Various Artists – “Misofonic VA”
Das slowakische Label ZooBass ist mir in der Vergangenheit insbesondere als Gralshüter für die so ein bisschen in die Rambouge geratenen Subgenres Darkstep bzw. Hardstep aufgefallen. Man hat in den Bereichen etwas den Anschluss ans zeitgenössische Mixdown verloren und so gibt es echt wenige Veröffentlichungen, die derart knüppeln. Nach der „Tentacles VA“ in 2023 ist es nun also mal wieder Zeit für eine Werkschau, diesmal unter obigem Titel, der so viel wie Überempfindlichkeit auf bestimmte Geräusche mit mutmaßlich psychischen Ursachen bedeutet. Das passt. Stilistisch sind die elf Tracks vor allem sehr techy unterwegs. Die Ausdifferenzierung geschieht dann allerdings doch recht deutlich in salopp gesagt „normalen“ DnB und o.g. Nischen, welche sich auch noch Einflüsse von woanders holen, u.a. Hardcore (z.B. Defracture & Shenkster – Glory And Blood; Maza – Rivers Of Thoughts) und Metal (Syrinx – Death Row). Bei weiteren zwei Tracks ist eine eklatante Snare enthalten (5already – No One Will Be; Durability – Digitalis) – und das meine ich höchst positiv! Mindestens zweimal ist auch noch amtlicher Neuro dabei: Asana – Roller und Neiisha – Turn The Lights Out , zwei Artists, die man u.a. von DnB Doctor sowie Histeria kennt. Herausstechend ist für mich allerdings „Biolotter“ von my man Nichenka Zoryana – einem äußerst produktiven ukrainischen Produzenten, der hier nach meinem Dafürhalten den besten Track seines bisherigen Schaffens beisteuert. Warum finde ich das? Na klar, weil er mit seinem pitched Drumming und den Sägezahnbasslines nach sophisticated DnB á la Neksus klingt und sich nicht ein einziger Sound des Tracks hinter diesem Vergleich verstecken muss. Perfect work Vlad! Nun ist alles Wichtige zur VA gesagt, wäre da nicht das „Problem“ mit dem Mixdown. Das ist leider tatsächlich etwas volatil, so dass einige Tracks gegenüber anderen im Sound deutlich abfallen. Die Lauscher darauf zu trainieren, diese Unterschiede auszumachen, ist wiederum eine der Pflichtaufgaben von Konsumenten wie meiner Wenigkeit. Insofern bin ich manchmal ganz dankbar, wenn das Mixdown nicht komplett kongruent auf das gesamte Release durchgezogen wird. (Mtrc)
Release: 30.01.2025
Label: ZooBass Records
Katalognummer: ZBVA06
Wertung: 7/10
Crystal Clear – “Selector EP”
Dass Crystal Clear zurück ist, sollte inzwischen jeder mitbekommen haben. Nachdem er sich zwischendurch mit Musik fernab von DnB beschäftigte, ist er seit seiner Rückkehr in den Trommelbass richtig fleißig und veröffentlichte letztes Jahr mehrere EPs und eine Single für Sofa Sound. Der eigentliche Clou erfolgte jedoch Ende Januar mit hier vorliegender EP, denn laut V Podcast war bereits vor zwei Dekaden ein Track für V Recordings vorgesehen, der jedoch dann zu Playaz wanderte. CC wanderte auch, u.a. zu The Sauce Recordings, Low For Low Frequencies und ThirtyOne und nun schließt sich der Kreis mit der „Selector EP“ für V. Dabei sind die vier Tracks allesamt hochqualitative Kollaborationen. Aushängeschild ist der Opener „Selector“, auf welchem Label Head Honcho Bryan G höchstselbst eine schöne spoken Reminiszenz an frühere Zeiten bzw. Rollen in unser aller vertrauten Szene liefert. Gleichzeitig gibt der Track den Gestus der EP vor: das Ding ist der perfekte Roller und hat damit nicht mehr so viel mit dem ursprünglichen CC-Playaz-JumpUp-Sound gemeinsam. Und wenn man denkt, noch rollender ginge nicht, so sollte einen das folgende „Earthquake“ zusammen mit Amoss eines Besseren belehren. Neben den rolling Drums schaffen die Background-Soundscapes eine echt bedrohliche Atmo und greifen damit das Thema des Tracks perfekt auf. Mein Fav. der EP! Track 3 „Bones“ (zusammen mit Minor Forms) klingt stärker nach The Sauce oder Sofa Sound und mimt das Tool der Platte. Nummer 4 „Slow It Down“ (mit Kathryn Brenna) ist vom Klangbild ganz ähnlich wie „Selector“, wenn auch im Intro und Breakdown etwas vergnüglich-souliger, letztlich auch durch das Vocal, welches traditionell von mir nicht weiter besprochen wird. Da bin ich konsequent. Ansonsten Super-Release! (Mtrc)
