Noisia – “The Resonance VII”
Nur ungern möchte ich bereits Abgehandeltes aufwärmen. Und um es vorweg zu nehmen: Teil sieben gehört nicht zu stärksten der Reihe. Möglicherweise aber zu denen mit der größten Range, wenn man die Individualität der diesmaligen Remixe betrachtet. Und ein paar Überraschungen gibt’s obendrauf. Also (nun doch) ans Werk! Was mir gleich auffiel, war der hohe Bass Music-Teil dieser Ausgabe, der hier mit drei reinrassigen Dubstep-Remixen (Eptic, Visages, Nghtmre) sowie weiteren drei Hybriden (Annix, Zardonic, Xohne) zu Buche schlägt. Fun Fact: ein Seller wie Beatport kommt bei der Kategorisierung von letzteren schon mal an seine Grenzen. Oder seit wann sind 116, 130 oder 147 BPM DnB?! Anyway. Teilweise recht schwer zu mixendes Material dabei, um ehrlich zu sein. Wer es zurechtgelegter haben mag, wird sich schnell am Teddy Killerz Remix von „Dead Limit“ bedienen und es ist demjenigen nicht zu verdenken. Die Jungs liefern seit Jahren Qualität und dass sie sich ausgerechnet an dem Track vergreifen, der die höchste Messlatte mit sich bringt, beweist nicht nur Mut, sondern vielleicht auch ein ganzes Stück Selbstsicherheit. Ihr Rework ist nah am Original: die Drums haben etwas mehr Punch und sind ein Stück maschineller; die Synths wurden ordentlich durch den Warp-Kakao gezogen und sind dadurch multitonaler. Unterm Strich wirkt es fast „nur“ wie eine VIP und wird doch locker reichen, um im Festivalsommer hoch und runter gerinst zu werden. Da bin ich mir fast sicher. Ihr erahnt es vielleicht schon, mein Favorit ist ein anderer. Nämlich der Trinist Remix von „Shibuya Pet Store“ (was allein schon für ein cooler Tracktitel!). Joshua aka Trinist ist Landsmann und für die heimische Szene galt bei Noisia schon immer: effort and support. Trinist ist oberste Liga für sophisticated DnB. Seine mosaikartige Herangehensweise an einen Track, bei denen die reinkommenden Sounds so schnell wieder gehen wie bei Tetris Line Clear – das ist schon unnachahmlich. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass das Arrangement trotzdem aufgeräumt erscheint und das Mixdown clean as f ist. Trinist for presi! Schön ist, dass auch bei dieser Volume wieder neue Namen eine Plattform bekommen, die man unbedingt im Auge bzw. Ohr behalten sollte. Mindestens mal SMG aus Bristol, hier vertreten mit seinem Remix für „Shaking Hands“, wobei der mich irgendwie an Küchenabwasch erinnert, bitte nicht despektierlich auffassen. Zum anderen ist das noch LeStR, der sich „Hideous“ gegriffen hat und mit seinem spooky Remix prima die Darkness der Frühphase von Noisia wieder aufleben lässt. Wie auch immer die jeweilige Episode ausfällt: an The Resonance ist kein Vorbeikommen! (Metric)
Release: 25.04.2024
Label: Vision Recordings
Katalognummer: VSN138
Wertung: 8/10
Various Artists – “MODULES two”
Mehr sophisticated DnB kommt – natürlich – abermals vom alles richtig machenden Slowaken Martin aka A.way im zweiten Anlauf der Modules-Reihe auf Modus, dem gemeinsamen Kinde von Camo, Krooked & Mefjus. „Chronicles“ erschien bereits als Vorab-Single und so die Tracks von Mister A.way bekanntlich stets auf Arretierung gehen, ist auch dieses Teil hier wieder eine unaufhörliche Laserkanone. Da taugt mir sogar das Vocal.
