Chaser & Malstrom – “Space Quest LP“
Hier haben wir den klassischen Fall vorliegen, wenn sich zwei vormals allein agierende Producer zusammentun und durch deren Symbiose das Produktionslevel die nächste Stufe erreicht wird. Chaser ist der bekanntere der beiden Russen und hat bereits auf mehr als einem Dutzend verschiedener Labels released. Malstrom ist nicht ganz so aktiv und versteht sich eher auf das Kollaborieren mit ihm genehmen Artists. Mit Chaser traf er direkt ins Bullseye, denn dieses Album hier wirft ein paar ganz starke Pfeile. Nun kann man bei einem Label, was Neuropunk heißt, einen arg festgelegten Sound erwarten. Umso überraschter war ich, dass es sich auf dem Album kaum um klassische Neuro-Tracks handelt. Bereits das Opening ist ein opulentes Soundscape mit Akkorden und Trompeten. Dies mündet in den Titeltrack und erinnert mich an Erscheinungen auf Neosignal bzw. NËU. Auf dem Longplayer geht’s insgesamt sehr perkussiv zu, wobei sich bratzigere und deepere Nummern gut die Waage halten. Neben der Assoziation zu den Hamburger Jungs Phace & Misanthrop höre ich in manchen Titeln auch starke Reminiszenzen an Current Value heraus, was nie von Nachteil sein kann. Entsprechend großartig und besonders hervorhebenswert finde ich insbesondere „Dead Leaves“, „Ambition Zero“ und „Velvet Dust“. Was alles wegrockt ist jedoch „Constant Variable“ – ein Tune, bei dem die auflegende Fachkraft und die Audience zum Durchdrehen geradezu verdammt ist. Chaser und Malstrom haben ihren (Welt)raum gesucht und gefunden. Ich folge ihnen untertänigst! (Metric)
Release: 30.11.2022
Label: Neuropunk Records
Katalognummer: NRPNK026
Wertung: 8/10
Sevin – “Access LP“
Weiter geht’s im Albumformat mit Sevin. Joel ist für mich einer der Under The Radar-Genies, der mehr von allem verdient: mehr Aufmerksamkeit, mehr Wertschätzung, aber auch, dass sich die Hörerschaft einfach mehr Zeit nehmen sollte, sich mit seinem musikalischen Oeuvre zu beschäftigen. Denn bislang ist es für mich und uns ein zusätzlich glücklicher Umstand, dass er seine Alben auf Bandcamp for free raushaut(!). „Access“ ist genau wie seine vorherige „Forlorn LP“ wieder so dermaßen künstlerisch wertvoll geworden, dass ich mich normalerweise in den Sessel hauen müsste, das Album komplett andächtig durchhören sollte und erst dann das Review schreiben. Nur so würde ich dem Joel und diesem Longplayer gerecht. Es ist nämlich gar nicht so einfach, ad hoc hier Favoriten herauszupicken, da jeder einzelne Song einen ganz eigenen Charakter mitbringt. Mein Favorit ist glaube ich „One Take“: unschlagbar klassischer Liquid mit jazzigem Vibe und Piano (I call it „Jazzstep“, Anm. d. Verf.). Doch Vorsicht: Joel kann’s auch krachen lassen! „Skål!“ ist mein zweiter Favorit. Eine karrikierende Nummer mit Zeichentrick-Sounds und echt böser Bassline! „Inception“ ist ein weiterer Roller mit Bristol-Effekt, während das Gros des Albums schon in die liquide Richtung geht. Doch das geschieht immer mit der Extraportion Jazz bzw. Funk und hält stets spannende Sounds mittendrin bereit, die sich darauf freuen, von euch entdeckt zu werden. Access Sevin’s work peeps, it’s worth it! (Metric)
Release: 29.11.2022
Label: Bandcamp
Katalognummer: –
Wertung: 8/10
Headroom – “Away EP”
