The Clamps – “From Dust to Dawn LP”
My darling Julien aka The Clamps ist zurück im Albumformat! Und da ich gern von Überraschungen schreibe, so ist jene hier vielleicht derart gelagert, dass man nun nicht unbedingt ein Soloalbum von ihm erwarten durfte, nachdem er abermals mit seinem Partner in Crime Opsen als Burr Oak die Festivals im Sommer auf und ab tourte. Stilistisch ist die Solo-LP indes nicht weit weg vom Burr Oak-Sound. Das ist zeitgenössischer Neurofunk par excellence: feine Soundscapes, on point Drums und ein abwechslungsreiches Arrangement können gar nicht anders, als den geneigten Hörer in pures Excitement zu versetzen. An die pure Loudness muss man sich möglicherweise noch etwas gewöhnen, wenngleich dies seit geraumer Zeit untrennbar mit seinen Produktionen verbunden ist. Ich persönlich habe ehrlich gesagt keine Vorstellung, wie man dieses Produktionslevel im Sinne der „Ausproduziertheit“ noch weiter steigern könnte. Für Laien wie mich unmöglich, bis dahin vorzudringen. Deshalb schaue ich lieber demütig auf und küre meine Favoriten, als da wären: „Blumhouse“ (feat. Tryst Temps) – verrückt, nicht nur der nach Western anmutende Sound zwischendrin, sondern auch, dass es die einzige Collab auf der LP ist; „Inflate“ – loud as f, schräge Melo und einfach eine Erlösung von Drop, mein lieber Schwan; „Moirai“, benannt nach den Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie – könnten locker auch die Sirenen sein, ich wäre verloren, nein ich bin es – an die Strings(!) sowie „Seven Virtues“, weniger episch, dafür mehr Floorkiller, höchstindustriell und – funktional. Das alles soll und darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die anderen und damit insgesamt 17 Tracks feinstes Material auf allerhöchstem Niveau darstellen und die LP runder machen als nen Buslenker. Diese kleine sprachliche Nuance: vom Dreck bis in den Morgen, ist mir ehrlicherweise erst im zweiten Moment aufgefallen, deckt sich jedoch nur allzu gut mit meinen besten Erfahrungen im Nachtleben und damit, dass mich nach so mancher Party meine Waschmaschine locker offiziell hassen dürfte. Komplett gegenteilig verhält es sich mit mir und The Clamps. Ich liebe diesen Kerl! (Metric)
Release: 30.09.2024
Label: Kosenprod
Katalognummer: KOSEN81
Wertung: 10/10
Various Artists – “Prototypes”
Ich schrieb und schwärmte jüngst bereits von der Compilation “Onlyfunks” (inzwischen ist bereits vol.2 draußen) und parallel dazu scheint das immer besser werdende Paperfunk-Label eine weitere spannende Reihe namens „Prototypes“ aufzumachen. Eigenen Angaben zufolge ist diese Compilation das Ergebnis der Experimente der „Neuro-Hacker Studenten der Neuropunk-Akademie“ und die Veröffentlichung präsentiert die besten Werke aus dem Neurofunk-Kurs. Während der Opener vom alten Hasen Paperclip stammt, sind die übrigen Tracks allesamt aus der Feder von Newcomern, behaupte ich jetzt mal. Zwei davon haben mich besonders gekillt: zum einen Ixsairiz mit „Doombot“, nach´m Drop passt da wirklich kein Feigenbblatt dazwischen; zum anderen Splatii mit „Elektronik“, mit deutlich newskooligerem Ansatz und ner Drumming-Federführung, die an die Arbeiten von L3mmy Dubz erinnert. Die übrigen Tracks bewegen sich im Spannungsfeld zwischen techy und Neuro und bringen wirklich allesamt einen individuellen Approach mit: manche mehr Dancefloor-esk, andere etwas entrückter oder melismischer. Das hohe Niveau der anderen Reihe (zur Erinnerung: Onlyfunks), konnte hier auf jeden Fall gehalten werden. Prototypes, I feel your vibes! (Metric)
Release: 20.09.2024
Label: Paperfunk Recordings
Katalognummer: PPRFNKLP016
Wertung: 9/10
Various Artists – “Bryan Gee pres. 30 years of V”
