Montee – „Her“
Nachdem ich letztes Mal ja schon Rebko (viel zu spät) für mich entdeckt hatte, hab ich diesmal mit dem Kölner Jung Montee direkt noch mal einen neuen Name aus der Ecke für euch! Begonnen hat Christopher Panitz seine Reise durch das DnB Universum mit Step Videos, aber es dauerte nicht lange bis er mehr wollte und so kurzerhand die übliche Pipeline vom Fan zum DJ zum Produzenten durchquert hat. Früher noch als „Untight“, hat er dabei so einige tighte Sachen selbst rausgebracht, aber so richtig zufrieden war er damit noch nicht. Durch die Pandemie-bedingte Pause hatte er dann plötzlich Zeit, seine Skills mal etwas aufzufrischen, und Ende 2021 war er dann soweit, noch mal von vorne anzufangen. Als Montee hat er dann nicht nur beim großen unterfokussierten Wiedervermischungswettbewerb teilgenommen, sondern hat’s sich 2022 mit seiner Debüt EP dann auch gleich auf dem Kölner Label PLAY! Music gemütlich gemacht. Der große Durchbruch kam dann aber Anfang des Jahres, als er seinen über Weihnachten gebastelten Düster-DnB-Techno-Hybriden „Duality“ auf TikTok präsentierte. Knapp 4 Millionen Views und eine solide Million Streams auf Spotify später, war der Druck für das Sequel durchaus spürbar. Mit „Her“ hat er meiner Meinung nach aber den exorbitant hohen Erwartungen super standgehalten! Ähnlich wie sein Vorgänger, gibt’s wieder four-to-the-floor Beat Action, aber diesmal geht vibetechnisch nicht die Welt unter, sondern wir schweben auf einer wunderschönen House-Wolke durch den Frühling. Die Vögel zwitschern, der Beat bounced, die Synths melodiösen so vor sich her, die Breaks bringen den Puls zum Ende wieder runter, macht echt was her der Track. (Lennart Hoffmann)
Release: 31.03.2023
Label: Montee
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Scurrow – „Excuse You“
Vom Westen Deutschlands springen wir in den tiefsten Osten, direkt nach DnB Metropole Dresden! Ursprünglich aus Großenhain stammend, aber inzwischen schon länger in eben jenem Urge To Move Hauptsitz ansässig, war Paul Gäbler der örtlichen Bassmusik-Szene nie wirklich fern. Schon seit 2014, als er noch in seinen Teenagerschuhen steckte, hat Paul seine eigenen Beats gezaubert und später dann unter seinem Alias „Destract“ mit der Welt geteilt. Begonnen hat das Ganze mit feinstem Dubstep-Geschrammel, über die Zeit hat er’s dann aber auch mit schnelleren Tempos aufgenommen. Auf UTM’s eigenem Label konnte man schon seine ersten Jump Up Erzeugnisse (Jump Up ist ja quasi nur schneller Dubstep!) bestaunen, seit dem Namenswechsel zu „Scurrow“ in 2020 sind da allerdings auch noch einige andere internationale Namen wie Zombie Recordings oder Good4Nothing hinzugekommen. Schon früh schwang in seinen Produktionen auch ein etwas düsterer, techier Sound mit, weshalb es auch rein gar nicht überraschen sollte, dass man ihn ebenfalls auf Labels wie Diascope, Delta9, Sinful Maze oder Onyx entdecken konnte. Mit seinem Release auf dem britischen Dancefloor-und-eigentlich-alles-andere-auch Imprint Grand Theft Audio ist er dann sogar auf UKF gelandet! Geil! Diesen Monat hat es den Audiowissenschaftler zu den guten Jungs von In The Lab Recordings verfrachtet und reiht sich damit in eine Reihe großartiger Talente wie Puzzle oder Vici ein. „Excuse You“ strotzt dabei nur so vor nach vorne treibenden Basssticheleien, riesigen Wellen aus Sound und wirklich aller möglichen Arten von Drums. Faszinierend! (Lennart Hoffmann)
Release: 24.03.2023
Label: In The Lab Recordings
Katalognummer: ITL029
Wertung: 8.5/10
ATMOS – „Don’t Tell Me EP“