Beim Landsmann dieses Releases handelt sich um den Österreicher Dossa, der vormals zusammen mit Locuzzed über Jahre hinweg einen immer funkiger gewordenen Sound zelebriert hat. Nun also solo und „Mamunabu“ ist sowas wie die Antwort auf Luudes „Pachamama“ oder von mir aus auch auf die „Baianá“ Bootlegs. Wobei, so ein bisschen Latin-Vibe im DnB passiert nicht so oft und kommt tatsächlich ganz cool und genauso funky wie einst die Tracks vom Duett. Ein ganz anderes Duo bilden auf diesem Release Rueben und Javeon (Utrecht vs Bristol): „Checked Out“ kommt mit viel Gefühl und R’n’B-esk daher, doch hier wiederum wiegt mir die Vocallast zu schwer. So kann ich mich irgendwie gar nicht auf die feinen Beats konzentrieren. Deshalb zum Newcomer dieser Veröffentlichung: Lukher. Vom talentierten Mann aus Polen gab’s bislang ein Engagement auf Skankandbass sowie Dividid und wenn er hier mit „Perseverance“ auf den eigenen Durchhaltewillen anspielen sollte, so schicke ich ihm gern Bestärkung gen Osten. Der Track ist episch, cineastisch und trotzdem Dancefloor-suitable. Eine Art „Modern Art“ in DnB-Interpretation. Festzuhalten bleibt: Modus ruht sich nicht auf der Gegenwart aus. The future is now! (Metric)
Release: 15.06.2024
Label: MODUS
Katalognummer: 085365574151
Wertung: 8/10
https://modus.lnk.to/MODULEStwoLink
Various Artists – “The Gathering II”
Jetzt lasse ich mich doch tatsächlich auf ein Review eines reinen Neuro-Releases ein, guck an. Zugegeben, die Kölner-Kollegen von Hanzom Music haben ihrem Label über die vergangenen Monate hinweg einen ordentlichen Push gegeben. Und es ist sicher nicht leicht, gegen Branchenprimi wie Eatbrain oder Blackout anzustinken. „The Gathering II“ enthält als Release vielleicht nicht die ganz großen Namen, wohl aber richtig qualitativen Neurofunk und dazu samt und sonders VIPs! Tatsächlich kommt mein favorisierter Track hier von einem aus dem eigenen Stall: Smeerlapp – Anm.: wo wäre so mancher deutsche Producer ohne ihn?! Das Original von „Clickbait“ war bereits ein schön dreckiger Stepper. Die VIP stellt taktisch bisschen um auf rollend, ergänzt um bösartige Helikopter-Bassline und schon ist die Waffe geschmiedet. Nach dem Breakdown schellen übrigens noch ein paar schöne Dimension-UK-Gedächtnis-Percussions, bevor’s in den zweiten Drop geht. Cooles Teil! Richtig amtlich ist auch „Time Paradox VIP“ von TR Tactics und Dropset. Das Ding ist was für die Kistenbauer auf dem Dancefloor (ok, die kenn ich wahrlich nur vom Techno). Dennoch fühlt man sich schön aktiviert von dieser VIP. Deren aggressives Drumming vermittelt Aufbruchstimmung. „Conclusion VIP“ von Absu NTQL klingt schon irgendwie nach Neurofunk nach CZ-Manier. Schon interessant, wie sich die Tschechen mit und um ihn herum (Prdk, Confusion, Zigi SC usw.) inzwischen so ihren eigenen Trademark-Sound entwickeln, der meist ziemlich fix ist und sehr nach vorn geht. Damit verglichen ist „Supersonic VIP“ eine gedrosselte und ehrlich gesagt eher schwächere Nummer von Agressor Bunx. Kommen wir also zum letzten Titel: „Adventure VIP“ von Frank Lemon und Manta. Der Künstlername von ersterem verheißt keinen reinen DnB-Producer und das Netz gibt Aufschluss, dass er auch im Bass House-Bereich sein Unwesen treibt. Manta wiederum ist bereits eine feste Größe bei Eatbrain und Sinful Maze und entsprechend ist „Adventure VIP“ eine Rave-Nummer geworden, die vor allem im zweiten Drop nochmal einen schönen Staccato rausballert. This is a strong gathering, no doubt! (Metric)
Release: 12.04.2024
Label: Hanzom Music
Katalognummer: H060
Wertung: 8/10
SiLi – „The Journey LP“
