Natus – „Homecoming LP“
Dass D&B nicht immer unbedingt für Draufhauen und Bambule stehen muss, sondern auch Dichtertum und Brillanz heißen kann, stellt der in London ansässige Violinen Virtuoso und Orchester Operator Andrew Sherwin, besser bekannt als Natus, wieder und wieder unter Beweis. Ob über seine illustre Diskographie auf Medschool, Glitch, Soulvent und Galacy hinweg, als Streicher für Makoto, Mitekiss und London Elektricity, oder als Tutor für die nächste Generation an Philharmoniefreaks, von Natus gibt es seit Jahren nur allerhöchste Qualität. Für sein Debütalbum „Homecoming“, herausgebracht auf holländischer Liquid-Maschinerie Fokuz Recordings, ist selbst „allerhöchste“ kein stark genuges Adjektiv. Exorbitant gut kommt so halbwegs nah dran. Jedes einzelne bisschen der runden Stunde, die sich wohlgemerkt nur aus 10 Tunes mit einer dementsprechenden durchschnittlichen Laufzeit von 6+ Minuten zusammensetzt, erwärmt das Herz, reinigt die Seele und führt einen auf eine Reise, die man so schnell nicht vergessen wird. Nehmt euch bitte die Zeit. Setzt euch an’s Fenster, kuschelt euch unter eure Lieblingsdecke, bereitet euch einen Tee vor, und drückt Play. Das beste Liquid-Erlebnis dieses Jahr. (Lennart Hoffmann)
Release: 01.11.2024
Label: Fokuz Recordings
Katalognummer: FOKUZLP035
Wertung: 10/10
Levia, Playful – „Game Changers EP“
Nach so viel Schönheit, gibt’s nun doch wieder auf’s Maul. Diesmal kommt das Geschreddere aus dem schwedischen Uppsala, von Leia Hedberg, aka Levia! Schon seit Teenagezeiten war Leia in allerlei Richtungen musikalisch aktiv, von ihrem ehemaligen House-Duo zu ihren Keytaraktivitäten in Kroppskontroll, aber zwischen all dem, und einer Unmenge an Team Fortress 2, hat die Gute auch noch Zeit für das Soloprojekt Levia gefunden. Naja, so hat es zumindest angefangen, doch das Alias für die experimentelleren Bassmusikalitäten entwickelte sich später dann doch zur Band. So läuft das im hohen Norden eben! Nach jahrelanger Zusammenarbeit mit ihrem Bandpartner, brach das Gespann letztes Jahr dann aber doch auseinander, und so wurde aus Levia doch wieder eine One-Woman-Show. Für diesen Neuanfang fusionierte sie dann alle vorherigen Erlebnisse zusammen und landete bei einer fetzigen Kombo aus Metal und DnB, à la Zardonic, die sie das letzte Jahr über auf High-Energy Originalen und Remixen für Lynx3r und Zak Meow, Girth Control (was für ein Name), Retrograth und Carl Gründot, zum Besten gegeben hat. Mit ihrem Bruder im Stile, Zardonic, hat sie sogar schon an einem gemeinsamen Remix gearbeitet! Nun hat sie sich holländischen Riesen (eine Tautologie) Remco Van der Have – in der Musikszene seit 2014 unter dem passenden Namen Playful unterwegs, Teil der International Afterparty Gang, regelmäßiger Teilnehmer allerlei Produktionchallenges auf Discord, und enthusiastischer Schreiber von Lyrics – geschnappt und kurzerhand den Viertracker „Game Changers“ zusammengebastelt. Ob mit den schmissigen Gitarren auf der toxischen Beziehungshymne „Make Pain A Habit“, der in-die-Fresse Energie und vor spaßigen Details nur so strotzenden Produktion auf „Another Dumb Way To Die“ mit Zak Meow, der eher melancholisch angehauchten Vocoderspielereien auf „Takes Too Long“, oder dem Konami Cheat Code Ohrwurm und Gaming Gassenhauer „Top Of The Game“, die Kombo aus Playful’s frecher Punkattitüde und Levia’s schmetternder Metalenergie macht einfach Laune. (Lennart Hoffmann)
Release: 25.10.2024
Label: Imagine Audio
Katalognummer: 00036
Wertung: 9/10
Ethera – „I’m Lost“
Es war ein normaler Samstag Abend im Gretchen, Berlin’s größtem Club mit DnB-Ambitionen. Während der Opening Act ganz coole deep and dark Vibes uns 20 Frühankommern um die Ohren wirbelt, kommt plötzlich eine mir noch unbekannte Person auf mich zu. Nach einer Erklärung woher man sich kennt und etwas Smalltalk, wird erwähnt, dass die Gruppe ja selbst auch aus aufstrebenden Produzenten bestehe, und alle so einiges in Arbeit haben. Spätestens an der Stelle war ich natürlich ganz Ohr. Beim Durchgucken des super netterweise zugeschickten Ordners fällt mir dann aber auch auf, dass mir der eine Name doch bekannt vorkommt – Ethera war doch schon mal irgendwo vertreten! Genauer gesagt bin ich schon schon seit seinem 2023 Debüttrack „Descent“ auf dem hauseigenen Label/Studio/Collective Exosphere, betrieben von und mit den oben genannten phasebound Jungs, in regelmäßigem Kontakt mit dem guten Johannes Weich. Aber nicht nur das Debüt hat maximalen Kontrast zu seinem Nachnamen geboten, Grobschnetzler „Sekhem“ auf Bananas Bass, Perkussionsfeuerwerk „Serpenance“, die bombassmatische Kochanleitung „Basmati Rice“ auf Bass Rabbit, und sein fetziger Entry für Neonlight’s Bullhead Remix Competition lassen auch weiterhin die Herzen aller Heavy Techy™️ Liebhaber höher schlagen. Inmitten alle dem, haben sich die britischen Bois rund um das preisgenominierte In The Lab Recordings einen ganz besonderen Tune vom guten Johannes geschnappt: „I’m Lost“! Nicht nur vibey Vocal-Action wird hier betrieben, es gibt auch allerlei farbenfroh-chaotisches Synthgeklingel, die Gehirnzellen verändernde Bässe, und schickes Gedrumme – kein Wunder also, dass selbst A.way den Tune hochgelobt hat! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.10.2024