Keine Review-Runde ohne Release aus dem Rollers-Bereich! Wieder einmal ist der Artist schon länger ein Begriff, näheres über ihn zu finden, gestaltet sich jedoch schwer. Dabei kann sich die Labelliste seiner bisherigen Releases durchaus sehen lassen: Incurzion Audio, Identity, The Mob, Demand und jetzt Engage Audio. Nun gibt’s zur „Away EP“ an sich gar nicht so viel zu sagen. Amtlich produzierter Techstep, die Drums sitzen fest im Sattel, die Tunes sind clean as f und die Basslines drücken den Schweiß aus’m Bart. Wenn ich was kritiseren will, dann, dass mich Arkaik hier mit seinem Remix nicht abholt. Ich kann mit diesem immer häufiger zu hörenden Rollout-Offbeat einfach nix anfangen. Tut dem Rest des Releases zum Glück keinen Abbruch. In einem Forum las ich: „Headroom ist der Raum, den man hat, um clean zu spielen“. Hiermit spreche ich explizit die Empfehlung aus, diese cleanen Tunes laut und auf ner guten Anlage zu spielen! (Metric)
Release: 25.11.2022
Label: Engage Audio
Katalognummer: ENG028
Wertung: 8/10
Various Artists – „Take-Off“
Wenn es ein Land gibt, das meinen DnB Geschmack am besten beschreibt, ist es die Niederlande. Zu den etablierteren örtlichen „Big Playern“ Liquicity, Blackout und DIVIDID gesellt sich nun ein brand neues Label dazu: SKY BASS Records! Wie viele andere (hallo!), ist SKY BASS Hauptmitbegründer POLYMATHIC in den dunklen Tagen der 2020er Lockdowns das erste mal mit dem DJen in Berührung gekommen. Nach und nach hat er seine Künste dabei mit immer mehr Leuten geteilt, erst über seinen eigenen Twitch Kanal, dann bei eigens organisierten Community Events und schlussendlich dann auch im Real Life™️! Da er auch selber stark am Produzieren interessiert war, hat er die Eventserie mithilfe seiner über die bisher geknüpften Kontakte kurzerhand in ein Label erweitert, dessen ersten Release wir nun bestaunen können. Neben POLYMATHIC selbst, geben sich auch andere mir (vorher) komplett unbekannte Namen wie Hexa Wolf, Everest, Ghillez und Malve die Dancefloor-Klinke in die Hand, während JFRY und Astreaux eher auf die aggressivere, techy Schiene fahren und die beiden Namensvettern Falco und Falcon uns auf eine Exkursion in’s Düst’re Eck führen. Schöner stylistischer Rundumschlag von Leuten, von denen man sicherlich in Zukunft mehr hören wird! (Lennart Hoffmann)
Release: 03.12.2022
Label: SKY BASS Records
Katalognummer: SKYBASS001
Wertung: 8/10
Various Artists – „25 + 2 Years Of Ly Da Buddah – The Remixes“
27 Jahre Lüdde. Bei so jemandem wie dem Braunschweigischen Dorfschamanen Oliver Lüddecke muss man echt gar kein Intro mehr schreiben. Wenn man auch nur einmal in den letzten paar Jahren in Deutschland raven war, hat man das Energiebündel mit hoher Wahrscheinlichkeit schon live gesehen. Selbst wenn nicht, ist es durchaus möglich, dass einem die drölfzig-Awards-gewinnende Legende irgendwo mal untergekommen ist. Für sein, dank Corona, zwei Jahre nach hinten verschobenes Jubiläumsjahr, hat er sich nun die Crème de la Crème an deutschen und internationalen Producern für ein riesiges Remixalbum der besten Buddah Originals zusammengetrommelt, welches er zusammen mit einem starken Best Of Album und einer riesigen Menge an anderem spaßigen Content als schicke Box verkauft. Da ist sogar ein Kochbuch drin, verdammt noch mal! Anyway, wir sind ja hier für die Musik. Da gibt’s nicht nur grandiose hochenergetische Remixe von Veteranen wie Zombie Cats und Jon Void, auch zwei meiner liebsten deutschen Newcomer, Runnix und HVZY, lassen es sich nicht nehmen, die Hütte mit ihren Remixen abzureißen. Neben der Zombiekatzen haben auch noch Brazed, Kursiva und Bassface Sascha dem Buddah Banger Bada Boom in ihre jeweiligen Stile transformiert. Deep und Darke Vibes werden von Drumantle und Smeerlapp serviert, aber keine Sorge, natürlich gibt es auch jede Menge Reggae-angehauchte Jump Up Remixe von Brian Brainstorm, Agro und Tomoyoshi. Zu guter Letzt gibt es noch ein paar extra Lüdde Goodies, in der Form von einem VIP von Hypernova, dem Bonustrack Tetris und einem Rework vom Sommerhit Love, mit niemand Anderem als MC Fava. Insgesamt einfach ein spaßiges Paket, in dem vor allem Smeerlapp, Runnix und Brazed überzeugen! (Lennart Hoffmann)
