Prismatik – „Used To Be“
Da DnB Production kein Zuckerschlecken ist, sind neue Namen in der Szene sehr oft einfach nur ein cleverer Rebrand eines oder mehrerer etablierten Künstler. Umso toller ist es dann, wenn ein Name auftaucht, der wirklich mal komplett neu ist. Ich hätte da ein Beispiel parat. Bisher war Brite Rob Lunt aus Plymouth nur als „top geeza“ der Twisted Roots Eventreihe in walisischen Cardiff oder als talentierter DJ Prismatik, den man zusammen mit Szenegrößen wie Kanine, Alcemist oder Sota auf allerlei Lineups antreffen konnte, aber anscheinend hat er still und heimlich auch an eigenen Tunes gearbeitet! Auf PullUp Recordings, dem wunderbaren Cardiff-basierten Label für die einzigartigeren Sorten des DnBs, gibt es nun die erste Frucht dieser Arbeit zu bestaunen: „Used To Be“! Mit träumerisch schönen Synth Akkorden, sanft rollenden Drums und einem schlichtweg perfekten Vocal Sample stellt Rob den ersten waschechten Sommervibe dieses Jahres und lässt einen auf eine baldige Fortsetzung hoffen. Nicht nur für ein Debüt echt gut, sondern auch generell spitze! (Lennart Hoffmann)
Release: 12.05.2023
Label: PullUp Recordings
Katalognummer: PUR011
Wertung: 8.5/10
Natty Lou, Lottie Jones – „Alpenglow“
Wo wir gerade bei neuen Namen sind, lasst uns doch mal über Natty Lou reden! Es ist fast schon egal, wo man in den letzten Jahren so hingeschaut hat, irgendwie war Natalie immer involviert. Ob nun als professionelle Tänzerin auf allerlei Raves und sogar auch bei den Olympischen Spielen in London, als Event Managerin bei Concrete Junglist oder als Moderatorin ihrer eigenen Data Transmission Show, Natalie hat immer einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der DJing Virus erwischte sie damals in ihrer Zeit in Hong Kong schon, aber zu einer wahren Obsession wurde es dann erst als sie zu Coronazeiten nach Wales zurückgekehrt ist. In kürzester Zeit hat sich ihr Eventkalender dann auch schon mit Namen wie Boomtown, Glastonbury und Fabric gefüllt, aber als ob das noch nicht genug wäre, wollte sie das Ganze noch ein Stück weiter pushen. Anfang des Jahres war es dann soweit: ihr Debüt Release „All For You“ auf DeVice! Nur zwei Monate später ist sie mit „Alpenglow“ zusammen mit der extremst talentierten Sängerin Lottie Jones nun auch schon auf Liquicity gelandet, und wenn das nicht wie die Faust aufs Auge passt, weiß ich auch nicht. Ein wahrhaft wunderschöner Buildup voller lieblicher Melodien und Lottie’s grandioser Vocals, ein Drop so hinreißend, dass er seinem malerischen Titel alle Ehre macht, es ist einfach alles bezaubernd. (Lennart Hoffmann)
Release: 26.04.2023
Label: Liquicity Records
Katalognummer: LIQ187
Wertung: 9/10
Zombie Cats, Shannan – „BOUNCE“
Frisch nach dem Release ihres exzellenten zweiten Albums auf Dispatch, haben der routinierte Rouven und der rosige Ross, wahrscheinlich besser bekannt als deutsch-australisches Duo Zombie Cats, schon wieder aufregende Neuigkeiten zu verkünden: Die Gründung eines eigenen Labels, CREATURED! Wie auch bei ihren eigenen Produktionen, soll es dabei auch so gut wie keine kreativen Einschränkungen geben, Hauptsache es macht Spaß und der Vibe sitzt. Für den kaninchenstarken Debütrelease „BOUNCE“ haben sich die untoten Katzen nun mit dem australischen Star von Morgen, Shannan „Shannan“ Paton, früher auch als Helloworld unterwegs, zusammengetan und ein beschwingtes Jump-Up-Dancefloor Feuerwerk gebastelt. Dabei gibt’s nicht nur quietschvergnügte Synths in feinster Hedex Manier zu bestaunen, auf dem nach vorne peitschenden Drums baut sich das Trio auch eine wunderbare Progression auf, die so oft von einer catchy Komposition zur nächsten schwingt, dass man aus dem Tanzen gar nicht mehr rauskommt. Fetzig! (Lennart Hoffmann)
Release: 04.05.2023
Label: CREATURED
Katalognummer: CR01
Wertung: 8.5/10
Various Artists – „Antimatter:1 EP“