Label: In The Lab Recordings
Katalognummer: ITL042
Wertung: 9/10
Spaces – „Poolside“
Zu guter Letzt: Spaces! Durch seine Aktivitäten als Moderator, regelmäßigem Chatter und Bespieler der Pizza Parties der Fox Stevenson’schen Discord Community oder als auf YouTube hilfreichen Rat Gebender ist der Amerikaner vielleicht schon einigen hier bekannt, aber ich finde über Tom kann man nicht oft genug reden! Früher hat er wohl viel mit House herumexperimentiert, aber als es dann Zeit für seine ersten Releases in 2022 wurde, hatten die Trommeln und Bässe überhand genommen. Wie schon bei Mister Foxenson, gibt es unter dem Spaces Banner seit dem allerersten Tune hochgradig euphorisch-schönes auf einem Niveau, was man unter Newcomern sonst schmerzlich vermisst. Dieses Talent wurde immer und immer weiter ausgebaut, und seit rund einem halben Jahr gibt es die exzellenten Tom Vibes auch in vom Liquid angehauchten „Moondust“, dem fast schon techy-igen „Monsoon“, und dem zurück-zu-den-wurzeligen House Banger „Bound“ – aber heute wollen wir den neuesten, „Poolside“, unter die Lupe nehmen! Nicht nur wurde von Tom wieder mal eine Melodie zusammengezaubert, die man so schnell nicht mehr aus dem im Grinsen kleben gebliebenen Kopf wieder herausbekommt, es gibt auch schlagfertige Drums, spaßige Rave Pianos, und einen zweiten Drop, der nicht nur den Sounddesign Drehknopf noch ein mal ganz weit aufdreht, sondern sogar auch noch Heavy Rock Gitarren auffährt. Ich lieb es so sehr! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.10.2024
Label: –
Katalognummer: –
Wertung: 9.5/10
Reaper – “Challenger LP”
”Eventually, everyone dances with the reaper” – ach, ich mag diese schnörkellosen, markanten Kurzbeschreibungen auf SC oder wherever. Mit dem Einstieg in diese LP wollte ich ursprünglich darauf hinweisen, dass jenes Format auf breiter Front zurück zu sein scheint, denn die Flut an Alben war in den letzten Wochen wahrlich unglaublich. Dass darunter ein paar latente Mogelpackungen sind, bei denen der Großteil des Inhalts schon vorher als Singles oder EPs released wurde, gehört indes zur Wahrheit dazu. Darüber kann aber hinweggesehen werden, wenn die Tunes fett sind! Reaper ist auch so ein Fall. Die meisten Songs des Albums waren mir bereits bekannt und doch habe ich bisschen einen Narren an so manchem US-Artist gefressen, da ich ja bereits an anderer Stelle schrieb, dass ihr Sound durch, ich nenne sie jetzt mal: „amerikanische Hörgewohnheiten“ eine eklatant andere Färbung erhält, als wir das von typischem UK oder Kontinental-DnB gewohnt sind. Dieser gewisse Indie / Alternative-Touch trifft bei mir jedenfalls nicht nur einen Nerv. Folgerichtig erschien die LP beim LA-Label Bassrush, welches nach wie vor Dubstep als anderen Schwerpunkt gesetzt hat. Das gibt es zwar auf dem Album nicht zu entdecken (tatsächlich alles im DnB-Tempo), dafür wiederum eine Menge Gastvokalisten, welche die großteils zu Uplifting tendierenden Reaper-Beats um ihre Skills zu bereichern versuchen. Ihr wisst ja, dass ich mit Vocals eher auf Kriegsfuß stehe und doch gibt es Abstufungen, proportional zu dem, was mein Nervenkostüm aushält oder bestenfalls als zueinander passend empfindet. Deshalb möchte ich an dieser Stelle insbesondere das stabby „Crossing Line“ (feat. Amagii) hervorheben, was mich in seinem Gestus irgendwie auch ein bisschen an The Prodigy erinnert (wenn das mal kein gutes Zeichen ist?!). Pure Abfahrt liefert auch „Blow The Roof“ (feat. Pirapus) und: Alter, das Vocal ist perfekt! Davon kann man nicht genug bekommen! Dritter Fav. ist „Rowdy“ (feat. Persona Non Grata) – ein gerüttet Maß neurofunkiger inkl. Gitarren und trotzdem immens Dancefloor-suitable! Was den Rest angeht: begebt euch doch einfach mal selbst in die Spur! Reapers Sound zwischen Uplifting und Neuro, gespickt mit allerhand Distortion und Vocals ist durchaus hörenswert! Und so ein bisschen Blick über den EU-Tellerrand kann keinesfalls schaden! At least, myself is dancing with the Reaper! (Metric)
Release: 18.10.2024
Label: Bassrush Records
Katalognummer: BR260
Wertung: 9/10