesten Releases schwer in meiner Gunst gestiegen. Doch diese Compilation hier setzt dem ganzen die Krone auf. Zumal ich das so nicht erwartete und die „Onlyfunks“ Ausgabe Nummer 1 möglicherweise eine neue Reihe einläuten könnte. Analog zu den Infos in meinem Podcast gebe ich zunächst zum besten: eine Compilation auf Paperfunk ist immer eine gute Sache, denn stets wird Qualität geboten, inklusive(!) neuer Namen, wo ich mich manchmal frage, wie schnell sie die eigentlich so gut backen können. Dass ich den Pfad der alleinigen Neuro-Tugend nie beschritten habe, hat indes den Vorteil, dass es sich heuer wie etwas besonderes anfühlt, ein reines Neuro-Release zu reviewen. Und doch hat es sich aus sich selbst heraus komplett verdient! Ich unterstelle den Platzhirsch-Neurolabels jetzt mal dass sie sich in einem steten Konflikt befinden. Denn einerseits soll die Trendvorgabe und Kreativität nicht komplett auf der Strecke bleiben. Andererseits traut man sich nicht, zu sehr mit dem selbst aufgebauten Labelsound zu brechen und die Fans zu vergrätzen. Über diesen Konflikt scheint Paperfunk erhaben, denn insbesondere hier vorliegende Werkschau hört sich ein bisschen an, wie Neuro früher mal war: irgendwo zwischen progressiv-visionär und dynamisch-kompromisslos. Bei den 16 Tracks sind einige dermaßene Brecher dabei, die nicht viel mit „Allgemeinverträglichkeit“ an der Kappe haben und das ist gut so!
Deshalb hier direkt meine Favs: Nummer 7) Neurogruzovik & Toyfon – „New Trolleybuses“ – direkt so ein progressives Teil mit Doppelkick und Lasersynths; Nummer 9) Human Made & Splatii – „Saturn“ – tatsächlich weniger Neuro als mehr ein schön darker Sci-Fi-Tune, bei dem im Basslinebereich Bewegung drin ist wie im Gravitationsfeld sowie Nummer 10) Ghidemora & Nervorum – „Rokos Basilisk“ – direkt die Antithese mit einem quasi-Darkstep-Track, ein bisschen CV-esk, techy und unaufhörlich mechanisch-rollend. Tune!
Ich denke, wer es mit Neuro hält, findet auf diesem Release auf alle Fälle Futter, was in die Playlist wandert, selbst wenn man neben den paar Namen, bei denen im Hinterköppl was läutet (Tntklz, Irontype, Paperclip etc.), nun viele neue dazulernen sollte. Als Auflegender habe ich das jedoch schon immer als Teil meiner Aufgaben gesehen. Umso mehr gab und gibt es hier zu entdecken. Bei jeder neuen Paperfunk-VÖ leuchten meine Augen nun ein bisschen mehr! (Metric)
Release: 12.07.2024
Label: Paperfunk Recordings
Katalognummer: PPRFNKLP014
Wertung: 9/10
Various Artists – “Reforged Part 1”
Und weil’s so banging war, gibt’s hier direkt mehr Neuro auf die Omme. Und dann auch noch von einem neuen Label! Okay, streng genommen existiert das im schönen Brno beheimatete Mindicted Music-Imprint schon seit einigen Jahren. Angefangen hatte alles mit Gastmixen, zwischendurch kam ein Freebie, dann wieder Mixe und dann erhöhte sich die Frequenz der Free Tunes und die Mixe wurden weniger. Um hier mal den Deckel draufzumachen: nun kam also das erste „Bezahl-Release“ und dabei handelt es sich genauer gesagt um ein Remix-Release von vier Tracks, die vormals zu o.g. Freebies gehörten. Die Producer der Originale UND der Remixe sind nahezu allesamt Heads aus CZ (Balron und Karpa sind gar aus Brno selbst). Lediglich der Hamburger Sindicate sowie der noch sehr frische First Person aus Holland befinden sich darunter. Und was soll ich sagen?! Für mich macht First Person hier den besten Job. Die Interpretation von Wallhacks „Heaven“ mit Distortion und ner Menge Synth-Fisimatenten durchtränkte Nummer segelt hart an der Loudness War-Übersteuerung. Doch dann kommt diese Melo und der wundervolle Breakdown. Göttlich! Erinnert mich bisschen an die Arbeiten von Burr Oak oder den Teddy Killerz. Während Karpa für seinen Remix von „Bullet Train“ (Zigi SC) vermutlich sehr lange an diesen klaren Drums gearbeitet hat, nahm sich Sindicate mit seinem „Azimuth“-Remix (Prdk) eher den Bassbereich vor. Solid work! CZ-Altvater Symplex nahm sich „Editmania” von den Landsleuten Balron, Phenom & Discharge zur Brust und lässt’s etwas oldskoolig-gediegener angehen. Sein Remix zeigt, dass Staccato und Roller prima Hand in Hand gehen kann. Bin gespannt, ob es weitere Remixe ehemaliger Freebies in Zukunft geben wird. Das hier war schon mal ein schönes Quartett zum Sammeln! (Metric)
Release: 25.07.2024
Label: Mindicted Music
Katalognummer: MNDCTDRMX001
Wertung: 8/10
Various Artists – “vol.7”
Mehr DnB pa ruski paschalusta! Über das breit aufgestellt Ozriderz-Label habe ich mindestens schon einmal geschrieben, doch in diesem Falle, mit der Labelcompilation vol.7, lag das ehrlich gesagt zunächst gar nicht so nahe. Am Ende hat es dieser eine bestimmte Track (Spoiler!) aber verdient, hervorgehoben zu werden und so bekommt das ganze Release ein paar Zeilen – wär’ ja sonst auch unfair den anderen gegenüber. Jedenfalls hat man bei Ozriderz auch bei den für Episode 7 ausgewählten 12 Tracks wieder eine große Mischpoke an Stilen und Künstlern zusammengeklaubt. Auffällig ist, dass diesmal eher die urbanen Subgenres vertreten sind, weniger techy oder Neurostuff. JumpUp ist z.B. von Track 6-9 gleich viermal hintereinander vertreten (Pruf, Bass Dealah & Original Ninja, Mistwist, Dubtype). Die meisten anderen Titel verteilen sich auf die weite Welt des Techstep bzw. der Rollers. Mage aus Chelyabinsk hat mit Dk Foyer einen old head von früher reaktiviert und die einzige Uplifting-Nummer für die VÖ geschrieben. Doch bevor ich euch noch weiter schmoren lasse, kommen wir zum heimlichen Helden der vol.7. Ein Künstler namens The H20. Etwas versteckt am Ende der Compilation kommt er mit Titel 11 „Pink Girl“ um die Ecke. Tatsächlich hatte ich das Glück, „Pink Girl“ seit geraumer Zeit zu kennen und war beim ersten Hören vor einigen Monaten direkt schockverliebt ob der Bassline. Das Teil klingt, als würde es aus der Feder von Drumsound & Bassline Smith höchstpersönlich stammen. Jedenfalls so, dass ich mich freue, es nun mit fertigem Mixdown und Mastering in voller Blüte erleben und spielen zu dürfen. Allein für diesen Track hat es gelohnt, sich mit dieser Compilation zu beschäftigen und darüber zu texten! (Metric)
Release: 19.07.2024
Label: Ozriderz
Katalognummer: OZRVA013
Wertung: 7/10
https://www.beatport.com/release/various-artists-vol7/4619384?srsltid=AfmBOoqj6aGADajwfuuPZk0ts7bFvQ_R9yDVnnbzpQG3xMgSU7jZBSd4