In The Lab! Letztes Mal schon mit Scurrow’s „Excuse You“ hier vertreten, gibt es für die Best Newcomer Label nominierten und sicherlich auch bald gewinnenden Briten diesmal gleich noch ein Spotlight hinterher geschoben. Wer so eine grandiose Ansammlung an Produzenten wie auf ihrer neuesten „Antimatter:1“ EP zusammenstellt, hat es auch gar nicht anders verdient! Den Anfang macht der Schweizer Mashaqill, der mit dem orientalisch angehauchten „Hilwa“ reichlich Khaos stiftet, gefolgt vom japanischen Talent Noise Parfumerie, der auf „Mikotonori“ ein rasantes Sounddesign Spektakel abliefert. Capslock-Wunderkind XAETIS zeigt daraufhin auf dem ausgezeichneten „Melanalchoholic“, warum er einer meiner Lieblinge ist, bevor der französische Multigenre Liebhaber LoveTheEND uns auf „MoonCake“ auf einen intergalaktisch guten Trip nimmt und der Innsbrucker Fabi Default Noise uns einem zutiefst nervenaufreibenden „Frequency Check“ unterzieht. Zu guter Letzt räumen die Schweizer Nachbarn „Massive Zebra“ mithilfe ihres multirhythmalen „Vakuum“s einmal gehörig auf, bevor der bereits erwähnte Dresdner Scurrow auf „Avion“ noch mal extra tief in die arrhythmische Melodienkiste greift und die Leipziger Cuepric und VRUM mit „Singularity“ einmal mehr unter Beweis stellen, wie viel DnB Talent in dieser Stadt einfach mal brodelt. Für Fans von techy Zeugs ein Muss! (Lennart Hoffmann)
Release: 21.04.2023
Label: In The Lab Recordings
Katalognummer: ITLVA2
Wertung: 9.5/10
Burr Oak – “Somewhere We Belong LP”
An dieser Stelle muss man einfach mal konstatieren, was für ein krasses Duo The Clamps und Opsen darstellen. Und jetzt noch im Albumformat? Das vertragen meine Superlativen nicht! Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, hier noch einmal der einfache Befehl: wenn Neurofunk in 2023, dann solle er sich bitte genau so anhören. Auf der LP haben die beiden Bündnispartner satte 18 Tracks angesammelt und steigen denn auch ohne Schnörkel ein. Denn statt eines Intros gibt’s den thematischen Aufhänger zum Titel des Albums „Far From Home“. Das ist bereits episch! Ich will hier nicht auf jeden einzelnen Track eingehen, doch klar ist, dass Burr Oak ihr erstaunliches Produktionslevel über das ganze Album hinweg halten können. Es reest und scherbelt aus Leibeskräften und gönnt sich dabei dennoch einige Ausflüge in abseitige Territorien, ohne den Kompass zu verlieren. Die Richtung ist klar: straight auf die Zwölf. “Symbolic”, “No One Is Innocent”, “Uno” und “Criminal Romance” lassen dahingehend nix vermissen und sind meine Favoriten des Albums. Bemerkens- und benennenswert sind die expliziten musikalischen Momente, wie z.B. das melodisch-joviale „Go Or Get Shot“, das slammende „You Will be Mine“, das screwdrivende „All I Dream“ oder das sattsame „Save These Days“. „Ring The Death Knell“ als eine der vorherigen Single-Auskopplungen mutete für mich übrigens stets wie ein brückenbauender Tune an, der sowohl in ein Neuro- als auch ein Techstep-Set passt. Ich denke, Burr Oak wissen durchaus, wo sie hingehören. Es ist nun vielmehr an uns, wo wir ihre großartigen Tunes platzieren! (Metric)
Release: 28.04.2023
Label: Eatbrain
Katalognummer: EATBRAINLP014
Wertung: 9/10
Various Artists – “Blackout Presents Adaptations, Gen. II”
Der Titel dieser Blackout-Reihe mutet für mich ein bisschen nebulös an und lässt mich im Nebel stochern. Was meinen die Niederländer genau damit? Dass sie sich dem kontemporären Sound anpassen oder dass sie Newcomer einbinden und sich das Label konzeptionell und strukturell daran anpasst? Oder dass die Adaption dadurch geschieht, eben weil genug junge Talente vorhanden sind, die ihren frischen Sound mitbringen? Ne Erklärung in Form eines Promotextes sucht man jedenfalls vergeblich. Fest steht, dass man bereits bei Teil 1 eine besondere Auslese an Artists traf und dies nun fortschreibt. Gestartet wird hier nun wiederum mit dem französischen Dauerbrenner Vici, der sich bereits an mehreren Fronten etabliert hat. „The Silent Killer“ hält, was der Titel verspricht: eine fiese, verschachtelte Nummer, die an den Sound von Slwdwn erinnert und mit der Machete hinterrücks zusticht. Es folgt der bislang einzig bekannte Track von Submonitor namens „Right Now“. Was für ein barbarisches Gerät. Distortion