SiLi Debüt Album!! Muss ich noch mehr sagen? Ach, muss ich echt? Oh, ähh, na gut, vielleicht muss ich etwas mehr ausholen, damit ihr mich besser versteht. Wie so viele andere seiner Genre-Kollegen ist der in Bern ansässige Silas Bertschy bereits zutiefst musikalisch aufgewachsen: Wenn Silas nicht gerade auf dem Klavier oder in der Schulband selbst musizierte, war er im Haushalt Bertschy dem gesamten Spektrum an Musik, von klassischer Musik des Vaters bis zum House der Schwester, ausgesetzt. Über Playsi Games wie Fifa Street oder Need For Speed Underground gesellte sich dann auch noch DnB hinzu, und wurde schlussendlich durch Live Auftritte von Chase & Status und Netsky einer seiner liebsten Sounds. Als er dann 2013 anfing, seine eigenen Silly Songs hochzuladen, gab es wirklich die gesamte Bandbreite an Genres zu bestaunen – Electro House, Future Bass, Windows 8 Drumstep, Progressive Trance, so Einiges an DnB und vieles mehr. Zeitgleich zu seinen ersten richtigen Durchstarter-Momenten als preisgekrönter Produzent des Schwizerdütschen Hip-hop Acts Ab Arel, so um 2016 rum, wurde aus SiLi nach und nach auch ein immer hochkarätigerer Name im DnB Metier. Releases auf Differential, Fokuz, Galacy und Delta9 wurden von gefühlt der halben Szene supported, ganz oben mit dabei auch die Ministranten Sub Focus, Dimension & Co., und über die Jahre gab’s ihn dann auch auf Glitch Audio, Demand, Flexout und In The Lab zu hören – achso, und er wurde natürlich fester Bestandteil der Liquicity Crew! Nach allerlei SiLingles, einer SoLo EP und ohne Ende Auftritte innerhalb des holländischen Universums, kommt nun das relativ kleine, aber dafür umso feine 8 Tunes starke Debütalbum, „The Journey“! Die Reiseziele führen uns dabei in die Welten des Minimalistisch-Einzigartigen auf „Railways“, des Wunderbar-Rollenden auf „Timeless“, des Lächeln-aufs-Gesicht-Zaubernden auf „Daylight“, des Rhythmisch-Mythisch-Explorativen auf „Rhythmic Crossroads“, des Wubbig-Deepen auf „Left Right“ mit Mota & Fava als Hosts, des Zutiefst-Klatschenden auf „Save Your Time“ mit der wunderbaren SYNGA, des Proppenstark- Stepptanzens auf „Propa Steppa“ mit der one and only Julia Marks, und des Fonky-Poppigen auf „Next To Me“, ebenfalls mit SYNGA als Syngärin. Mit anderen Worten, ein Silasterpiece, was man einfach nur SiLieben muss! (Lennart Hoffmann)
Release: 03.05.2024
Label: Galacy
Katalognummer: GLCYA003
Wertung: 9.5/10
HighThere, Ly Da Buddah – „Wimbo / Liit“
Hi there! Buddah bei de Fische: Lyda hab ich diese zwei omnipräsenten Bestandteile der germanischen Szene bisher nicht bei mir unterbringen können – das ändert sich jetzt aber! Fangen wir mit Ersterem an: Bundeshauptstadtler Jan Wortmann treibt sich schon seit circa 2011 als Selectah in der elektronischen Szene herum, aber den meisten ist er wahrscheinlich erst mit seinen eigenen, ab 2017 eintrudelnden Produktionen auf Darkside, Empire und dem eigens gegründeten Label-Slash-Collective Banana Bass aufgefallen. Der ganz große Durchbruch kam dann zum Ende der Pandemie hin, als es die HighTherapeutischen Banger plötzlich auch auf Hanzom, VTO, Brainrave und Skamele gab, wodurch Jan nicht nur bei den German DnB Awards abgeräumt hat, sondern auch inzwischen auf allerlei Raves in ganz Europa anzutreffen ist. Seine für dieses Doppelpack bereitgestellte A-Side, „Wimbo“, reiht sich wunderbar in die lange Liste an zerstörerischen Bangern ein – abgrundtief böse Bässe, in-die-Fresse Drums und ein ausgezeichnetes Mitgröhl Sample! Und Zweiterer? DnBundesliga-Hauptstadtler Oliver Lüdecke ist eigentlich so eine Szene Koryphäe, dass man ihn gar nimmer vorstellen muss, aber nun gut! Seit mehr als 25 Jahren ist der Lüdde nun schon kräftig am in der Szene mitwirken, ob nun in Form seiner schier unerschöpflichen mitreißenden Energie hinter den Decks, seinen fetzigen Releases auf Serial Killaz, Kartoons und Ghetto Dub, seiner anderen Aliasse im Ärmel Dazed Dog und Motagen Sound, oder seinem unermüdlichen Engagement hinter den Kulissen. Oliver ist nicht nur die Haupttreibkraft hinter der legendären Drum and Bass Bundesliga, er hat auch am Headliner Mag mitgewerkelt, das Real Vibes Label mit Mystic Dan aufgezogen, den Monkeejuice Store mit Dennis Gabbana entwickelt und das dazugehörige Label aus dem Boden gestampft – puh! Heute gibt’s vom Dorfschamanen aber erstmal „Liit“, mit ebenfalls grandios gröhlbarem Vocal, exorbitanter Verzerrungsaction in der Bassabteilung und tadellos tanzbarer Trommelei. Geil! (Lennart Hoffmann)
