Noch ein Nachschlag an King-Fans. Das Gedicht , das ihn zum Dunklen Turm getrieben hat
ROBERT BROWNING (1812-1889)
Übersetzung Edmund Ruete (1894)
"Herr Roland kam zum finstern Turm."
König Lear III 4.
Zuerst durchfuhr michŽs: Lug ist, was er spricht,
Der weißgeharrte Krüppel, dessen Blicke
Voll Bosheit schielen, ob die Lüge glücke;
Wie zuckt der falsche Mund, als trügŽ erŽs nicht
Den Hohn zu hehlen, der verdammte Wicht,
Ob diesem neuen Opfer seiner Tücke !
Wozu stand er mit seinem Stab sonst da,
Als daß er allen Wandrern Schlingen lege,
Die gläubig ihm befragt um PfadŽund Stege ?
Sein schädelgleiches Lachen hörtŽ ich, sah
Im Geist die Krücke meine Grabschrift, ha !
Kritzeln, zum Zeitvertreib, im staubŽgen Wege,
Wenn ich nach seinem Wort mich seitwärts wandte
Zu dem verrufŽnen Ort, des Wüstenei
Den finstern Turm umschloß. Doch sonder Scheu
Ritt ich, wohin er wies, und in mir brannte
Nicht Stolz noch Hoffnung, da er mich entsandte,
Zur Freude, daß ein Ziel mir nahe sei.
Zog ich durch Jahre doch die Welt entlang
Und hatte nie, was ich gesucht, gefunden.
Mein Hoffen war zum Schatten hingeschwunden,
Dem lauter Siegesjubel fremd entklang:
So duldetŽ ichŽs, daß Lust mein Herz durchdrang,
Als ihm am Ziel sich zeigten Tod und Wunden.
Wie wenn ein Kranker an dem letzten Tag
Lebwohl den Freunden sagt mit Mund und Händen
Und tot erscheint und fühlt, die Thränen enden,
Und hört, wie einer allŽ aus dem Gemach
Hinausweist, frei zu atmen, da den Schlag,
Der niederfiel, kein Jammer mehr kann wenden.
Und man berät schon, ob bei seinen Ahnen
Noch Raum für ihn sei, wann dem toten Leibe
Bestattung werdŽ, und ob manŽs rasch betreibe;
Von Kränzen spricht man, Schleifen, Trauerfahnen -
Und er vernimmtŽs und fleht, daß er die Bahnen
Solch zarter LiebŽ nicht kreuzŽ - und leben bleibe.
So war auf dieser Leidensfahrt so lange
Ich umhergeirrt, so oft schon war Mißlingen
Mir prophezeit gleich allen, die zu dringen
Zum finstern Turm verflucht in heißem Drange,
Daß fest ins AugŽ ich sah dem Untergange,
KonntŽ ich den Tod der Helden nur erringen.
Still wie Verzweiflung schaut ich nicht zurück,
Zum Pfad einlenkend, nach des Zwergs Grimasse.
Schon neigte sich der Tag, der trübe, blasse,
Dem Ende zu, doch kündend Mißgeschick,
Schoß er noch einen grimmen roten Blick
Zum Blachfeld, ob es fest sein Opfer fasse.
Doch als mein Roß ein=, zweimal ausgeschritten
Und ich mein Heil dem Blachfeld sah verpfändet,
Da habŽ ich einmal noch den Blick gewendet
Zur sichern Straße, drauf ich hergeritten:
Ich fand sie nicht. In grauer Ebne Mitten
hielt ich, und jedes Zaudern war verschwendet:
Ich mußte vorwärts. Nie noch sah mein AugŽ
So ärmlich, sonder Adel die Natur:
Nicht Baum noch Blume sog hier Nahrung, nur
Trespen und Wolfsmilch und gemeiner Lauch,
fortwuchernd rings nach niedern Unkrauts Brauch ;
Die Klette wäre KönŽgin solcher Flur.
Hob sich ein Distelstengel aus den ReihŽn
Der Brüder war der Kopf ihm abgerissen:
Des Ampfers rauhe Blätter schau ! zerschlissen,
Durchlöchert, daß der letzte grüne Schein
Verschwunden war. Drang wohl ein Tier hier ein,
Das fühllos sei und zersplissen ?
Spärlich das Gras, wie Aussatzkranker Haar ;
Im Kote, der mit Blut verknetet schien,
Stak hier und da ein kläglich Hälmchen drin.
Ein blindes Pferd, des Glieder steif und starr,
Stand staunend, wieŽs hierher verschlagen war:
Alt und verbraucht hieß es der Teufel ziehn.
Ob es noch lebt ? Es stand vielleicht seit Stunden,
Den roten hagern Hals weit vorgereckt,
Von rostŽger Mähne dicht das AugŽ verdeckt ;
War je solch GrauŽn mit solchem Leid verbunden ?
So tiefen Abscheu hattŽ ich nie empfunden:
Es war verdammt, sonst hättŽ es Weh geweckt !
Ich schloß die Augen, kehrend sie nach innen.
Wie Wein der Krieger fordert vor dem Streiten,
Rief ich nach einem Trunke frohŽrer Zeiten,
Daß Kraft mir sei zu kühnlichem Beginnen.
Dem Kämpfer ziemtŽs, bevor er ficht, zu sinnen:
Ein Schmack des alten Glücks hilft fürder schreiten.
