LOSS – ”SORRY FOR YOUR LOSS EP”
Da hat mir der Urlaub doch glatt den Strich durch die reguläre Reviewrechnung gemacht – aber keine Sorge, jetzt geht’s wieder wie gewohnt weiter! Und zwar starten wir direkt wieder mit unseren benachbarten Holländrum&bassianern, genauer gesagt mit dem neuesten Projekt von Gijs van Lieshout. Seit 2016 treibt das junge Talent erst im EDM Dschungel, und in den letzten paar Jahren dann auch im DnB sein Unwesen. Ob nun auf Liquicity’s Ridmic, T&Sugah’s High Tea, oder auf NoCopyrightSounds, ob nun solo, mit Rob Gasser zusammen, oder im Remix für Flux Pavilion auf Circus, der ArtEz Conservatory Absolvent hat immer mit fantastischen melodischen Kompositionen überzeugt. Inspiriert von Simula, skantia und vielerlei anderen Froschliebhabern, hat er nun aber ein brandneues Projekt in’s Leben gerufen: LOSS! Auf dem Bass-fokussierten Unterlabel der Multigenre Plattform YosH gab’s letzten Monat dann auch gleich die volle Breitseite, auf seiner Debüt EP, SORRY FOR YOUR LOSS. Auf der Anzahl vierer klirrend kalter, teuflisch tanzbarer und garantiert gesichtsentgleißender Kampfschreie der allergrünsten Sumpf- oder Weltraumbewohner, zaubert Gijs jedes Mal auf’s Neue perfekte Grundgerüste für sein Ensemble an Mikrofonveteranen, Wolf Pax, Fred Maybe und Chase, die allesamt das auditorische Bild perfekt abrunden. Fett! (Lennart Hoffmann)
Release: 24.04.25
Label: YosH Bass
Katalognummer: YB128
Wertung: 9/10
Xav James – ”Hold Me”
Von Holland springen wir nun zu Xavier Holland! Entgegen des für mich als Schreiber doch sehr praktischen Namens, geht’s hier allerdings ein mal um den halben Globus, rüber nach Neuseeland – Christchurch, um genau zu sein. Unter seinem Xav James Pseudonym, gab’s seit 2022 bereits Dancefloor und Tech House Mixspielereien, aber es sollte nicht beim Verwurschteln anderer Tunes bleiben, er wollte auch selber mal was zusammenkochen. Apropos: Vor ein paar Monaten scrollte ich so durch meinen Instafeed, und stolperte auf einen Post vom aufstrebenden ozeanischen Label Let Them Cook, dessen Mutterfirma Audiology Touring (nebst Tenfold Music) den guten alten Friction zu sich in die Sauna eingeladen haben, um „Hot or Not“ mit Dubs zu spielen. Natürlich waren es dann schlussendlich hauptsächlich Hot-te Tunes, aber bei einem davon wurde ein Autor genannt, den ich noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Korrekt, der gute Xavier war’s! Nun, rund ein halbes Jahr später, hat er’s dann auch unter dem Namen „Hold Me“ in die hiesigen Streamingstores gehievt bekommen, und wie Friction schon sinngemäß feststellte, it’s a Banger! Bekannte aber trotz oder gerade deswegen direkt in’s Ohr gehende Vocals, die klassische wild rumzuppelnde Bassline, vermischt mit wunderbaren Pianos und einer Synth Hook die sich ebenfalls direkt in’s Oberstübchen einnistet – und dann auch noch for free. Noice! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.04.25
Label: Selfreleased
Katalognummer: –
Wertung: 8.5/10
Sano – ”Elevate”
