Dubbage – “The Forth Kind EP”
Hier mal eine Packung JumpUp auf die Klötzer! Die ältesten, mir bekannten Produktionen von Nathan Dubbage Palmer reichen zurück ins Jahr 2013, als Drum´n´Bass bereits volldigital unterwegs war und die Quantität an unveröffentlichten Tracks sowie Bootlegs stetig wuchs. Insbesondere die JumpUp-Leute produzierten Tunes wie am Fließband, teils auch für sehr kleine Labels. Nach den für Dubbage produktivstärksten Jahren 2013 und 2017 nahm die Frequenz seines Outputs etwas ab. Regelmäßige Beiträge von ihm kamen auf der „Juicy Fruits“-Reihe auf Dreambassuk und nun gibt’s also mal wieder eine Solo-EP, diesmal auf Audio Felonz Records, kurz AFR, welches auch erst im vergangenen Jahr gegründet wurde. Kickoff geschieht auch hier wieder mit dem Titeltrack „Forthkind“ und der ist wirklich brutaler JumpUp: Spieluhrintro, „There is nowhere to run“-Ansage und dann Kickass-Drop. Deftige Drums und rotierende Shuffle-Bassline machen das Teil zu ner echten Pumpgun. Tune! Die Tracks 3-6 sind ebenfalls maschinell-industriell konnotiert, wobei „Zeta Reticuli“ am ehesten an das bratzende Drumming vom Opener herankommt. Track 2 („Blood“) hingegen ist eher rollender Natur und erinnert mich an die Tunes von DC Breaks. Ich muss es aber noch mal hervorheben: „Forthkind“ ist mit Abstand mein Favorit. Kann’s kaum erwarten, diesen Bolzer auf eine Crowd loszulassen! (Metric)
Release: 29.03.2024
Label: Audiofelonzrecords (AFR)
Katalognummer: AFR010
Wertung: 8/10
Shimah – “4h Dimension LP”
In meiner Erinnerung gab es im Drum´n´Bass bereits eine trancige Phase in den Nullerjahren, mit Tracks von BSE, Concord Dawn oder den damals omnipräsenten Pendulum. Anm. d. Verf.: es war auch ein Grund, weshalb ich mich vom Techno ein ganzes Stück abwendete. Der wurde nicht nur minimaler, sondern auch sehr trocken, wohingegen man sich im DnB in einem schönen Synth verlieren konnte. Eins vornweg: lost in Sound ist auch mit der hier vorliegenden Platte zweifellos möglich. Doch kurz zur Person: Shimah tauchte für mich als Name beim Vinylkauf ab 2006 auf. Als alter JumpUp-Head sammelte ich den particular Stuff und Hamish hatte ein paar Releases auf Hazards damaligen Labels. Als die 2000er zweistellig wurden, wurde es abgesehen von einigen Beiträgen für ein paar Playaz-Releases, ruhig um ihn. Er kehrte 2021 auf Co-Lab Recordings mit einer EP zurück, welche die Richtung seines künftigen Sounds vorgab. Im Vergleich zu vorher hatten die Tracks einen wesentlich deeperen, teilweise auch techigeren Approach und verfügten über eine deutlich größere klangliche Bandbreite. Es waren definitiv keine Tools und die ausproduzierten Soundscapes überraschten und verzückten mich zugleich. Durch das regelmäßige Hören des Co-Lab-Podcasts von Benny Co-Lab konnte ich fortan die aktuellen Arbeiten von Shimah verfolgen, bis Benny ein Album ankündigte. Da freute ich mich fast wie ein Kleinkind. Nun ist es da und so geworden, wie ich es mir erhofft und gewünscht habe. Themenschwerpunkte sind laut seiner eigenen Aussage Sci-Fi und Space, was bei der Produktion eines solch epischen Albums natürlich immer ein gangbarer Weg ist. Bereits der Opener „The Void“ ist ein mächtig erhabener Track, der wie ein Raumgleiter über der Galaxie schwebt. Die Dunkelheit des Space inklusive. Die trancigen Klanglandschaften finden sich insbesondere im titelgebenden Track „4th Dimension“ und dem erlösenden „So Real“ sowie beim nach Streichern klingenden „Ocean Colour Scheme“ oder auch dem finalen „Surface Gravity“ – auch so ein Meisterwerk. Zum Glück geht’s bei den genannten nicht immer so düster zu wie in „The Void“, dem schneidenden „Hypersurface“, dem bedrohlichen „Disintegrate“ oder dem massakernden „You´re Already Dead“. Durch dieses Album gewinne ich den Eindruck, als habe sich Hamish über die Jahre der intensiven Studioarbeit eine große Expertise erarbeitet, die natürlich auch dazu führt, dass er auf dem von ihm geschriebenen und zusammengestellten Longplayer verschiedene Emotionen ansprechen und Assoziationen wecken möchte. Möglicherweise auch ein Grund, weshalb er sich mit „Visions Of Neon“ einen Ausflug in die 160er Gefilde erlaubt und der Track mich irgendwie an den Synthie-Pop der 80er erinnert. Ironie der Geschichte: Shimah hat angekündigt, nach diesem Album die Rolle rückwärts und nix als JumpUp gemacht zu haben. Bestimmte Klangphasen scheinen also nicht nur in Genres immer wiederzukehren, sondern auch bei den Personen, die sie kreieren. Ich resümiere: für mich persönlich ein Anwärter auf das Album des Jahres. Hoffentlich bekommt es die Aufmerksamkeit, die es verdient! (Metric)
Release: 05.04.2024
Label: Co-Lab Recordings
Katalognummer: COLABLP005
Wertung: 9/10
Wavhart – “Thru The Dark / Night Terrors”
Für das dritte Review im Bunde für diesen Monat habe ich etwas gegrübelt und mich schließlich für diesen, bislang noch eher unbekannten Producer entschieden. Alternativ standen Releases zur Auswahl, deren Artists oder Labels bereits Rezensionen von mir bekamen. Laut X ist Cameron aka Wavhart in Seattle beheimatet und hat mit hier vorliegender Single folgerichtig eine Veröffentlichung auf dem US-Label Play Me Records. Btw., mir als Fan von kurzknackigen Beschreibungen gefällt deren Kurzinfo: „Broken Beats, Good Vibes and Heavy Drops. Jawoll! Nix anderes ist bei Veröffentlichung Nummer 331 (!) Programm. Die beiden Tracks lesen sich zunächst wie eine Interpretation des europäisch-kontemporären DnB. Catchy Drums, cleanes Sounddesign und cleveres Arrangement. Und dann ist da doch meist etwas, womit sich US-Produktionen einen eigenen Charakter verschaffen, in diesem Falle sind es schlichtweg: die Melodien. Und ich kann jetzt schon sagen, ich liebe Wavharts Melos! Vielleicht kommt es durch seine musikalische Sozialisation, denn Social Media zeigt ihn sowohl an den Decks, als auch an Drums und Gitarre. Während bei „Night Terrors“ die Melo der eines typischen JumpUp-Tracks nahe kommt, ist sie bei „Thru The Dark“ in einer noch höheren Oktave unterwegs; organischer, ja beinahe glockenspielartig. Macht auf jeden Fall Bock auf die Festivalsaison. Doch egal, welchen der beiden Tunes man zugrunde legt, ich muss immer wieder an die Protagonisten von Neksus Sound (Annix, Vici, Suune etc.) denken. Stand jetzt würde ich behaupten: Wavhart ist defo ein Kandidat für jenes Imprint! (Metric)
Release: 29.03.2024
Label: Play Me Records
Katalognummer: PLAY331
Wertung: 9/10
Cuepric, Melanie Ring – „Aphel“
Cue-Prick. Cu-ä-prig. Cüpritsch. Sehe gerade, dass er sogar eine Aussprachehilfe auf seinen Socials hat – zu spät! Wie auch immer man das Leipziger Newcomertalent auch aussprechen mag (es bleibt ein Mysterium), die Mucke ist ja auch so oder so geil! Seit Ende 2019, Anfang 2020 treibt sich Jonas Meyer, der rotschöpfige Riese hinter den genialen Beats, als Gründungsmitglied der Leipziger bassfocus Crew nicht nur auf diversen Bassmusik-Events sowohl als Selectah als auch als Raver herum, der Studiomitbewohner von Tom Finster et al. ist auch produktionstechnisch komplett in der Szene angekommen. Da gibt’s die krassen kollaborativen Kreationen mit Studiobrudi NOVALU (eine Kombo die im Techno-Bereich auch als XENONAK bekannt ist), allerlei Remixaktivitäten für