Samthing – „Outline / Sandbox“
Sine Function ist zurück! Das von Fredy „Noizesplitter“ und Fabian „Methis“ gegründete Schweizer Label für alles Techy-Neurofunkige hab ich hier ja schon vor ein paar Monaten in den Mittelpunkt gestellt, aber da sie für die Rückkehr aus ihrem Sommerschlaf wieder mal einen echten Banger aus dem Hut gezaubert haben, verdienen sie den zweiten Shout-out einfach. Konkret verantwortlich für jenen ist Samuel Ferreira, der unter dem Namen Samthing schon seit rund 2014 als DJ in der portugiesischen Szene sein Unwesen treibt. Zwar gab es auch damals schon die einen oder anderen selbstproduzierten Snippets, das erste so richtige offizielle Release gab’s dann aber erst in 2021, auf Histeria Records. Kurz danach hat es das heutzutage in Berlin lebende Multitalent auch schon zur Sine-Familie verschlagen, zu der er nun mit diesem Doppelbündel an konzentrierter futuristischer Energie zurückkehrt. Auf „Outline“ gibt’s konstant nach vorn peitschende, gestochen-scharfe Drums, eine wunderbar ominöse Atmosphäre und bassige Rhythmen, die einen so schnell nicht verlassen, während „Sandbox“ den etwas steppigeren Weg einschlägt, mit mehreren kurzlebigen aber dafür umso härter einschlagenden Staccato Rhythmen. Hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient! (Lennart Hoffmann)
Release: 11.11.2022
Label: Sine Function Music
Katalognummer: SINEFUNC017
Wertung: 9/10
Ipsiom – „Departure EP“
Ob nun durch TikTok oder durch EDM DJs, die ihre Liebe zu DnB endlich öffentlich machten, das Genre hat in letzter Zeit definitiv einen großen Schub an Aufmerksamkeit und dadurch auch viele neue Einflüsse zu spüren bekommen. So hat es nun auch den Kanadier Joshua „Ipsiom“ Bornais dazu bewegt, von seiner bisherigen Liebe Dubstep zu schnelleren Tempos zu wechseln. Mit diversen futuristischen Colour Bass-inspirierten Releases auf Rushdown, Subsidia und Circus, plus Uploads auf UKF, hatte er zwar auch schon einiges an Erfolg, aber kreativ ausgelastet fühlte er sich noch nicht. Auf seiner „Star Child“ EP letztes Jahr versuchte er schon, seinen Sound auf das DnB Tempo umzumünzen, aber laut eigenen Aussagen war er noch nicht 100% mit der Production zufrieden. Gut eineinhalb Jahre arbeitete er deshalb neben dem normalen Dubstep Releases Kalender an seinen DnB Skills, was nun zu der wunderbaren „Departure“ EP geführt hat! Der Opener „Frontier“ geht nach großartig inszeniertem Intro noch in eine eher klassischem modernen Dubstep nachempfundenen Droprichtung, auf dem VIP vom Colour Bass Original „The Clock Keeper“ geht’s dann aber auch schon kunterbunt rund. „Departure“, zusammen mit Palmer, behält daraufhin zwar eben diese Einflüsse größtenteils, aber ist insgesamt eher im Land des Gute Laune Dancefloors angesiedelt. Auf „Neonplankton VIP“ wird dann schlussendlich noch ein letztes Mal All-in in die farbigeren Basswelten gegangen. Wirklich, wirklich interessanter und einzigartiger Style! (Lennart Hoffmann)
Release: 27.10.2022
Label: Donut Shoppe Records
Katalognummer: -/-
Wertung: 8.5/10
VELLE – „Synth Heart / At Your Side“
Etwas weiter südlich, in North Carolina, gibt es hingegen eine eher andere Art von futuristischem DnB zu bestaunen. Die seit dem ersten Release in 2015 aufgebauten Produktionstalente haben Calin Alston, damals noch als „Nesium“, bereits zu Singles auf Lockjaw’s Label Locked Concept befördert, aber seit ihrem Rebranding zu „VELLE“ in 2020 hat sie sich mit einem grandiosen Release nach dem anderen zu einem der interessantesten Newcomerinnen der letzten paar Jahre entwickelt. Nachdem sie die ersten paar neuen Kreationen selbst released hat, ist sie mit ihrer neuesten Doppelsingle nun auf SoundMuseum, Saturate Records‘ Geschwisterlabel, gelandet. Sowohl „Synth Heart“, mit seinen Lo-Fi Drums, anhaltend donnerndem (Sub-)Bässen und atmosphärisch extremst starken Synths, als auch „At Your Side“, mit seinem ebenfalls fabelhaft warmen Wellen (VELLEN, höhö) aus Bass und einem fesselnden Sortiment aus wundervollen (wunderVELLEN, höhö) Vocal Snippets, Computergeräuschen und allerhand anderer Sounds, triefen dabei nur so vor Vibes. Einfach ein Sound, in dem man sich verlieren kann. (Lennart Hoffmann)
Release: 18.10.2022
Label: SoundMuseum
Katalognummer: SM043
Wertung: 9/10
NOVALU – „Dematerialize“