Release: 18.04.2024
Label: Monkeejuice
Katalognummer: 10301821
Wertung: 8.5/10
Various Artists – „Transmissions Pt.2“
Nachdem ich ja im März schon die erste Edition der Transmissionarischen Reihe der darwinistischen Kammer behandelt hab, fand ich es nur passend auch Teil Numero Zwo hier zur Schau zu stellen. Also, wen haben sich die Magnetude, Task Horizon und Receptor Jungs diesmal ins Hause geholt? Da wäre zum einen der Sankt Petersburgianer Stefan Ivanov aka Lance Dance, von dem man online bis auf ein paar Hiphop-Trap Snippets so ziemlich gar nichts findet, und der mit „Kill You“ ein Debüt abliefert, was vor Farbenfreude und Bärenstarke nur so strotzt! Dieser einzigartigen Kombo folgt der aktuell am stärksten leuchtende Stern im Neuro-Kosmos, der polnische Musikenthusiast Dzmitry Vilchytski, auch bekannt als Skrimor, mit seinem unermüdlichen Schnellfeuer-Banger „The Rave Feeling“, und Tenkei, der St. Gallener, der uns seit 2019 mit seinen phänomenal-futuristischen Produktionen auf ProgRAM, Fokuz und eben auch Evolution Chamber begeistert, und hier mit „Maho“ den Bogen vom wirklich unglaublich Schönen bis hin zum irre gut produzierten Zerstörerischen hinlegt. Apropos zerstörerisch: Den Abschluss machen der kompromisslose Neuro-Banger „Pay Your Blood“ der russisch-österreichischen Transmissions Veteranen Neronal, Kovar und Profuze, besser bekannt als TNTKLZ, und das alles-auseinandernehmende „Damocles“ von der internationalen Powertruppe bestehend aus den Briten Konquest, den einige unter euch eventuell noch als Block Dodger kennen, dem US-Amerikaner Dropset, der als Personal Trainer in Pittsburgh nicht nur Körper stählt, sondern auch seit einiger Zeit schon einiges an Neuro schmiedet, und dem unschlagbaren Duo Daniel „Volatile“ Lawrence und James „Psycle“ Chick, die schon seit 2011 als Volatile Cycle die britische Neuro Szene unsicher machen. Super cooles Projekt! (Lennart Hoffmann)
Release: 26.04.2024
Label: Evolution Chamber
Katalognummer: EVOC039
Wertung: 9.5/10
Neezko – „Muttnik / Zikade“
So, zum Abschluss jetzt aber noch mal einen wirklichen Geheimtipp: Neezko! Zwar treibt sich der gute Ramin schon seit 2016 in der Szene rum, damals lief das Ganze aber noch über sein Impaler Alias aus Schwäbisch Hall heraus. Über die Jahre probierte er sich an allem Möglichen innerhalb der DnB Sphären, und mithilfe Tom Finster’s und barking continues‘ exzellenter WeAreHumans (WAH) Community (jeden Mittwoch Abend live auf Twitch! Es lohnt sich!) hat er sich dann über die Jahre auch so einiges an moderner Produktionstechnik angeeignet. Inzwischen in Berlin lebend, wusste Ramin, dass ein neues Alias her muss, und bei einem besonderen Feedbackstream, bei dem sich die oben genannten Donkongenialen Humanitäter niemand Geringeres als ABIS dazu geholt haben, konnte er eben jenen so sehr von seinen abgefahrenen Neezkonstrukten überzeugen, dass er dann auch direkt auf der WAH Compilation auf DIVIDID gelandet ist. Nach diesem absurd guten Debüt kriegen wir via SoundMuseum nun direkt das ebenfalls unglaubliche Followup, und zwar gleich im Doppelpack! „Muttnik“ strotzt nur so vor wunderbar theatralischer Dramatik, eingängigen und zugleich Albtraum-verursachenden Melodien und Bässen, die den Körper von oben bis unten durchrütteln, und als ob das nicht schon genug wäre, gibt’s auf „Zikade“ einen wilden Ritt durch sympathisch synkopatischen Hämmerei-Rhythmiken, der durch allerlei unsäglich komischer, aber auch zutiefst schöner Melodeien zu einer wahren Traumreise wird. Unglaublich gut. (Lennart Hoffmann)
Release: 23.04.2024
Label: SoundMuseum
Katalognummer: SM057
Wertung: 9.5/10