Akov – “Lost In Silence”
Nach Stationen in Bristol und Wien ist der inzwischen in Wien ansässige Alexander Ushakov zurück auf Eatbrain. Klanglich mögen die Lebensorte ihren jeweiligen Einfluss auf seinen persönlichen Sound genommen haben, doch wie genau und in welcher Intensität, bleibt nebulös. Freilich habe ich Akov bis dato zuvörderst als Neurofunk-Künstler gesehen und doch ist es erstaunlich, mit wie vielen fruchtbaren musikalischen Zusätzen er diese EP angereichert hat. Opener „Phukdroid“ hat mich indes direkt gecatcht. Nach einem wunderbar jazzigen laidback Intro mit Piano und Pipapo hat Akov tatsächlich die Chuzpe, einen funky-stabbigen Neurodrop zu bringen. Ich meine, man kennt die Synthese von Jazz und Liquid (nenne ich gern Jazzstep), doch die Fusion von Jazz und Neuro hört man nicht so oft. Akov löst das hier meisterlich. Tune! Direkt danach folgt mit „Lost In Silence“ die Antithese. Es ist nämlich eine Symbiose mit seiner Band „Aenygma“ und somit wird aus dem Track eher Metal´n´Bass. Nicht genial, aber mehr als solide! Track 3 ist eine VIP des 2019 erschienenen „U Want It“ mit dem niederländischen MC Multiplex. Zu guter Letzt hat er sich er sich das polnische Duo Tesseracts geschnappt und eine 140er-Nummer gestrippt, bei deren Titel „Chug Norris“ er auch noch seinen höchst eigenen Sinn für Humor unterbringen konnte. Ja, diese EP ist im weitesten Sinne Neurofunk – die jeweilige Ausprägung könnte allerdings unterschiedlicher kaum sein. Genug Futter jedenfalls für die Stille danach. (Metric)
Release: 01.12.2023
Label: Eatbrain
Katalognummer: EATBRAIN179
Wertung: 9/10
Flint & Figure – “The Mole”
Ich kannte Flint als Artist für Belgian JumpUp und Figure als US-Producer für Dubstep, aus einer Zeit, als es nicht genug distorten und quietschen konnte. Beim hier vorliegenden Protagonisten Flint & Figure handelt es sich jedoch offenbar um einen gänzlich neuen Einzelkünstler, dessen Herkunft noch nicht ergründet werden konnte und sich an dieser Frage bereits die Jungs von Vision Radio die Kauwerkzeuge ausgebissen haben. Nehmen wir es hin: dieser Typ ist einfach da – und zwar nicht irgendwo, sondern hierbei auf Delta9! „The Mole“ ist ein wirklich schöner 3-Tracker geworden. Auch hier geht’s mit dem Titeltrack los: tolle Soundscapes, die spoken-voice aus nem mutmaßlich alten Film sowie ein cleveres Arrangement mit viel Abwechslung und eingebettet in eine äußerst cleane Production: DnB-Liebhaber, was willst du mehr?! Und tatsächlich kann es für mich Track 2 „Under My Skin“ noch toppen. Die Basslines schrauben sich wahrlich subkutan in die Venen – beinahe wie von den stygischen Strings vorher angekündigt. Ein Meisterwerk! Titel 3 ist der Aquario Remix von „The Mole“ – kommt mit dem Fokus auf dem steppigen Beat als DJ-Tool jedoch leider nicht meine engere Wahl – einfach weil die anderen beiden Tracks so outstanding sind! (Metric)
Release: 12.01.2024
Label: Delta9 Recordings
Katalognummer: 10294216
Wertung: 9/10
Screamarts – „Duality EP“