Ich weiß, ich weiß, NOVALU hatte ich letztens erst hier. Aber als ich so auf dem Rückweg vom letzten Rave mein Release Radar durchgegangen bin, bin ich einfach so krass bei seinem neuesten Track „Dematerialize“ hängen geblieben, dass ich gar nicht anders kann, als meinen Hype zu teilen. Der in Leipzig ansässige Newcomer hatte ja auch schon auf seinen vorherigen Releases ein fast schon gruselig gutes Händchen für Newschool Produktionen bewiesen, aber auf diesem neuesten Meisterwerk ist alles irgendwie noch einmal perfekter aufeinander abgestimmt als sonst. Nicht nur die Atmosphäre ist wieder mal wunderschön, das zurechtgeschnitzte Vocal Sample, die ab und zu zum Vorschein kommenden Synths und die große Welle an hervorragendem Bass bilden außerdem zusammen einen so außergewöhnlich einprägsamen Rhythmus, dass ich einfach nicht anders kann als es ohne Ende zu feiern. Ganz großes Kino. (Lennart Hoffmann)
Release: 11.11.2022
Label: NOVALU
Katalognummer: -/-
Wertung: 9.5/10
Justin Hawkes – “Existential LP”
Ich bin ja bekennender Fan von Justin Hawkes und war es auch schon, bevor sich Justin Hellier aus Austin aus Respekt vor der großen DJ Flight für diese Namensänderung entschied und noch Flite hieß. Ich möchte vorweg nehmen: sein Debütalbum ist ein großartiges Werk! Es ist schon bemerkenswert, wie die amerikanischen Künstler einen ganz eigenen Approach an ihre Produktionen entwickeln. Ich vermute, es liegt an der Ferne zu UK bzw. Kontinentaleuropa und daran, dass Amerikaner ihre ganz eigene musikalische Sozialisation mitbringen, die in ihre Tracks unweigerlich einfließen. „Existential“ ist ein sehr musikalisches Album geworden. Es strotzt vor monumentalen Melodietürmen und schafft es trotzdem in weiten Teilen, nicht zu cheesig zu werden (weckt in mir dann doch die Assoziation zu den UK´s Fred V & Grafix). The Prototypes gefällt das! (ausgerechnet die verrennen sich gerade ein bisschen in ihren Melodien imo, Anm. des Verfassers). Der alles überragende Track ist jedenfalls natürlich „Better Than Gold“, dem man jeden Award dieser Welt wünscht. Nicht nur, weil er einen unschlagbaren Groove mitbringt, sondern insbesondere auch, weil es ein generationsübergreifender Song ist (die Vocals von Onkel Andrew Hellier, der Papa Guy Hellier an der Gitarre und Mandoline) und gefühlt mal eben locker die prägenden amerikanischen Sounds der letzten paar Dekaden in sich vereint. Mein zweiter Favorit ist „Black Bloc“. Die Soundschichten sind so gut und stimmig neben- bzw. übereinander gelegt, dass man einfach merkt: der Typ hier weiß echt, was er tut! Ähnlich geartete Nummern sind noch der Opener „Existential“ sowie „Neverafter“, „Dreambend“, „Hymn“ (feat. Audioscribe), „Heliocycle“ und „Tragedy Humanity“. “Cadence” und “Arbiter” (feat. Pav4n & Foreign Beggars”) sind zwei härtere Nummern zur Befriedigung der Neuroheads.
Die übrigen Titel sind laut Beatport den Genres House, Melodic Dubstep und Driving Techno zu subsumieren. Auf jeden Fall wirken sie nicht wie Fremdkörper, sondern reihen sich gut in den Longplayer ein. Die zwei Jahre Bauzeit und Justins Aussage, dass jede Sekunde des Albums ein kleines von ihm in Klang übertragene Stück ist, hinterlassen bei mir nichts als Respekt für diesen Mann. Er hat hier was ganz großes geschaffen und bekommt damit hoffentlich die Aufmerksamkeit, die er verdient! (Metric)
Release: 21.10.2022
Label: Pilot.
Katalognummer: PILOTLP001
Wertung: 9/10
VA – “Revisions II”
Wem das bristolianische Label Expedite Records noch nichts sagen sollte, der sollte diese Bildungslücke mal schleunigst schließen. Das Camp hat sich auf die Fahne geschrieben, neue, grenzüberschreitende Künstler in den Fokus zu nehmen. Genau mein Ding also. Wenn man sich die Resident-Liste anschaut, so sind das tatsächlich einige Namen, die gerade für ziemlichen Wirbel sorgen. Allen voran Mister Xaetis, einer der Gründer des Labels. Er steuert direkt die erste Interpretation auf dieser Remix-Compilation bei. Dabei handelt es sich um seinen Remix von Archaeas „Source Code“ und das Ding ist ein Killer! Hört euch das mal genau an! Mein Kopf spielt mir bei diesem Track irgendwie einen Streich, denn er klingt, als würde er immer schneller werden. Und auch die übrigen Remixe versprühen einen aufgedrehten oder aufdrehenden Habitus. Was sie verbindet ist der äußerst techige Approach. Große Unterschiede verkörpern die Remixe jedoch im Bereich Mixdown und Mastering. Ich hoffe, dass das lediglich eine Art Kinderkrankheit des noch jungen Labels darstellt. Fakt ist, dass es nur dafür Punktabzug gibt. Hinsichtlich des Produktionslevels und der Kreativität innerhalb der Stücke habe ich nichts auszusetzen. Betrachte ich sie gesondert von obigem Umstand, so gibt es nicht einen Remix, der mir gar nicht zusagt. Klasse Material von neuen, spannenden Producern! (Metric)
Release: 03.10.2022
Label: Expedite Records
Katalognummer: EXPR2
Wertung: 7/10