Szenegrößen wie Neonlight, Mister Finster und Tom’s humanen Partner in Bass barking continues, und auch sonst einiges an grenzenlos guten Beats auf SoundMuseum, Boundless Beatz und In The Lab Recordings. Nachdem Letztere Jonas via seinen Remix für MODESHA’s Cold Eyes entdeckt hatten, gab es einen Release nach dem anderen auf dem in Northamptonshire ansässigen Laboratorium, und diesen März gab’s seinen größten Tune bisher: Aphel! Nicht nur die Production ist hier dank der außerordentlichen Dramaturgie der sich immer weiter entwickelnden Symphonie aus futuristischen Synths noch on-point-iger als sonst, für diesen neuesten Geniestreich hat Jonas auch kurzerhand absolut wunderbares Gesangstalent in der Form von Melanie Ring, Frontsängerin von MODESHA und dementsprechend die Stimme eben jenes Cold Eyes Remixes, rekrutiert, was das Ganze dann endgültig auf die Spitzenklasse anhebt. ITL steht einmal mehr für Ich Tue Lieben. Keine Sorge, der Tune ist wesentlich besser als mein Wortwitzversuch. (Lennart Hoffmann)
Release: 15.03.2024
Label: In the Lab Recordings
Katalognummer: ITL039
Wertung: 9.5/10
Spectral – „Critical Presents: Binary Vol. 27“
Springen wir mal wieder rüber in’s gelobte Land, wo drums und basslines fließen: Bristol! Nach einigen Jahren an unermüdlicher Arbeit hat da nämlich Kaitlin Bissett, besser bekannt als Spectral, ihre Debüt EP rausgehauen – und das auf Critical! Angefangen hat das Ganze, ganz klassisch, mit dem klassischen Piano in Kindheitstagen, gefolgt von der guten alten Gitarre, dem eigenen Singer-Songwriting und zum Erwachsenenalter hin dann sogar ein Studium der Populären Musik im südöstlichen Falmouth – aber die Liebe galt dann doch eher dem Elektronischen. Sie hatte schon seit 2019 an ihren Solostücken gefeilt und ist damit auch direkt auf dem walisischen Label Incurzion gelandet, hatte aber weit größere technische Ambitionen. Um diesen Sprung zu meistern, hat sie sich bei der wunderbaren EQ50 Mentoring Initiative für die Stärkung der Frauen in unserer Szene beworben, und wurde 2020 neben Artists wie Nia Archives und Mandidextrous kurzerhand als Mentee akzeptiert! Ihre düsteren Beats und ihr Faible für alles zwischen Dubstep und DnB haben die Macher hinter der legendären Deep-and-Dark-Schmiede Critical Music so sehr überzeugt, dass einfach gar nicht anders konnten, als sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Seitdem gab’s einen Erfolg nach dem anderen: Gigs an Orten wie Fabric und Printworks in London, Amsterdam, Albanien und sogar Berlin, eine Residency im One Forty Club und sogar ihre eigene Radio Show auf dem neugeborenen Kool FM! Nun gab’s das nächste absolute Highlight: Ihr eigener vier-Track-starker Eintrag in der Critical Binary Reihe. Auf EP Numero 27 gibt es, ähnlich wie in ihren Sets, dabei die gesamte Bandbreite an Energie zu bestaunen, von den wirklich fabelhaften Liquid Vibes auf „Crazy“ und „Ikigai“, bis hin zu dem brachial drückenden „Submerge“ und dem unsanft hämmernden 4×4 Banger „Void“. Mega! (Lennart Hoffmann)
Release: 27.03.2024
Label: Critical Music
Katalognummer: BINARY027
Wertung: 9/10
LYLY – „Fragments“