Für das große Finale unserer Holland Trilogie springen wir dann aber doch wieder in’s heimische Europa, zum gerade erst älter gewordenen – je nach dem wann ich das hier alles fertig kriege – Jonas van der Plas. Seit 2020 gab’s vom trotzdem noch jungen Niederländer unter dem Namen Sano bereits so einiges an Sounddesigntricksereien zu hören, aber anders als viele seiner Kollegen hatte er sich relativ schnell das Gehör der Szene erarbeitet. Klar, erstmal gab’s Free Downloads, und ersten Output auf Digital Terror und, in Anbetracht jüngster Ereignisse etwas bedauerlichweise, Grid Recordings, aber selbst mit denen schlug er schon Wellen, und konnte so nur ein Jahr nach Beginn bereits Support von Mollie Collins und sogar Vision Radio einheimsen! So ging es dann auch wunderbarst, aber meiner Meinung weiterhin viel zu viel zu underrated, weiter, mit allerlei selbst rausgebrachten Solomeisterwerken, frivolen Features mit El Pablo, Nebulate und Tremmor, und dezent dance-baren DJ Sets bei State Of Unrest und Impulse, aber selbst das ist noch nicht ganz alles. Unter ReSize Graphics zaubert er nebenher noch Grafiken zusammen, und auf dem zweiten SoundCloud Account schleudert er auch Chillout, House und noch viel mehr heraus, und wahrscheinlich gibt’s da auch noch mehr irgendwo. Der Tune, den wir uns heute hier angucken, kommt aber wieder auf dem Erstaccount Sano, und dient quasi als Phönix-aus-der-Asche Moment für ein Label, was endlich aus seiner Ruhepause zurückgekehrt ist: In The Lab Recordings! Mit seinem grandios aufgezogenen, Streicher-unterlegten, stimmungsvollem Vocalintro hatte Elevate mich bereits von der ersten Sekunde am Haken, aber als dann auch noch die alles überwältigenden Basswalzen auf meine Ohren losgelassen wurden, war ich komplett hyped – was für ein absoluter Banger! (Lennart Hoffmann)
Release: 18.04.25
Label: In The Lab Recordings
Katalognummer: ITL044
Wertung: 9.5/10
Hemilotl – ”Hopes Deleted”
Nach so viel Hollandianern, lasst uns doch endlich mal wieder über ein deutsches Talent reden. Dafür hab ich mir diesmal Leipziger Bastian Hemmann rausgepickt. Als fester Bestandteil der legendären 2 Guys 1 Dub Gäng, tritt Basti inzwischen regelmäßig in Leipzig und Umgebung auf, aber bevor wir dazu kommen, müssen wir ein paar Jährchen zurückspringen. Um 2021 rum begann Basti nämlich seine ersten eigenen Kreationen auf Onlineplattformen zu verbreiten, aber nicht unter dem Namen, den ihr da oben seht, sondern als DeltaNovemberBravo – DnB im ICAO Alphabet. Neben ein paar Remixprojekten gab’s unter dem Namen vor allem die 360 Fekktopus LP, aber 2022, das heißt nur ein Jahr nach dem ersten bisschen Output, wurde auch schon umgeschwenkt, auf Hemilotl. Mit einer noch ein mal erheblich größeren Prise Ironie und Verspieltheit, wird da auf Tracks wie Chonky, Shitty Memes und Return To Monke oftmals schroff-spaßig, aber auch immer mal wieder wunderbar-schön herumgeklimpert. Das Ganze läuft meist solo und selbst released ab, aber ab und an gab’s dann auch mal ein Feature mit Mit-Leipziger CPTR, und mit S.O.S ist das (hauptsächlich) Drum & Bass Axolotl auch auf Grand Theft Audio gelandet. Mit dem diesmal widerum selbst rausgebrachten „Hopes Deleted“ zaubert Bastian da nicht nur allerlei Sounddesign Ohrenschmäuse herbei, er pfeffert uns auch stabile Snares, gottlose Growlbässe und rhythmisches Vocalgechoppe um die Ohren. Guter Stuff! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.04.25
Label: Sneaky Audio
Katalognummer: –
Wertung: 8.5/10
Feed The Fire – ”Turn Up”