Zwar ist Belgien eher für die ohrenzerstörendsten Arten von Jump Up (ich schwöre ich lieb’s) und vor Lasern nur so strotzenden Indoor Festivals (ich schwöre ich lieb’s) bekannt, wer etwas genauer schaut, findet dort allerdings auch so einiges anderes Interessantes. Beispielsweise Tjorven „ATMOS“ Vos! Der junge Belgier hat, wie man es auch erwartet, zwar mit von Dominator und Hedex inspiriertem Jump Up angefangen, ist nach einer Kreativpause und einem überwältigend guten IMANU b2b Buunshin Set beim Rampage Open Air dann aber doch auf die außerirdischeren Töne umgesattelt. Seit seinem Phönix-aus-der-Asche-Moment in 2022 hat er dabei so einiges an Dubs und IDs geteasert, was so seltsam und trotzdem so verdammt gut klang, dass Lockdown-Queen Georgie Riot ihn direkt für ihr Label Riot Records unter Vertrag genommen hat. Knapp ein halbes Jahr an Hype später und der 5 Stationen anfahrende „Don’t Tell Me“ Zug ist dann nun auch endlich Realität! Ob nun der 2/3 Titeltrack „Don’t Tell“ mit seinem mehrschichten Vocalzerhacke, der kurzweilige „I’m Feeling Okay“ mit der gelungenen Balance zwischen Glitch und Entspannung, „Healing“ mit der wunderbaren Gesangsperformance von Eda Hinkova und dem extra breakigen Flair, „Undecided“ mit der komisch-guten Piano-Maschinengewehr-Melodie oder „Imagination“ mit seinen die eigene Vorstellungskraft übersteigenden Dissonanzen, hier gibt’s ’ne Menge zu bestaunen. Und dabei hab ich nicht mal einen einzigen ATMOS-phären Witz gemacht! (Lennart Hoffmann)
Release: 06.04.2023
Label: Riot Records
Katalognummer: RR012
Wertung: 8.5/10
Ruzer – „The Best Of Me EP“
Ruzer? Epidemic Electronic? Hö? Ist eine etwas längere Geschichte. Kurzform: Hinter Ruzer steckt der schwedische Musiker Niklas Ahlström, aus der schönen Stadt Uppsala. Dass seine Tunes so fett sind, ist allerdings absolut kein Zufall. Für die oben bereits genannte lizenzfreie Song Bibliothek hat er seit rund einer Dekade nun schon alles mögliche von Indie Pop als „Pearce Roswell“, Pop unter „Crystal Shards“ und Dubstep als „Splasher!“ bis hin zu Future Bass als „oomiee“ und noch einmal Indie Pop, diesmal aber als „Nothanks“, hervorgebracht und so ein extremst solides Fundament an Produktionsskills angesammelt. Seit 2019 treibt er nun auch in der DnB Szene sein Unwesen, mit einer grandiosen EP nach der nächsten. Ihr glaubt mir nicht? Hört euch einfach die neueste Platte des Schweden, „The Best Of Me“, mal an, dann wisst ihr was ich meine! Schon der Titeltrack zerballert alle Zweifel, die man so haben könnte, mit tollen Klavier- und Pfeifklängen und einer Lawine aus Bass, die direkt aus der Feder gewisser Schnitzelfanatiker aus Österreich stammen könnte. Auf „Nitro Boost“ legt Ruzer mit peitschend-rollenden Drums und Neurobässen dann noch mal den titulären Beschleuniger ein und mit „Alien“’s schmutzig-verzerrten Bässen ist die Transformation zum Neurosound dann auch komplett vollendet. Wieder einmal großartig! (Lennart Hoffmann)
Release: 24.03.2023
Label: Epidemic Electronic
Katalognummer: 7330178104754
Wertung: 9/10
Myselor – “Soul Power EP”
Klassische Genre-Tunes haben ja ehrlich gesagt keinen leichten Stand. DnB lebt heutzutage mehr denn je von Anleihen, Querverweisen, musikalischen Einflüssen aller Art oder bildet gar Crossovererzeugnisse mit anderen Musikrichtungen. Zu meinem Leidwesen kommen dann auch noch immer häufiger Vocals oder kitschige Melos hinzu. Geschenkt. Denn bestenfalls wird bei einem Set jeder musikalisch an irgendner Basshaltestelle abgeholt. Ich persönlich entwickle allerdings einen gewissen Respekt für Protagonisten, die schlicht ein klassisches Subgenre bedienen und sich vom ganzen rundherum tummelnden Gedöns nicht beirren lassen. Im Falle der “Soul Power EP“ des Schweizers Myselor handelt es nicht nur um reinrassigen Neurofunk. Das Produktionslevel ist überdies allererste Kajüte! Bei Blackout ist er da zwar in guter Gesellschaft, doch irgendwie empfinde ich seinen Sound als noch einen Ticken frischer, kraftvoller und vielfältiger arrangiert. Würde mich jemand nach einer Empfehlung für einen Producer für kontemporären Neurofunk fragen, so würde ich Myselor unter die Top 3 benennen. Diese EP untermauert das