Okay, ich konnt’s mir einfach nicht verkneifen, ein mal möchte ich dann doch noch nach Süden schauen. Und dann isses sogar der gleiche Pick wie mein Kollege ein paar Reviews weiter oben geworden! Was habe ich denn auch für eine andere Wahl, wenn der maskierte Rächer Marvin Eibl, vielleicht besser bekannt als Screamarts, soundtechnisch mal wieder komplett ausrastet?! Es gibt so einiges zu berichten über das (Mar)wienische Ausnahmetalent, aber für das Format heute beschränke ich mich mal auf die Kurzfassung: Seit 2017 bahnt er sich mit einer Unmenge an wunderschönen bis hin zu zerstörerischen Sounds seinen Weg durch die internationale Labellandschaft, von seinen Anfängen auf Moshbit, Subplate und T3K, zu regelmäßigen Features auf legendären Labels wie Dispatch, Eatbrain oder Blackout, bis sogar hin zu seiner eigenen, zusammen mit AKOV gegründeten Neurobreaks Plattform Symbiotik Records. Seit neuestem gibt’s die sanfteren Klänge auch unter dem Alias Myle Fane zu bewundern, aber heute geht’s erstmal um den Hauptact, und seinem neuesten, hirndurchzwirbelnden Viererpaket: die „Duality“ EP auf Eatbrain! Eröffnet wird das Schauspiel mit dem fachmännisch gezimmerten Staccato-Erdbeben-Hin-und-Her auf „The Ancient“, „Odokuro“ fährt neben dem recht epischen Männerchor auch noch eine Production voller abgrundtief stranger Eigenartigkeiten (im guten Sinne!) auf, auf „Punchline“ mit britischem Jump-Up-Neuro Jünger Enta gibt’s präzise Laser-Schläge ins Gesicht, bevor der auf 11 aufgedrehte Bass einem komplett die Rübe wegbläst, und „Duality“ rundet das Ganze noch mal schön mit ohrgasmus-erzwingendem Sounddesign von einem anderen Stern ab. Ohne Witz, dieser Bass erwischt mich jedes Mal. Einfach nur abgefahren. (Lennart Hoffmann)
Release: 26.01.2024
Label: Eatbrain
Katalognummer: EATBRAIN180
Wertung: 9.5/10
Screamarts – “Duality”
Und noch mehr Eatbrain-Business. Screamarts gehört zur Riege aufstrebender DnB-Producer aus Österreich. Nun, derer gibt es zwar wirklich viele, doch möglicherweise ist er es, der sich derzeit ganz besonders in und mit UK-orientiertem Sound in jene Szene hineinfräst und sich damit am Ende selbst ein großes Tor aufstößt. Gerade erst einen Gig in Bristol gespielt, erschien wenige Tage zuvor mit „Duality“ die Eatbrain180 und es sind wieder vier Tracks allererster Kajüte. Es ist doch schön, dass sophisticated DnB á la Dividid oder Neosignal mit high pitched Snares und wahnwitzig ausproduzierten Basslines nun auch seinen Platz auf Eatbrain finden kann. Insofern ist es gar schwer, hier einen der vier Titel herauszugreifen. Hier geschieht alles auf technisch höchstem Niveau, uhrwerksgleich. Am Ende ist für mich doch wieder ein Track ausschlaggebend, wo my man Enta seine Finger mit im Spiel hatte – nämlich die Collab „Punchline“. Die habe ich vor einiger Zeit bei Vision Radio gehört und sie gab mir zweierlei Grund zur Freude: zum einen über die Kooperation beider Artists und zum anderen die (Vor)freude auf das Release. Die Roundhouse-Kick-Bassline, versetzt mit den acidic Sounds ist mal wieder unnachahmlich! (Metric)
Release: 26.01.2024
Label: Eatbrain
Katalognummer: EATBRAIN180
Wertung: 9/10
Viator – „Thinking About You / Searchin'“
Ich geb‘ mir Mühe, so viele meiner liebsten deutschen Producer wie nur irgendwie möglich hier unter zu bringen. Das Ding ist: Es gibt einfach so unglaublich viele! Einer, der schon viel, viel früher hier Erwähnung hätte finden sollen, ist Chemnitzer Jung‘ Toni Welz, besser bekannt als Viator. Mit 16 Jahr, und wenn ich ehrlich bin eher so dunkelblondem Haar, hat Toni bereits die Trommelbässe für sich entdeckt, und es dauerte dann auch nicht mehr lang, bis er dann 2015 als DJ WELLER allerlei Jump Up Mixes zu Tage gefördert hat. Über die Jahre hinweg fand Toni in der Karl-Marx-Stadt-Community mehr und mehr Anklang, wurde Teil der SuddenHearing Crew, gründete mit eben jenen und der C Recordings Gang die RetuЯn Eventreihe, und, da der Sound dann doch immer mehr in die deepere Schiene ging, wurde