Jung Cuthberts blühend Antlitz rief ich wach,
Um das die goldnen Locken fröhlich wallten ;
Mir warŽs, als legtŽ er, um mich festzuhalten,
Zärtlich den Arm in meinen, wie er pflag,
Der liebe Bursch.. Ach, e i n e Nacht der Schmach !..
Die Glut erlosch, mein Herz fühltŽ ich erkalten.
Der Ehre Seele, Julius, sah ich dann,
So frank, wie da man ihn zum Ritter schlug.
Was Helden wagten, wagtŽer, kühn wie klug...
Ein Wandel ! Pfui ! Der Henker hängt den Bann
Ihm vor die Brust. Die Mannen speiŽn ihn an,
Und den Verräter trifft des Volkes Fluch !
Besser dies heut als solch vergangner Graus.
Zurück zum Pfad, den schon die Nacht umgraute !
Nichts regte sich, soweit das Auge schaute.
Traut auch der Schuhu nicht, die Fledermaus
Sich her ? Da - aus dem Sinnen riß heraus
Ein Etwas mich mit unheimlichen Laute.
Ein kleiner Fluß durchkreuzte jäh den Pfad,
Wie eine Schlange plötzlich dich umzischt ;
Kein Bach, der träumŽrisch sich der Dämmrung mischt:
Er schoß dahin, dem glühŽnden Huf ein Bad
Des höllischen Feinds, der flockenschäumŽge Gischt
Des schwarzen Strudels raste früh und spat.
So klein, und doch so giftig ! Rings am Rande
Knieten verhärmte Erlen im Verscheiden,
Kopfüber stürzten sich zerzauste Weiden
Verzweifend in die Flut vom sichern Lande,
Doch er, der sie versenkt in Weh und Schande,
Stürmte vorbei, nicht achtend ihrer Leiden.
Wie ich hindurchritt, wähntŽ ich immerdar
Auf eines Toten weiche Wang zu treten.
Ich stieß den Speer zum Grund in brünstŽgem Beten
Und traf, so schienŽs, der Leiche Bart und Haar...
Vielleicht, daß es nur eine Ratte war,
Doch klangŽs, als schrie ein Kind in Todesnöten.
AufatmetŽ ich, wie ich das Ufer fühlte -
Ein besser Land ! Vergebliches Verlangen !
Wer waren sie, die hier so wild einst rangen,
Daß ihr Gestampf den feuchten Grund zerwühlte
Zum Sumpf, da ihre Wut schier nie verkühlte,
Wie wilder Katzen hinter glühŽnden Stangen ?
Wo blieb das Ziel ? Ob ich es nimmer ?
Nichts in der Ferne als die fahle Nacht !
Nichts, was den Pfad mir wies ! Wie ich so dachtŽ,
Da traf ein riesŽger Vogel, ausgespannt
Die schwarzen, drachengleichen Schwingen, sacht
Mein Haupt. War der zum Führer mir gesandt ?
Ich schautŽ empor. Da war mit einem Male
Kein Fleckchen mehr der Ebne zu erblicken,
Nur Berge rings, darf dieser Name schmücken
häßliche HöhŽn und Haufen, grau und kahl -
Wie kam ich nur hinein in dieses Thal ?
Wie sollte mirŽs, ihm zu entrinnen, glücken ?
Doch meintŽ ich fast, ich wärŽ einmal vor Zeiten
Auf solchem Unheilspfade schon gegangen,
Vielleicht im Traume. Dicht und dichter drangen
Die Hügel her. Hier gabŽs kein Vorwärtsschreiten!
Da rasselt was, als hörtŽ ich niedergleiten
Ein Fallenthor. Bei Gott, ich war gefangen!
Und glühend kam es über mich im Nu:
Dies war der Ort ! Zur Rechten dort zwei HöhŽn,
Geduckt wie Stiere, die den Feind erspähn -
Ein öder Berg zur Linken: Schläfer du!
Du stehst am Ziel und träumst in träger RuhŽ,
Und gabst ein Leben doch, um dies zu sehn!
Was lag inmitten als der Turm der Schrecken?
Blind wie ein Narrenherz, rund, unzerspellt,
Aus braunen Quadern, einzig auf der Welt...
So zeigt der Sturmes Elf im Meeresbecken
Das Riff dem Schiffer, höhnend ihn zu necken,
Just da ihm krachend Bug und Kiel zerschellt.
KonntŽ ich nicht sehn ? O ja ! Schier wolltŽ es tagen
Zum zweiten Mal: aus Wolken brach heraus
Der Sonne letzter Strahl, zu schauŽn den Graus.
Die HöhŽn, wie Riesen auf em Anstand lagen,
Haupt in die Hand gestützt, das Wild zu jagen:
" Stoßt zu und macht dem Tierlein den Garaus"
Nicht hören ? O, laut klang mirŽs in den Ohren
Wie Glockenschall. Die Namen all der Scharen
Vernahm ich, die vor mir des Weges gefahren,
Wie jener kühn war, dieser auserkoren
Vom Glück, und der vom ruhm - hin und verloren
Die Helden alle weh ! seit langen Jahren !
Sie standen, bleiche Schemen, in der Runde,
Des Endes harrend, starrend unverwandt
Der Opfer jüngstes an. Im Flammenbrand
Sah und erkanntŽ ich allŽ in dieser Stunde,
Doch keck führtŽ ich mein Hifthorn bis zum Munde
Und blies: " Zum finstern Turm kam Herr Roland ! "