und massive Oszillation auf dem Synth auf scharf gestellt, dazu eine Titan-Snare. Krankes Teil! Exept mit „Crystal Hammer“ ist jedoch mein heimlicher Favorit des Releases. Dass der nun ausgerechnet auch nach Slwdwn klingt, ist hier kein Zufall, denn die beiden haben schon miteinander kollaboriert. Entsprechend zwingend ist der Groove dieses cleanen Stückes und doch ist überdies die schaurig-schöne Geisterhaus-Melo im Breakdown bzw. im letzten Part unbedingt zu erwähnen. Es folgt Myselor, den ich in der letzten Runde ausgiebig reviewte. Hier isser in Kooperation mit dem Italiener Ephyum. Bei „Apocryphal“ steht auch der Groove im Vordergrund. Myselors EP auf Blackout war im Härtegrad da deutlich kompromissloser. Eine weitere Collab kommt von dem jetzt erfreulicherweise wieder aktiveren A-Cray zusammen mit Landsmann Absu, der jetzt Absu NTQL heißt (vermutlich benötigte er noch ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal im Namen). „Anvil“ scheppert in klassischerer Neuro-Manier, doch auch dieser Amboss ist richtig schön frisch geschliffen. Zuletzt findet sich mit „Evolve“ noch ein minimaler Stepper ein, dessen Staccato-Prinzip dann allerdings trotzdem noch einen amtlichen Rundumschlag vollzieht. Ich bin mir jedoch sehr sicher, dass es sich bei Urheber Falcon nicht um jenen Falcon handelt, der um die Nullerjahre herum vorrangig auf Citrus sein Unwesen trieb.
Jedenfalls möchte ich hiermit festhalten, dass auf diesem Release alle wichtigen Winkel in Sachen Post-Neurofunk ausgeleuchtet werden. Mich hat’s jedenfalls nach nochmaligem sorgsamen Durchhören überzeugt. Blackout ist und bleibt ne Bank! (Metric)
Release: 07.04..2023
Label: Blackout Music NL
Katalognummer: BLCKTNL136
Wertung: 9/10
Simula – “Dogma LP”
Eine weitere LP erhaschte jüngst meine Aufmerksamkeit und dabei handelt es sich um das Debütalbum von Simula. Dies ist gleichzeitig die erste LP auf seinem erst Ende 2022 gegründeten eigenen Label Simula Audio. Und so kommt alles, was Will Ryan aus Guildford anpackt, in einen Fluss und ergibt ein rundes Gesamtbild. Schon beeindruckend, welchen Wandel er in seinem Sound vollzogen hat. Gibt es hier und da noch alte Heads, die den wilden JumpUp-Zeiten Simulas hinterhertrauern, so muss man objektiv zugeben, dass seine neuen Nummern trotz gelebtem Minimalismus ganz und gar nicht langweilig und teilweise ausgesprochen grotty sind. Gut, es herrscht ein kurzer Weg zu Annix (deshalb ja auch Neksus Sound, das gemeinsame Label). Und mit Distress Signal (w/ K Motionz, Kanine und IC3) ist er immer noch nah dran am Rave-Geschehen. Und doch glaube ich, dass er schlicht ganz persönlich den nächsten Schritt gehen und seinen Sound gezielt in diese Richtung weiterentwickeln wollte. Sein eigenes Dogma eben! Zugegeben, auf dem Album finden sich nur wenige exklusive neue Tracks. Das mindert das Gesamtbild trotzdem nicht! Ganz egoistisch gesprochen bin ich zunächst mal froh, dass „Tension“ mit drauf ist. Das erwartete ich seit seinem Play bei Vision Radio schon sehnlichst. Davon abgesehen fällt es nicht schwer, hier weitere Tunes hervorzuheben, so z.B. den Bassface-Trigger „Basilisk“; natürlich auch das kongeniale „Process (w/ Maksim MC)“ – beim Hören ist es mir nach wie vor nicht möglich, meine Gesichtsmuskeln noch weiter in Falten zu ziehen. Wie sich Maksims Vocals, mit leichtem Delay angereichert, an die Kellergeschoss-Beats schmiegt, ist unnachahmlich! Dann ist da z.B. noch „Running Out“ – mit seiner bleepy Melo eher was für’s Ende einer Clubnacht oder die kommende Open Air-Saison. Und für die Simula-auf-JumpUp-Hängengebliebenen bleibt immer noch „Menace“ oder „Scarab“. Wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf: alle Tracks, die es auf das Album geschafft haben, sind clean as f und on point produziert. Und dann wage ich noch eine weitere Interpretation des Titels „Dogma“, nämlich „eigensinnig“. Das trifft auf den Sound und den Vibe der LP definitiv zu. Nobody does it like Simula! (Metric)
Release: 21.04.2023
Label: Simula Audio
Katalognummer: 3617058040321
Wertung: 8/10