Belgien als DnB Land ist mit so Namen wie Netsky, Andromedik und Murdock, plus ihrem größten Export, dem Belgischen Jump Up™️, zwar generell ganz weit weg vom „underrated“ Status, aber unter dem ganzen Dancefloor Glamour und Gequietsche gibt es auch einen riesigen Haufen an talentierten Artists in anderen akustischen Gefilden – zum Beispiel Newcomer LYLY! Aus seinem Sitz in Hauptstadt Brüssel heraus, hat Nassim Drif seinem vagen Intro Post zu Folge zwar schon vorher andere Projekte in der Welt der elektronischen Musik hervorgebracht, und laut weiteren, etwas spezifischeren, Posts wurde über 4 Jahren am neuesten Werk geschmiedet, aber das macht die Qualität seiner Musik seit dem Debüt des LYLY Projekts im letzten Jahr nicht weniger erstaunlich. Da er auch regelmäßiger Teilnehmer der unglaublich viel abgefahrene Newcomer hervorbringenden WeAreHumans Feedback Stream Sessions von Tom Finster und barking continues ist, ergibt das aber alles auch irgendwie so seinen Sinn. Er hat sogar beim zuletzt groß aufgezogenen WAH vs 400 Produzenten Battle teilgenommen! Aber zurück zum Thema: Nach dem EP Debüt auf SoundMuseum (die schon wieder!) Ende letzten Jahres, und einigen Folgen seiner tollen „From LYLY, With Love“ Mix Reihe, kommt Nassim jetzt mit einem Viererpack um die Ecke, das sich gehörig gewaschen hat! Auf eben jener „Fragments EP“, veröffentlicht von den zutiefst underratedten tschechischen Jungs und Mädels von Sinful Maze, gibt’s grandiose Theatralik und das Herz erwärmende Bässe auf „Argue“, ein alles zerberstendes Feuerwerk aus Breaks mit kraftvollen, emotionalen Vocals auf „Crashing Down“, super synkopatisches Staccato Gestotter auf „Pivert“ und allerhand choppige Think-Break Action auf „Daylily“. Ich LYLY-ebs. (Lennart Hoffmann)
Release: 27.03.2024
Label: Sinful Maze
Katalognummer: SFM021
Wertung: 9.5/10
Dapreme – „Gimmie That“
Zuletzt möchte ich mich einem Artist widmen, der wahrscheinlich bald ebenfalls in der Premier League mitspielen wird: Patrick Tobias (Da)Prem(e)! So gegen 2019 ging die musikalische Reise des heute 23-jährigen bereits mit allerlei HipHopperei los, so richtig den Turbo hat der Tiroler Jung allerdings dann erst in der Pandemie eingelegt. Nach und nach hat er sich nicht nur einen Fleischkaas nach dem anderen, sondern auch die Trommeln und die Bässe einverleibt. Los ging’s mit Gigs auf Hausparties von Freunden und Selbstreleases, nach dem Release seines 2022er Banger Adaptation sah das ganze allerdings im Handumdrehen ganz anders aus. Ich war da nämlich nicht der einzige, in dessen DMs er mit dem Tune geslided ist, die wunderbaren Leute vom letztjährigen Best Newcomer Label Nominee Phase Records waren auch hellauf begeistert, und nahmen das Talent direkt in ihre Reihen auf. Knapp zwei Jahre später, und Patrick ist inzwischen nicht nur einer der Köpfe hinter dem Innsbrucker Kollektiv Malware Audio, sondern konnte auch seine Dapremix Künste für JP tuat wild unter Beweis stellen und ist sogar waschechter Resident bei Phase geworden, mit einem Release nach dem anderen, allerlei Club Nights und einem Booking für Hospitality On The Beach diesen Sommer! Bald soll’s wohl auch Output auf meinen Lieblingen Stellar Audio und In The Lab geben, aber diesmal gibt’s erstmal fette Tunes auf Phase auf die Ohren, mit der „Gimmie That“ EP. Gleich der den Spaß eröffnende Titeltrack schmeißt nur so mit klassischen Samples, sehr coolem Sounddesign und heftigst vibrierenden Basswellen und -explosionen um sich, „Wasting Time With You“ mit seinem Ohrwurmvocal, wildesten rhythmischen Partien und ohrmassierenden Bässen und „Break My Heart“ mit seiner nach vorne peitschenden Fourward-esquen Energie (sehr gerne mehr) knallen aber auch direkt gut rein. Zu guter Letzt gibt’s mit „Full Stop“ den erneuten Zusammenschluss mit österreichischem Landsmann Default Noise, und wie bei dieser Kombo zu erwarten, wird einem neben der wunderschönen Streichereinlagen auch gehörig der Kopf durchgepustet! Patrick for Dapremierminister. (Lennart Hoffmann)
Release: 12.04.2024
Label: Phase Records
Katalognummer: PRDNB0016
Wertung: 9/10