Ein Kultlabel wurde 30! Seien wir ehrlich, wir sind doch immer wieder froh und dankbar über die Pioniere von damals, die immer noch am Start sind. Ich persönlich bin jedenfalls treuer Hörer des V Recordings-Podcasts und war deshalb immer auf nem guten Stand, was die herannahende Veröffentlichung dieser Jubiläums-Compilation betraf, auch wenn es mehrmaliges Delay gab. Auf so ein paar Tracks hab ich mich immens gefreut, denn man muss ja konstatieren, dass das Label nach wie vor sehr breit aufgestellt und insbesondere die Verbindung nach Südamerika immer noch äußerst intensiv ist. To let the cat out of the bag already: für mich ist es tatsächlich “Majesty” von Alibi, worauf ich mich am meisten gefreut habe. Ohne im Mixdown die ganz große Show abzuziehen und mit Loudness um sich zu werfen, ist das Ding dermaßen catchy, dass ich mir den perfekten Moment, um es zu droppen, noch immer aufgespart habe. Head nodding business, trust me! Weiterer Fav. ist ebenfalls von Alibi, in Kooperation mit Urbandawn, namens „Misfit“ – deutlich acid-esker und man hat das Gefühl, dass sich insbesondere Urbandawn zum Meister der schrägen Basslines aufschwingen könnte. Die Producer der übrigen 20 Tracks haben natürlich vergleichsweise Rang und Namen und sind teilweise schon über zig Jahre mit V Recordings verbunden. Dennoch (und das entnehme ich dem V-Podcast) ist man beim Label froh, dass man Ikonen wie Break für einen Track gewinnen oder so ein Projekt wie einen Remix für einen stone cold classic von DJ Krust („Not Necessarily A Man“) realisieren konnte – auch wenn letzterer von L-Side kommt, der auf dieser Compilation ganze fünfmal vertreten ist und sowieso derzeit alles richtig macht. In letzter Konsequenz unterstreicht es ja nur das feine Händchen des Labels, die Typen mit Legendenstatus und die ihnen nachfolgenden, vielleicht teils gar nacheifernden Talente auf einer Veröffentlichung bündeln zu können und es trotzdem wie aus einem Guss wirkt. Auf die nächsten 30! (Metric)
Release: 13.09.2024
Label: V Recordings
Katalognummer: PLV185DD
Wertung: 9/10
https://www.vrecordings.com/download/plv195dd
Laetho – „2DIE4“
Schon seit 2012 bastelt belgischer Beatbauer Matthieu Van Laethem, auch bekannt als Laetho, Tunes unter dem Leitmotiv „Fuck Genres“ zusammen. Von Dubstep zu Future Bass, von Trap zu Disco, von Asian Halftime zu Heartfelt Pop, hat Matt scheinbar echt jedes mögliche BPM abgegrast, und zusammen mit Kollege Tom Norton, als „Further“, gab’s dann sogar allerlei Pop und World Musik zu hören! Kein Wunder also, dass er bereits 2014 auf EDM dot com hochgelobt wurde. Ein weiteres Highlight: Das im Lockdown entstandene COBEAT-19 beat tape, in dem er jeden eingesendeten Sound, von Vocals zu Instrumenten bis hin zu komplett hirnrissigen Samples, zu brauchbaren Beats verwurschtelt hat. Bei so viel Spielerei und Mut zur musikalischen Diversität war es dann eigentlich auch nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Weg zum Drum and Bass findet, und vor ein paar Monaten war es dann soweit. In der Warteschlange des weiterhin exzellenten WeAreHumans Streams von Tom Finster und barking continues, lungerte der gute Matt mit einem ganzen Batzen Techy Bangern, die sich nur so gewaschen haben! Die treuesten meiner Hörer werden seine Tunes auch schon in meinen Mixes gehört haben, aber der erste, der dann auch wirklich released wurde, von seinem Iron Heart Flip mal abgesehen, kam erst letzten Monat: 2DIE4! Nach knackigem Intro geht’s auch gleich schon dran, mit massivsten Synth Wänden unser allerlei Gehör gehörig zu massieren, bevor uns die fetzigen Drums ebenfalls den Kampf ansagen – eine einfach wunderbare Kombo! Merkt euch den Namen, da kommt noch so einiges auf euch zu. (Lennart Hoffmann)
Release: 19.09.2024
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 9.5/10
Telm & Wilson – „Bad Boy / Transmission“
Nun zu zwei, die schon längst ein Shout-out verdient haben: Telm & Wilson! Die finnischen bösen Buben Arttu „Telm“ Tick und Ossi „Wilson OCD“ Wilson mögen zwar erst seit letztem Jahr ihre eigenen Kreationen mit uns teilen, die beiden langjährigen Freunde sind aber schon seit weitaus längerem ein integraler Bestandteil der weltweiten Szene. Nachdem Arttu Ossi von seiner Trance-Obsession abbringen und zu den Trommelbässen konvertieren konnte, haben die beiden zusammen den Mix Contest der Helsinki Jungle Mafia für sich entscheiden können, und da der der kurzerhand ausgedachte ver-und-ete Name gar nicht schlecht klang, hielten sie daran fest. Seither sind die beiden nicht nur regelmäßig auf allerlei riesigen Lineups im ganzen Land vertreten, sie organisieren auch selber massive Straßenfestivals mit 40k Besuchern (!), laden jede zweite Woche allerlei