der Großbuchstaben Name kurzerhand durch den sanfteren Satzfallnamen Viator ausgetauscht. Ab 2019 wurde dann langsam an den ersten eigenen Kreationen geschleift, aber erst 2022 gab’s wirkliche Resultate zu vernehmen – diese waren dann dafür allerdings auch direkt grandios! Auf C, Stoic Music und Interstellar konnte man ihn schon bewundern, und mit seinem neuesten Streich springt er nun sogar über den Atlantik rüber zum kanadischen 170+ Recordings, und natürlich ist es wieder einfach nur super! „Thinking About You“ schafft’s trotz allseits bekanntem Sample einem das Herz mit so einigen wunderbar wohlig-warmen Bässen und fließend-rollenden Drums zu erwärmen, und „Searchin'“ gibt einem die volle Dröhnung wunderschöner Atmosphäre – einfach toll! (Lennart Hoffmann)
Release: 01.02.2024
Label: 170+ Recordings
Katalognummer: 170PLUS23
Wertung: 9/10
Rezilient – „Voyage Through The Void EP“
Springen wir mal wieder ganz wo anders hin: Spanien! Direkt im kleinen katalonischen Dörfchen Barcelona, haust nämlich der reichlich raffinierte Rumäne Rezilient. Cristi Habliuc, der Mann hinter dem wunderbaren Sound, hat schon früher als „Chris:matic“ sein Unwesen getrieben, aber erst durch den recht richtungsweisenden Rezilient Rebrand im Jahre 2021 ging’s so richtig los. Releases mit Fokuz und Konsorten, Galacy, Bay 6 und HEADSBASS, Kollaborationen mit Humanature, Nelver, Alpha Rhythm, Mystific – das Ganze liest sich echt wie ein Who’s Who der viel zu unterschätzten Ecke der Liquid Szene. Falls euch der Name noch überhaupt gar nichts sagen sollte, gebt euch einfach mal das neueste Viererpaket hier! Ob nun „Voyage Through The Void“ mit seiner träumerischen Synth-Piepserei, „Break Free“ mit den verspielten Vocal-Chop-Sticheleien, „Fading Sunlight“ mit seinen wunderbaren Klavierakkorden, oder „Spiral“ mit der hüpfrigen Bassline – Liquid Fans kommen hier echt auf ihre Kosten! (Lennart Hoffmann)
Release: 26.01.2024
Label: Fokuz Recordings
Katalognummer: FOKUZ24247
Wertung: 9/10
Blinde – „Hanoi EP“
Dieses Mal dachte ich, ich mach mal was radikal anderes. Mal weg von den üblichen westlichen oder vielleicht auch mal südlichen Nachbar Features. Deshalb geht’s jetzt um einen Artist unseres östlichen Nachbarn! Straight outta Sopot in Polen, hat Paweł Meller als Blinde in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie man die Untergrund Sparte der Deep & Dark Szene mal so richtig aufmischen kann. 2022 gab’s erst das Debüt bei den österreichischen Freunden von Deep Within, 2023 waren dann schon die ersten VISION Radio Anspieler und Tunes auf britischen Talentschmieden Yamatai und Flexout mit am Start, und 2024 geht’s anscheinend direkt auf dem Level weiter, mit der herrlichen, Hut-vom-Kopf-wegpustenden „Hanoi“ EP auf dem ebenfalls asiatisch angehauchten Yamatai! Titeltrack „Hanoi“ legt trotz sub-3-minütiger Laufzeit gleich vorweg eine atemberaubende Evolution hin, „RSSNT“ erkundet die tiefsten Untiefen des Audiospektrums mit einer Aggressivität, die sich sehen lässt, und „Toxic“ verbindet rhythmisch vielseitige, moderne Produktion, die problemlos zwischen 4×4-Geballer und entspannterer Synkopiererei umherschwingt, mit den süßesten Anime Vocals, die ihr je gehört habt. Klingt komisch, bringt aber echt frischen Wind in’s Ganze – etwas, was man generell über Blinde’s Production sagen kann! Perfekt für die Deep & Dark Liebhaber, die mal was Neues hören wollen. (Lennart Hoffmann)
Release: 02.02.2024
Label: Yamatai Records
Katalognummer: YAMREC023
Wertung: 9/10