Bleiben wir doch gleich mal im Deutscheland, und richten endlich mal den Reviewscheinwerfer auf Hamburg’s produktivsten Produzenten, Feed The Fire! Phillip Burian, besagter Produktivitätsexperte, hatte sich ursprünglich über Videospiele und eine vom Vater überreichte CD von LTJ Bukem’s Logical Progression in den DnB reingefuchst, aber ihn trieb es trotzdem erstmal in diverse Bands und in die Roadierolle, nebst vieler anderer Projekte. 2018 hatten er und sein guter Kumpel Vadim dann die Idee, doch endlich mal die DnB Szene anzugehen, aber es dauerte dann doch bis zum Lockdown in 2020, bis die beiden genug Zeit dafür hatten, es wirklich mal zu wagen. Frei nach Pendulum benannt, sind die beiden auf Digital Assassins und, zusammen mit Bomsh, auf Drum Army durchgestartet, aber so richtig durch die Decke ging’s dann erst ab 2023. An dem Punkt bereits solo unterwegs, gab es Phillip’s inzwischen wesentlich Dancefloor-igeren Output auf Riot, Viper, Make Your Era, Manifest, High Tea und auf dem selbst bereitgestellten Label zu bestaunen, und dieses Jahr wurde die Liste dann noch um Liquicity’s Ridmic, ShockOne’s Dark Machine Records und nun eben auch noch Wobbles & Waffles erweitert. Zwar gab’s in dieser illustren Drum&Bassographie schon so einiges an Bangern aus dem Hause Fire, aber der neueste, „Turn Up“, trifft so perfekt in den Zeitgeist und überschneidet sich so perfekt mit meinem eigenen Geschmack, dass der hier einfach gefeatured gehört. Die epischen Ohrwurmtrompeten, das Hin und Her zwischen dem Kreischend-explosiven und dem Froschig-abgehackten, das kurz-knackige tituläre Sample, die tanzbaren Drums, die Chants – es passt einfach alles! (Lennart Hoffmann)
Release: 09.05.25
Label: Wobbles & Waffles
Katalognummer: WNW010
Wertung: 9.5/10
ODATI – ”JAVELINS”
Und zu guter Letzt noch mal ein Fund aus der Kategorie Random Spotify Algorithmus Vorschlag™️: ODATI! Ursprünglich aus Russland heraus, und wenn ich seiner SoundCloud Account Info glauben darf heutzutage in London residierend, verfrachtet Maxim „ODATI“ Zolotarev, zumindest mit diesem Projekt, seit 2023 seine Musik in die digitalen Streamingregale, wobei die ersten EPs mit Linda Owen im Sound noch sehr weit gestreut waren. Klar, es gibt heute auch noch immer allerlei Genreexperimentierung, langsam aber sicher wird hier aber auch auf die Drums, und eben auch die Basses gesetzt. Führt euch da zum Beispiel einfach mal den Neuesten, JAVELINS, zu Gemüte. Simples aber genau die richtige Menge an Ohrwurmfaktor verleihendes Vocal, die Ohren massierende, bis zur Perfektion verzerrte, jedoch immer noch melodiöse Basslines, feinst geschliffene Drums aus dem Extended Techy Universum, eine alles umschlingende melancholische Atmosphäre, ein zweiter Drop der noch mal ’ne Schippe oben drauft legt – einfach genial. (Lennart Hoffmann)
Release: 02.05.25
Label: Cresta La Cultura
Katalognummer: 199350439315
Wertung: 9/10
Various Artists – “3 Year VA”
Wie heißt das Label? Dream Dance UK? Aber Spaß beiseite. Das Londoner Imprint feiert sein dreijähriges Bestehen mit einer VA, auf der man beinahe ausschließlich auf Entdeckertour geht. Schließlich sind die Artists, die hierauf versammelt sind, mal abgesehen von Dunk, allesamt im besten Sinne ungeschliffene Diamanten. DJ Zent z.B. ist ganze fünfmal vertreten und da hat es mir insbesondere „Now Or Never“ (feat. MC Frost) im zweiten Hinhören, zugegeben ob der bösen Zusatz-Frog-Bassline, angetan.
Replete ist ein anderer Kandidat. Hier möchte ich zuvörderst den Titel „Stimulating“ hervorheben. Eine im ersten Part filtered-four-to-the-floor-Nummer, getragen von Staccato-Bass, Claps und entrückten Vocals. Gerade mal eine Minute ist noch auf der Uhr für den zweiten Drop und da haben wir ihn wieder, meinen favorisierten Neksus/NËU/Dividid – setzen Sie hier ihr sophisticated Label ihrer Wahl ein – Sound. Ein ganz heißer Newcomer, da bin ich mir sicher!