jedenfalls eindrucksvoll. Meine Favoriten sind „Everything“ und „Inner Outer“ – zwei bockstarke Dancefloor-Nummern mit strammer Snare und melodisch-massiven Background-Soundscapes. Irgendwo zwischen The Clamps bzw. Burr Oak und Teddy Killerz verortbar. Der Titeltrack „Soul Power“ ist ähnlich gestrickt, lässt uns jedoch mit epischem Intro bzw. Buildup bis zum erlösenden Drop ganz schön schmoren. Dann ist da noch „Universalis“. Habe ich obig noch Melodisches gegeißelt, so ist dieser Track hier so was wie die versöhnliche Nummer zwischendurch und erinnert mich wiederum an ältere Sachen von Chords oder den Brookes Brothers. Den Abschluss macht „Center“. Das Teilchen tendiert auch eher zu Uplifting, denn zu Neuro, behält aber wie alles vorherige der EP den Dancefloor fest im Blick. Ich habe den Titel „Soul Power“ für mich weniger als Kraft der Seele interpretiert, als viel mehr Kraft FÜR die Seele. Diese EP tut einfach gut! (Metric)
Release: 03.03.2023
Label: Blackout Music NL
Katalognummer: BLCKTNL133
Wertung: 9/10
Stillz – “Battlefield EP”
Nick The Lot gehört zu den Senkrechtstartern bzw. Schnellzündern im DnB. In meiner Erinnerung einst 2018 mit ner Single auf Tykes Holographic gestartet (oder es war doch auf Grid, wenn man Discogs Glauben schenken mag), gründete er nach hochfrequentem Releasen folgerichtig 2020 das eigene Label Pick The Lock Records. Mit der „Battlefield EP“ von Stillz aus Brighton ist man nun auch bereits bei Katalognummer 46 angekommen. Während der Titeltrack „Battlefield“ (feat. Pengo & Spooka) eine in Gänze aus JumpUp bestehende EP
verheißt, so wird der geneigte Hörer bereits bei Track 2 „Done It Again“ eher in Richtung Bristol, Sofa Sound und DLR getrieben. Das Ohrenkino hält weiterhin bereit: „Catch On“ – ein nervöser Staccato-Stepper; „Transmit“ – eine kratzige Gully-Nummer mit Funkgerät auf Empfang sowie „Better Now“ – ein Hybrid aus Roller und JumpUp mit screechy Synth kurz vor Schmerzgrenze. Mein heimlicher Fav. ist jedoch Titel 6: „Dub Siren“ – ultrazwingender Roller mit durchgehend waberndem Subbass. Dazu ein kurzer clanging Soundsnippet, als würde Stillz mit dem Löffel an die Tasse klopfen, um (s)eine Rede zu halten. Botschaft angekommen, Joe! (Metric)
Release: 17.03.2023
Label: Pick The Lock Records
Katalognummer: PICKLOCK046
Wertung: 8/10
Leaf – “Jazz Club EP”
Das wird auch Zeit, dass der Meister der Gullyness mal ein Review bekommt! Verfolge ich Leaf schließlich seit Day One. Sein Style ist einfach so unique, die Tunes mitunter trocken wie ein Cabernet Sauvignon und wecken Assoziationen an frühere Sachen von Jonny L. Und ähnlich wie Twisted Individual kommt Aaron mit diesem weinseligen (das Gegenteil von bierernst, ehrlich!) Humor daher, um mal in obigem Bild zu bleiben. Er hat im besten Sinne einen an der Fliegenklatsche, nur so kann ich mir Tracks wie „Jazz Club“ erklären. Wer beim Hören nicht instant in den Bassface-Mode kommt, der sollte sich echt ein anderes Genre suchen. Die Basslines drücken durch die Hose wie das nach’m Genuss eines von Serums Curry der Fall sein dürfte. Durch Dave vom Vision Radio weiß ich, dass hier Samples aus der 90er-Comedy-Serie „The Fast Show“ verwurstet wurden. Und während diese das Ding so grotesk machen, sorgen die jazzigen Sounds für einen unwiderstehlichen Groove. Großes Kino! Tatsächlich fallen die restlichen Tunes der EP nach so einer Vorlage etwas ab. „Fire Links“ liegt mir da noch am nächsten. Der slammt recht proper jungly. Die anderen beiden Titel haben diesen Broken-Beat-Rollout-Duktus, den ich persönlich zugunsten der straighteren Tracks eher meide. Zu erwähnen ist noch der Titel zu Track 4: „Orgasmic Ritual“ – da ist er wieder, der Twisted Individual-Moment. Wahrlich, ich sage euch: DnB braucht mehr Typen mit schrägem Humor! (Metric)
Release: 03.03.2023
Label: TrES-2b MUSIC
Katalognummer: TRES008
Wertung: 8/10