finnische Szenemitglieder zu sich in’s Studio für ihre montäglichen Twitchstreams und sind regelmäßig bei szeneweiten Events ganz vorne mit dabei. Aber auch online wird die Community gehörig aufgemischt, über die wöchentlich refreshedte H2L Playlist, die wunderbaren New Music Monday Posts auf Reddit (bei denen ich auch vertreten bin!) oder zeitweise sogar über Millstreet’s Last Week Liquid Podcast. Trotz all dieses energischen Einsatzes haben die beiden auch noch Zeit gefunden, selbst im Production Game mitzuspielen, und ab 2023 wurden wir dann regelmäßig mit allerlei Tunes befeuert, die so bristolianisch sind, dass es schon gruselig ist. Yamatai, Midnight Sun, Delta9 und Schwesterlabel DLT9 haben die beiden schon unsicher gemacht, und jetzt gesellt sich Midas Touch noch dazu! Auf zwei schnittigen Scheiben gibt’s der Finnen’s bisher geschmeidigste Banger zu hören – „Bad Boy“ überzeugt mit vollends bösartigen Bässen und wunderbar tanzbarer Drums, und „Transmission“ drückt einem freche Rhythmen rein, die man so nicht so schnell aus dem Kopf bekommt. Einfach fresh! (Lennart Hoffmann)
Release: 27.09.2024
Label: Midas Touch Recordings
Katalognummer: MDSTCH033
Wertung: 9/10
Loudek – „Time / Believe“
Die nächste Station auf unserer kleinen Europareise: Spanien! Dort legen sich nicht nur Artists wie Vizzen, MIDNIGHT CVLT, und Wiguez gehörig in’s Zeug in letzter Zeit, der gute Sergio Rodriguez Juarez, auch bekannt unter dem Namen Loudek, wirbelt seit Kurzem auch so einiges an Staub auf! Nicht nur betreibt der Gute schon seit 20+ Jahren (!) professionelles Plattendrehen, dank seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit Kung und Aeph während seines Aufenthalts in London hat er’s inzwischen auch produktionstechnisch drauf. Seit 2021 werden die digitalen Läden mit Bangern auf Formation, Overclockin, Ignescent, Impact und High Resistance bespielt, ein Tune krasser als der andere. Nehmen wir da zum Beispiel den Neuesten aus diesem letzten Monat, das jüngste Doppelpack auf Russland’s vielseitigstem Label, High Resistance: Während „Time“ mit seinem massiven, technisch versierten Hin-und-her-gefeuere schon mehrere Erdschichten aufreißt, führt uns „Believe“ runter in die tiefsten, jedoch auch melodischsten Ecken der Techykeit, die das Genre zu bieten hat. Einfach wunderbar! (Lennart Hoffmann)
Release: 04.10.2024
Label: High Resistance
Katalognummer: HIRE111
Wertung: 9/10
HIVEMINDZ – „Angels“
Zu guter Letzt, jumpen wir noch einmal zu einem Land, was wir hier so ziemlich nie besuchen: Dänemark! Dort haben nämlich Kasper „Kasger“ Nicolajsen und Marc „MELURAN“ Deleuran, seit Neuestem ihr Hardstyle-DnB-Hybrid Projekt HIVEMINDZ am Start, mit dem Ziel, den armen Trommelbass Ravern allerlei Piep- und Zaagkicks gehörig um die Ohren schmettern. Kasger kennt man vielleicht von seinen diversen Eskapaden auf NoCopyrightSounds oder High Tea, MELURAN machte ebenfalls mit so einigem Multigenre-Wahnsinn auf sich aufmerksam, und zusammen haben die beiden auch schon so einiges zu Tage gefördert, allem voran ihr wunderbares SUBHIVE Label, auf dem nicht nur die beiden, sondern auch Artists wie 10xx, Haszan & Overload oder Redemptive über die Jahre ein Zuhause gefunden haben. Ausgerechnet im gleichen Jahr, in dem ich mehr oder minder freiwillig zum Hardstyle-Mecca in den Niederlanden, der Defqon.1, geschleppt wurde, schlagen die beiden nun mit vollem Karacho in genau eben jene Schiene, nur eben mit einer gehörigen Portion Jump Up dazu. Ich war da aber bei langem nicht der Einzige, der das ganz fabelhaft fand – die guten Leute von In The Lab Recordings, letztes Jahr erst zu einem der besten Newcomer Label gekührt, sind auch direkt in die Direktnachrichten geschlittert und haben sich gleich mal einen ihrer Tunes gekrallt. Das Resultat: „Angels“! Diesmal gibt’s zwar keine allzu harte Kickgewalt, aber die beiden schaffen es trotzdem, mit einer weltklasse Kombination aus Instant-Ohrwurm Melodeien und wunderbar schäbigem, froschigen Jump Up, und einer fetzigen 4×4 Einlage in der zweiten Hälfte, für freudige Bassfaces auf meinem Gesicht zu sorgen. (Lennart Hoffmann)
Release: 27.09.2024
Label: In The Lab Recordings
Katalognummer: ITL041
Wertung: 9/10