Imou – „Mars EP“
Die Stellar Audio Leute sind auch so ’ne Schlingel. Wie viele anderer ihrer Art, begaben sich die Bristolaner, allen voran Label-Oberchef Iwan Lewis, vor gut 3 Jahren auf die Labelreise mit ein paar coolen Free Downloads. So weit, so normal. Dass sie seitdem allerdings regelmäßig wirklich ungeheur gute und gleichzeitig meist fast komplett unbekannte Talente, wie z.B. Puzzle, Niallo oder Impartial, unter ihre Fittiche nehmen und dazu auch noch grandiose Artworks haben, das ist dann doch etwas ungewöhnlich. Spätestens seit dem Beginn ihrer „Sol“ EP Reihe sollte wirklich jeder, der auch nur ansatzweise den Bristolanischen Sound feiert, Stellar Audio seine volle Aufmerksamkeit schenken. Für die vierte EP eben jener Reihe haben sie sich nun wieder einmal ein mir komplett unbekanntes Talent geschnappt: Imou! Den Österreichern unter euch könnte der Name Timo Sadler eventuell ein Begriff sein, und wenn nicht, dann vielleicht sein Dubstep’n’Bass Duo Direptic. In allerlei Clubs im Salzburg- und Oberösterreichbereich (was für ein Wort) haben die beiden für so einige Schäden an den Relingen gesorgt, mal als Support für die Pegboard Nerds, mal als Vorspeise für Spag Heddy. Seit 2018 ist Timo auch schon eifrig am produzieren, erst mit Direptic Dubstep Edits, aber ab 2019 dann auch mit dem ein oder anderen DnB Remix. Rund 2021 gab’s dann die ersten genre-fluiden soundtechnisch bereits extremst schmackhaften Solofrüchte zu hören, und knapp 2 Jahre später sind wir dann auch endlich bei der „Mars“ EP angekommen! Selbst wenn ich nichts zu seiner Backstory erzählt hätte, auf dieser Debüt EP des Newcomers sind die Multigenreeinflüsse gar nicht zu überhören. Auf „Migraine“ mit Madrush „Mhhh, Back Again!“ MC am Mic gibt es zwar erst die volle Breitseite düsterer Bässe im üblichen 170er Rhythmus, in der zweiten Hälfte werden wir dann aber sanft immer und immer weiter in die Untiefen der langsameren Tempos herunter befördert. „Gradient“ bleibt den Trommelbässen zwar bis zum Schluss treu, fährt dafür aber mit extra coolen Synths und einer gehörigen Portion extra Wumms auf, während „Concentrate“ uns ebenfalls auf eine wunderbare Reise vom grandiosen techy DnB zum bedrohlich-ballernden Halftime nimmt. Geil! (Lennart Hoffmann)
Release: 10.03.2023
Label: Stellar Audio
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Archangel – „Android Waltz EP“
Wer Fokuz ist, muss man glaub ich gar nicht mehr erklären. Seit bald 25 Jahren (!) geben die Holländer mit Fokuz, Celsius, Citrus, Influenza und noch 20 anderen Unterlabeln einer schier unendlichen Menge an Szene-Neuankömmlingen eine Plattform, aber kaum einer war dabei jemals so interessant und gleichzeitig so mysteriös wie Archangel. Ende 2022 droppte er in kürzester Zeit einfach mal so acht Tracks auf dem Label und es weiß einfach keiner, wer dafür denn jetzt eigentlich verantwortlich ist. Nicht einmal die Fokuz Labelinhalber selbst! Umso erstaunlicher ist es deshalb, wie fantastisch gut diese Tracks alle sind. Selbst auf dem nun dritten Release ohne Infos, der „Android Waltz EP“, kann Archangel nicht anders, als uns wieder einmal 4 absolute Banger zu präsentieren. Titeltrack „Android Waltz“ kombiniert richtig lässige spanische Gitarrenklänge mit einem alles zerfetzenden Bass, auf „Joshua“ gibt’s eine sechseinhalb-minütige (!) Reise voller purer Rollervibes mit einigen Prisen verschiedenster Vocal Samples, „Home“ zeigt, wie gut unser maskierter Rächer mit Pianos und atmosphärischen Gänsehaut Vocals umgehen kann und „Riverman“ schließt das Ganze noch mal mit gruselig gutem Bass und perfekt bearbeiteten Vocals ab. Es gibt schon einen Grund, weshalb selbst orchestraler Maestro Keeno sagt, dass Archangel das „Next Big Thing“ sein wird! (Lennart Hoffmann)
Release: 20.02.2023