Release: 15.12.2022
Label: Monkeejuice
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Avile – „Criminal“
Wir befinden uns im Jahre 2022 nach Andreas Christus. Ganz England ist von den Jump-Up Wobblern besetzt… Ganz England? Nein! Ein von unbeugsamen Neuroliebhabern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Okay, es passt nicht ganz. Es ist kein Dorf, sondern ein Label: Neuroheadz! Frustriert von der vor Ort sehr beschaubaren Auswahl an Events mit Fokus auf härteren Sound, haben sich vor knapp mehr als einem Jahr ein wilder Haufen Bristolaner gedacht, hey, warum buchen wir uns nicht selber einfach die Leute zusammen, die wir geil finden? Gesagt, getan und schon gab’s auch schon das erste Neuroheadz Event, mit Prolix als Headliner! Getrieben vom Erfolg dieses ersten Events, haben sie ihre Neuro Eventserie bereits auf Städte wie Manchester, London und Cardiff ausgeweitet, mit Headlinern wie A.M.C, Pythius und Burr Oak, aber auch UK-basierten Newcomern wie Cyntax, Kaizen Flow, Konquest und FOLD. Mitte des Jahres haben sie dann schlussendlich auch den Sprung zum „vollen“ Label mit ihrem ersten eigenen Release gewagt. Die ganze Arbeit hat sich auch redlich ausgezahlt, denn Anfang Dezember gab’s direkt den 3. Platz in der „Best Newcomer Label“ Kategorie bei den D&B Arena Awards! Glückwunsch an der Stelle noch mal! Zu der Reihe an bereits releasedten Neuroheadz Bangern gesellt sich nun der Norwege Jon „Avile“ Rasmussen, der auch schon mit seinem Beitrag zu Neuropunk’s „PATRONS“ Compilation positiv aufgefallen ist, dazu. Mit dieser neuen kriminell gut nach vorne treibenden Single „Criminal“ gibt er dabei ein wunderbares Beispiel für den Sound, den Neuroheadz so super macht: Böööser Bass, dicke Drums und allerlei maschinelle Melodien. (Lennart Hoffmann)
Release: 12.12.2022
Label: Neuroheadz
Katalognummer: NH006
Wertung: 8.5/10
-/-
Keeno – „Lights On“
Und zum Schluss noch mal ein brandneues Label! Aber keine Sorge, dieses Mal solltet ihr durchaus vertraut mit dem Gründer und Hauptartist sein. Rund 10 Jahre lang ist William Keen-„o“ schon in der DnB Szene unterwegs, 9 davon unter den Fittichen von Hospital Records, in denen er zu *dem* Vorzeigetalent für ihr Tochterlabel Medschool (RIP) wurde. Nach vier Alben und etlichen EPs und Singles unter jenem Management wurde es für ihn dann im Februar aber auch endlich Zeit, andere Optionen in Betracht zu ziehen. Und so hat er sich daran gesetzt, sein eigenes Label aufzubauen, was unkomplizierterweise „Keeno Music“ getauft wurde und diesen Dezember endlich sein Debüt feierte. Mit „Lights On“ erfüllt er die depressiv-dunklen Wintertage mit so wunderbar warmem Liquid-Licht, dass selbst die kältesten Herzen schmelzen. Wie man es von ihm gewohnt ist, gibt es dabei jede Menge tolle atmosphärische Vocals, Bässe die einem die Ohrmuscheln massieren und vor allem absolut bezaubernd-phänomenale Klavierpartien. Ganz großes Keeno. (Lennart Hoffmann)
Release: 02.12.2022
Label: Keeno Music
Katalognummer: KEENO01
Wertung: 9.5/10