Ich möchte da nicht drauf herumreiten, jedoch verheißt der „Dreambass“-Name mithin einen ganz anderen Sound, als jenen, der nun auf diesem Sampler enthalten ist. Denn der ist über weite Strecken des Releases schwer techsteppiger Natur, geradezu dark und industriell angehaucht. Mit (setze hier ein Adjektiv deiner Wahl ein) Träumen hat das eher wenig zu tun. Ich werd’s austesten, wie ich danach schlafen kann, wenn ich demnächst auf nem Event meine Favs dieser Compilation gedroppt habe! (Mtrc)
Release: 25.04.2025
Label: Dreambassuk Records
Katalognummer: DR030
Wertung: 8/10
https://dreambassukrecords.bandcamp.com/album/3-year-va
Acid Purrr – “Red Ice EP”
Ein Artist mit “Acid” im Namen?! Moment, da war doch was. Abgesehen von Germany’s Finest Acid Lab, kam mir noch ein Alias von Limewax in den Sinn. Und irgendwie erwartet man dann auch einen ganz anderen Sound, als jenen, der auf dieser EP präsentiert wird. Die beiden spanischen Gebrüder sind angeblich schon seit zwölf Jahren aktiv, dafür kam allerdings bislang erstaunlich wenig bei rum. Abgesehen von bisschen was auf C4C ist das hier die erste umfangreichere EP mit stringent-homogenem DnB. Dabei sind die fünf Rollers geradezu distinguiert unaufdringlichen Charakters. Los geht’s mit „Glacial Signal“ – einer klaustrophobischen Schwitzkastennummer, die mich an die Chernobyl-Serie erinnerte. Es folgt der Titeltrack „Red Ice“, welcher klanglich direkt eine ähnliche Drohkulisse aufbaut.
Durch die aufpoppenden Zwischensounds mutet das vom Gefühl her wie Bewegung im Warehouse an. Dies ist Gabelstapler- bzw. Fahrstuhlmusik mal in anders. Titel Nummer 3 „T.I.U.“ ist eher der klassische Bristol-Roller mit Sägezahnbassline, wobei ich jetzt nicht rausbekommen habe, wofür die Abkürzung steht. Deshalb weiter zum meinem Fav. der EP: „Jazz Dance“ – so wenig originell im Namen, so cool ist die Synthese zwischen Saxophon und Bristol-Beat geworden. Eine Fusion, die man in dieser Form fast nur im Liquid-Bereich bekommt. „Echo Level“ macht den Abschluss, bei dem nach wunderbar blubberndem Intro ein Beat einsetzt, dessen Drums durch die starke Basslast an die Arbeiten von Nemy erinnern. Eine EP, die kalt, entrückt und düster wirkt und gleichzeitig gut verträglich, anmutig und betörend ist. Hat man auch nicht aller Tage. Well done! (Mtrc)
Release: 14.03.2025
Label: Data Music
Katalognummer: DATA029
Wertung: 9/10
Various Artists – “Revelations 02 VA”
Die Recherche zu dieser VÖ wirft zunächst einige Fragen auf: wieso betreibt ein kanadischer Artist (Murcor) ein Label in China? Und was hat das mit der Stadt Changsha zu tun, die schlappe 10 Mio Einwohner hat? Nun gut, statistisch gesehen sollte es da zumindest einige geben, die auf DnB stehen. Doch sind die auch auf der Compilation zu finden? Fehlanzeige. Stattdessen sind einige Altbekannte dabei, die dann auch wie gewohnt abliefern. Allen voran Creatures, der uns hier gleich mit dem Opener bedient. „Valentines Disco“ hat so eine grandios böse Bassline, man muss es einfach lieben. Wenn man den Track seziert, muss man allerdings feststellen, dass er nicht wie üblich, nach 16 Bars von der niedrigen zur höheren Oktave switcht, sondern genau umgekehrt. Vermutlich, um bei einem etwaigen Double Drop die tiefe Variante alleinstehend zu haben. Anyway, ich hab mir das editiert. Doch egal, welche Tonhöhe, diese Bassline macht selig! Weiteres schnittiges Rollers-Material kommt hier u.a. von Morbz („Oscen“), Nichenka Zoryana („Injenering“) sowie dem Labelboss himself alongside MC Sas („Ends“). Wer’s etwas minimaler, trippiger mag, der wird mit Dickeys „Portal“ und „Keep Going“ von Yatuza & Dizrupt gut bedient. Unterm Strich sogar mit „Pomme“ von Purrppl, wenngleich das durch die Rave-Blasts etwas närrisch wirkt. Die anderen Tracks sind wesentlich verbreakter und da bin ich dann doch eher raus. Dennoch richtig achtbare Compilation! (Mtrc)
Release: 21.03.2025
Label: MO7 Recordings
Katalognummer: MO7RV02
Wertung: 8/10