Label: Fokuz Recordings
Katalognummer: FOKUZ23219
Wertung: 9/10
Matec – „Brimstone/Calathea“
Jaja, ich weiß, T3K Recordings und ihr neues wohltätiges Projekt PROT3KT hatte ich letzten Monat erst hier. Als ich allerdings ein paar Tage später dann gesehen habe, dass Matthias „Matec“ Beck auch mit am Start ist, wusste ich sofort, dass ich wohl doch noch mal nachlegen muss. In den fast zwei Jahren seit dem ersten Mal als ich über das deutsche Nachwuchstalent berichtet hatte, hat sich nämlich so einiges getan. In kürzester Zeit konnte er auf seiner Labelbingokarte Deep & Dark Größen Delta9, Detached, Calibrate und Yamatai abhaken, Uploads gab es mehrfach auf Skankandbass, Basilisk Bass und Forbidden Frequencies und der Support von anderen Artists nimmt inzwischen auch enorme Ausmaße an. Würde mich echt nicht wundern, wenn min jung bald auf VISION Radio landen würde. Aber genug genamedropped, was gibt’s denn nun auf der neuesten Scheibe zu hören? (Ma-)Techiges Geballer, natürlich! Erst gibt’s auf „Brimstone“ bodenerschütternde Bässe, melancholische Melodien und sich immer weiter entwickelnde, einen irgendwann komplett überwältigende, die Realität verzerrende Kompositionen, dann werden auf dem bop-bop-bop-Banger „Calathea“ eine wobbelnde Welle aus Bass nach der anderen auf uns gehetzt, während wir von Drums, die schneller als ein Kolibri umherflattern, nach vorne gepeitscht werden. Ein wahres Mat3ksterpiece! (Lennart Hoffmann)
Release: 09.03.2023
Label: T3K
Katalognummer: PROT3KT004
Wertung: 9/10
Rebko – „Shake It“
Nach außen hin könnte es manchmal so wirken, als ob wir in Deutschland nur so’n paar große Produzenten haben, und dann hört’s auch schon wieder auf. Je länger man jedoch sucht, desto mehr wird man dann auch fündig. Selbst nach X Jahren des Suchens geht es mir noch so! Erst vor ein paar Tagen ist mir schon wieder ein neuer Name untergekommen: Jan Rebensburg, auch bekannt als Rebko! Zwar ist Jan schon seit 2013 quasi fester Bestandteil der Kölner Szene, mit regelmäßigen Auftritten beim Nibirii Festival, auf der Nature One und bei Liquicity’s deutschen Events, aber als jemand, der ganze ein (in Zahlen: 1) Mal dort raven war, könnt ihr es mir hoffentlich verzeihen, dass ich ihn noch nicht auf dem Schirm hatte. In 2021 feierte Jan dann endlich auf dem wunderbaren Kölner Dancefloor Label PLAY! Music mit Labelinhaber Jaycut sein Produktionsdebüt, und nun, rund anderthalb Jahre später, geht die Fete endlich weiter, mit „Shake It“. Und was für eine Fete es ist! Hier gibt’s nicht nur Ohrwurm-Melodie, munter federnde Bässe und kraftvoll tanzbare Drums zu hören, in der zweiten Hälfte wird sogar noch mal der 4×4 Motor angeworfen! Macht einfach richtig Bock der Tune. (Lennart Hoffmann)
Release: 10.03.2023
Label: PLAY! Music
Katalognummer: PLAYMUSIC019
Wertung: 8/10
Noisia – “The Resonance V“
Normalerweise traue ich mich an so große Veröffentlichungen von großen Künstlern bei meinen Reviews gar nicht erst ran. Zu hohes Risiko, da jemandem nicht ausreichend gerecht zu werden. Bei Nummer fünf der „Resonance“-Remix-Compilation-Serie kribbelte es dann doch in den Akren. Denn für mich persönlich handelt es sich bei dieser Ausgabe um die bislang stärkste der Reihe. Dabei war und ist Noisias Intention bei diesem Projekt so simpel wie effektiv, nämlich den 20 Jahre starken Backkatalog an so viele Remixer wie möglich zu geben. Wer wie ich treuer Hörer von Vision Radio ist, weiß, wie musikalisch offen Noisia stets geblieben sind. Dementsprechend haben sie auch eine riesige Bandbreite an Remixern (meist enge Verbündete bzw. befreundete Artists) und Subgenres für die Resonance-Compilations aufgebaut. Im Falle der hier vorliegenden Nummer V handelt es sich um ein Verhältnis von neun DnB-Nummern zu sechs Remixen im diverseren BPM-Bereich