Release: 31.01.2025
Label: V Recordings
Katalognummer: PLV211DD
Wertung: 8/10
Moonaddict – ”Cotton Candy”
Das tolle an der deutschen Szene ist, dass selbst in den Städten, in denen augenscheinlich weniger abgeht als in den ganz großen Genre Metropolen, so einiges an coolen Projekten zu finden ist. Beispiel gefällig? Wie wärs mit Moonaddict aus Hannover! Benjamin Schulz, des Mondsuchtler’s wahre Identität, ist nämlich einer dieser Artists, bei denen alle Projekte auflisten schon ein Buch füllen könnte. Der ursprüngliche MeckPommler hat nicht nur in allerlei Bands, von Metada zu MODESHA, sein Gesangs- und Trommel-Talent zum Besten geben können, er kann auch die HAIÓN und CLX Kollektive in seinem CV vermerken, und werkelt in der Elektronischer Dauerurlaub Crew, zusammen mit Annca und Lotschey, auch noch an der BASSERIE Eventreihe mit. Und wahrscheinlich noch viel mehr! Aber am wichtigsten ist uns hier natürlich sein DnB Werdegang. Ursprünglich über Schulkumpane Cuepric zum DnB gekommen, und ausgerüstet mit einem Studium in Pop Produktion in Osnabrück, ging’s dann 2017 offiziell mit Moonaddict los, aber die Releases trudelten dann erst so richtig ab 2021 ein. Auf Stornobeatz, auf dem er auch seine Shut The Door LP veröffentlichte, Neonlight’s Diascope, Dissonance, Grid und T3K hat er seit dem immer mal wieder unter Beweis gestellt, was für coole Ideen er aus seinem kreativen Kopf so herbeizaubern kann – und letzten Monat gab’s dann meine bisher liebsten auditiven Süßspeisen von ihm, im „Cotton Candy“ Doppelpack auf dem italienischen Delta9. Nicht nur der Titeltrack umgarnt den Ohrgaumen mit seinen blitzeblanken Vocalchops und würzigen Bassverzerrungen ganz vorzüglich, auch B-Seite „Shuffle the Deck“ macht einen mit seinen umherstreundernden Blieps, Blups, und sogar Blaps eine wahre Freude. Super cool! (Lennart Hoffmann)
Release: 10.01.2025
Label: Delta9 Recordings
Katalognummer: D9REC161
Wertung: 9/10
Maysev – ”Left”
Ich versuche jeden Monat auf’s Neue, immer frische, oder zumindest noch nicht hier gefeaturedte, Namen für dieses Format hier auszubuddeln – aber manchmal muss ich mich einfach wiederholen. Maysev, alter! Mit gerade mal Anfang/Mitte 20, hat der Regensburger bereits einen Berg wahrlich beeindruckender Musik fabriziert, von dem hier bereits breit getretenen „Just Friends“, zu seinen unfassbar guten EPs auf NËU und DIVIDID, seinem Debüt auf VISION, seinen Remixe für Tom Finster und Proxima, und seinen Kollaborationen mit Matens, Phace und Secula. Und dazu gab’s ja auch noch Sample Packs, Production/Feedback Streams und allerlei Anderes auf seinem Patreon! Zwar wurde es im letzten Jahr doch durchaus etwas ruhiger um Herrn Lipka, vor ein paar Monaten versicherte uns nun aber: die Zeit wurde genutzt. Ob nun im Alleingang oder in Zusammenarbeit mit ABIS, Matens, MISSIN, und The Caracal Project, alle IDs klangen einfach vorzüglich. Vor allem die eine da, mit dem Gitarren-Riff, das direkt von Bloc Party kommen könnte. Passt sich also, dass die Comeback Single „Left“ direkt genau dieser Tune ist! Das Ganze wird am Ende Teil einer kompletten EP auf keinem Geringeren als UKF’s Geschwisterlabel Pilot Records, aber das hier ist zu gut, um bis dahin zu warten. Nachdem wir vom kurzen, aber dennoch überwältigend strahlend-schimmernden Gitarrenintro endgültig aufgeweckt wurden, haut Alex einfach mal SO stylisch in die Saiten, dass man fast vergisst, dass wir ja hier Drum and Bass hören. Erst als dann nur noch das ikonische Riff nachhallt, baut’s sich langsam in’s Elektronischere auf, bis wir dann mit einem Groove aus massivst gewichtigem Bass, extremst präzisen Drums und einer wahren Sounddesign Masterclass nicht nur Links, sondern auch Rechts, Oben, Unten und in der Mitte eine verpasst bekommen. Ich liebe es so sehr. (Lennart Hoffmann)