der Bass Music. Opener und für mich gleichzeitig die Krönung des Samplers ist „Anomaly (Annix Remix)“. Verzeiht die Vokabel, aber ich liebe das Maschinengewehrrattern bei gleichzeitig unverkennbarem Annix-Trademark-Sound. DnB-Beat im ersten Part und Tech-Beat im zweiten Teil des Tracks inklusive! Zweiter Favorit ist der Fade Black Remix von „Get Deaded“. Nach dem grandiosen Remix für Emperor nun also ein weiterer Smasher und auch in diesem Remix findet sich reichlich Guntalk. Als dritten Favoriten habe ich die Former Tunnel Version von „The Tide“ ausgemacht. Aus dem durch und durch gebrochenen Offkey-Original hat Former hier eine Technomaschine gemacht. Love it! Übelst solide weitere DnB-Remixe kommen u.a. von Molecular, Kasra, Moytra mit einer Halfstep-Version von „The Entangled“, Dez (eine Hälfte der BassBrothers), aber auch Protagonisten, um die es ein bisschen ruhiger geworden ist, wie z.B. Icicle (ebenfalls mit reinrassigen Technoparts in seinem Remix von „Machine Gun“) und Billain, der „Stigma“ verschnitzelt hat. Über die Trap / Dubstep-Nummern schweige ich mich aus. Da hab ich zu wenig Ahnung von. Habe auch noch nix gelesen, wie viele Episoden der Serie es geben wird. Von mir aus können die Jungs das Dutzend herzlich gern voll machen. Go on Noisia! (Metric)
Release: 17.02.2023
Label: Vision Recordings
Katalognummer: VSN105D
Wertung: 8/10
Proton Kid – “Retech EP”
Der rumänische Musikproduzent, Grafikdesigner und Graffitikünstler Proton Kid ist wie ich ein Kind des Techno. Und so ist’s kein Zufall, dass nach vielen Jahren scheinbarer Inaktivität (zumindest des Producers Proton Kid), meine Wenigkeit seine neue EP mit in die Reviews nimmt. Der Großteil seiner mir bekannten Tracks (inkl. Collabs & Remixe) stammt aus einer Zeit, als noch Artistnamen wie Absurd, Eiton, Infamous, Mystification oder The Sect kursierten, die heute vermutlich kaum noch jemand kennt. Nun ist er wie gesagt mit neuer EP auf dem frischen Label GIIDUP Music am Start (Katalognummer 003) und präsentiert den altehrwürdigen rollenden technoiden Pre-Neurofunk im Gewande modernen Sounddesigns („Retech EP“ eben!). Die vier Tracks der EP, praktischerweise alphabetisch geordnet, schnoddern herrlich vor sich hin. Mein Favorit ist ganz klar „Kabal“. Durch den leichten Versatz von Drums und Bassline, nimmt dich zum technoiden Grundvibe zusätzlich die rollend-zwingende Komponente in den Schwitzkasten. Formidabel! Ich hoffe sehr, dass sich Proton Kid nicht so viel Zeit für sein nächstes Release nehmen wird. In der Nischenposition sticht sein loopbasierter Techno-DnB nun plötzlich wieder aus der Masse. (Metric)
Release: 01.02.2023
Label: GIIDUP Music
Katalognummer: GIIEP003
Wertung: 8/10
Skulpt – “None EP”
Okay, Xaetis ist also das Medium für Skulpt bzw. derjenige, der für diese Debüt-EP des französischen Artists gesorgt hat. Dabei ist Xaetis selbst ein Mysterium, den noch nicht so viele auf’m Zettel haben, dies aber haben sollten. Und der bildet nun bereits einen Trieb aus?! Na dann passt mal auf, dass euch Sinful Maze nicht überholt. Das Imprint ist ganz vorn am Bug, was das Abgreifen von neuen Talenten angeht. Während sich die Beatport-Beschreibung zum Release wie ein Groschenroman auf Sci-Fi liest, ist die Musik alles andere als langweilig. Sinful Maze-esk erwartet euch hier viermal sophisticated DnB: high pitched snares, stabby percussion, stringy oder bleepy Melos bei reichlich Bass unterm Kessel. Der Kreis schließt sich für mich mit der Kollaboration mit Xaetis für „Ufo“. Der Track schafft es, im Vergleich zu den anderen drei Stücken, noch ein bisschen Materie mehr draufzupacken. Skulpt ist jedenfalls nun nicht mehr none. Wir haben dich im Teleskop, Bruder! (Metric)
Release: 24.02.2023
Label: Sinful Maze
Katalognummer: SFM018
Wertung: 9/10