Release: 11.02.2025
Label: Pilot Records
Katalognummer: PILOTEP021A
Wertung: 10/10
MIYAMORO – „Circles / Save Me (feat. Laetho)“
Alicia Ann Mills, vielleicht besser bekannt als MIYAMORO, hat schon wieder so viel, wohl gemerkt extremst verdienten, Support um sich, dass es sich schon falsch anfühlt, sie noch als Newcomerin zu betiteln. Ihre komplette Diskographie erstreckt sich zwar theoretisch schon bis 2018, aber der Hype um die Bristolianerin, die sich wohl heutzutage in der Manchester Gegend aufhält, ging eigentlich erst in den letzten paar Jahren so richtig los. Erst wurde das Concrete Jungyals Crewmitglied 2022 in das Womxn Mentoring Programm von Overview und Dynamics aufgenommen und gefördert, dann kam 2023 auch schon die explizite Krönung als „One To Watch“ aus Richtung Camo & Krooked, und 2024 war’s dann soweit – das Debütrelease auf DIVIDID! Nach dem dieser Doppelschlag bereits wie eine Bombe eingeschlagen ist, und sie nun frisch im Hospital Records‘ „New Artist Development“ akzeptiert wurde, gibt’s jetzt den doppelten Nachschlag, und, Überraschung, es ist wieder einmal grandios! Solonummer „Circles“ zaubert bereits ein allerherrlichstes Bild aus märchenhaften Melodeien auf einem reißenden Trommelfluss in unser kollektives Ohr, aber mir persönlich hat’s vor allem die B-Seite „Save Me“ angetan. Zusammen mit belgischem Talent und WeAreHumans Streamentdeckung Matthieu Van Laethem, dessen Laetho Projekt sich erst durch allerlei andere Genres geschlingelt hat, bevor er seit letztem Jahr dann einen technisch versierten DnB Banger nach dem anderen abgefeuert hat, wird hier ein wahres Feuerwerk an einzigartig emotionalen Synths, erdbebenartigen Bässen und präzise positionierten, schnittigen Drums präsentiert, das ich einfach nicht mehr aus dem Kopf bekomme. (Lennart Hoffmann)
Release: 31.01.2025
Label: DIVIDID
Katalognummer: DIVIDID046
Wertung: 9/10
Closure – ”Stay A While EP”
Zuletzt noch mal was schönes: Neues von KALOA! Naja, nicht ganz. Mysteriöser Norwege Closure ist immerhin nur ein Teil des noch viel mysteriöseren Ekho-esquen Kollektivs. Aber glaubt mir, Vibes gibt’s hier trotzdem en masse. Aus Oslo heraus, mit gelegentlichen, nicht weiter in der Bio beschriebenen Verbindungen zum guten alten Großbritannien, arbeitet der Mann hinter den Closure Szenen nicht nur als C# Entwickler, an seinem hauseigenen Musik-Spieler, und als Produzent und Mastering Ingenieur für Integral Records, Duckland, und Militant Music, seit 2021 gibt’s unter dem Closure Alias auch Wunderbares in Liquidform zu bestaunen. Nach dem offiziellen Kickoff mit einem Rework von Jorja Smith’s „The One“, gab’s natürlich erst mal jede Menge KALOA Kontent, den ich hier wirklich nur jedem an’s Herz legen kann, aber für heute relevant wurd’s dann erst wieder letztes Jahr, mit seinem Closure Edit von Adam Ulanicki’s „Some Say“. Zum Ende des Jahres auf seinem Bandcamp, und seit Ende Januar dann nun endlich auch auf den Streaminggiganten, lieferte der Norweger dann endlich seine ersten vollends eigenen Kreationen: die „Stay A While“ EP! Ob nun die zutiefst wundervollen Piano-Einlagen und grandios emotionalen Vocal-samples des Titeltracks, das stetig wandelnde Gespann aus melodiösen Einzigartigkeiten und sanftem Gesang auf „Want To Love“, die minimalistisch-souligen Vibes und akustisch-angehauchte Perkussion, welche sich auf „Untitled Soul“ wiederfinden, oder die träumerische Kombination aus Synthrhythmiken und Bumm-Klatsch Trommelagen von Finale „Missing Clarity“, hier gibt’s einiges zu genießen. Einfach wunderbar! (Lennart Hoffmann)
Release: 31.01.2025
Label: –
Katalognummer: –
Wertung: 9/10