Tryst Temps & The Clamps & Matec – “Dark Passenger”
Matec gehört zu den talentiertesten deutschen Producern. Und das ist nicht nur ne hohle Phrase! Denn wer nach kurzer Kontaktaufnahme direkt was mit Delta9 am Laufen hat, dessen Potenzial wurde dann wohl instant erkannt. Der neueste Streich wiederum ist eine französisch-deutsche Kollaboration auf Kosenprod und entstand zusammen mit my darling The Clamps sowie Tryst Temps aus Toulouse. Letzterer hat mutmaßlich die meiste Arbeit in das “Dark Passenger”-Release gesteckt, ist er doch als einziger an allen vier Tracks beteiligt und liefert zudem den titelgebenden Opener-Track ab. Der ist bereits ein hektischer Slammer mit Bleeps, die mich an Fehlersounds beim Konvertieren erinnern. “Emo” ist der Track mit The Clamps, dessen Titel sich mutmaßlich auf das stringed Intro bzw. den Breakdown bezieht. Der Techno-Buildup zum zweiten Drop ist hierbei natürlich ein Halleluja. Laut Protokoll fehlen nun nur noch die beiden Collabs mit Matec, welche die wunderbaren Titel “Willkür” und “Verfolgung” tragen. “Willkür” knüpft direkt an “Emo” an und stompt ebenfalls auf 4/4 bei messerschärfenden Begleitsounds. Laut eigenen Aussagen des Wahl-Hallensers ist der Tune härter geworden, als er üblicherweise produziert. Stört mich persönlich ehrlich gesagt gar nicht. Im Gegenteil. Und auch “Verfolgung” gönnt sich dieses Techno-Moment nach dem Breakdown. Toll auch, wie das Pad hier gehalten wird, um den Verfolgungswahn(sinn) zu erzeugen und die bösen Basslines plötzlich auftauchen wie Eisberge im Polarmeer. Deutsch-französischer-DnB – bitte mehr davon! (Metric)
Release: 22.05.2023
Label: Kosenprod
Katalognummer: KOSEN68
Wertung: 9/10
Disprove – “Mansueto EP”
Dem Wortsinn nach möchte Disprove etwas widerlegen bzw. entkräften. Was könnte da passen? Vielleicht der Spruch: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Den Wahlberliner assoziieren einige vielleicht noch immer mit klassischem Neurofunk, obwohl er schon seit geraumer Zeit schwer mit Sound experimentiert und dabei stilistisch stets auf der dunklen Seite der Macht geblieben ist. Sein neuestes Werk trägt den Namen „Mansueto EP“ und erschien auf dem Mannheimer Label T3K. Beide Komponenten sind im besonderen Maße hervorzuheben: das Imprint T3K, was derzeit herausragend gute Sachen veröffentlicht und exemplarisch dafür das hier vorliegende Release – wobei „mansueto“ so viel wie sanftmütig heißt und das Cover dazu einen Gorillakopf zeigt. Unbedingt hervorzuheben: der gesamte Erlös der EP geht an eine Organisation, die sich um den Schutz der vom Aussterben bedrohten Tierart kümmert. So weit so stringent. Fakt ist, dass es Fabrizio gelingt, jedem seiner vier Tracks einen distinguierten Groove zu verpassen. Ob nun im bewusst minimalistischen Gewand bei „Hangar“; durch den Bassline-Trichter beim Titeltrack „Manuseto“; beim angetrunkenen „Unstable“ inkl. repetierendem Vocal-Snippet oder dem großartig an 90s-Peaktime-Techno erinnernden „Vivid“ – mir gefällt insbesondere die unaufdringliche Art dieses vierblättrigen Kleeblatts an Tunes. Schwer zu finden sowas dieser Tage! (Metric)
Release: 25.05.2023
Label: T3K
Katalognummer: PROT3KT011
Wertung: 8/10
Enta – “E-Sides Vol.1”
Das Besondere an den Tracks von Liam Enta ist deren Voluminösität und die gekonnte Effektierung. Vielleicht mal als Metapher: hör ich seine Musik, fühl ich mich wie in einem Vintage Doppeldecker, der ständig durch Turbulenzen und Luftlöcher düst. Mit dem vorliegenden Release „E-Sides Vol.1“ startet man bei Biological Beats offenbar eine neue Reihe, um Entas Talent und Versatilität noch mehr aufzuzeigen. Die vier Tracks kommen allesamt aus dem Reich der Finsternis und entfalten dabei eine ganz eigene Melancholie. Während „Bling“ von der Sirenen-Melo getragen wird, saugt „Little Terror“ mit kurzen Sägezähnen an dir wie ein Vampir, der lange nicht mehr beim Zahnarzt war. Es folgt mein Favorit der Veröffentlichung. „Wiseguy“ hat diesen absolut tödlichen Enta-Groove mit gelayerter Snare und arglistigen Bassspiralen. „Tell Me“ macht den Abschluss und ist ein echt episches Stück zum Augenschließen. Unbedingt auch Enta als DJ auschecken! Er kombiniert proper JumpUp mit techigen Beats wie kaum jemand sonst! (Metric)
Release: 29.05.2023
Label: Biological Beats
Katalognummer: BIODIGI0177
Wertung: 8/10
Aquario – „Current“
Aquario! Klingt erstmal wie der im Wasser lebende Drillingsbruder von Mario, ist aber das neueste Talent aus den, zugegebenermaßen nah am Wasser gebauten, Niederlanden! So richtig viel mehr Infos hab ich trotz fortgeschrittenem Online-Stalking dann aber auch nicht rausgefunden. Es könnte sein, dass er mal als „Stey“ unterwegs war und ich habe auch ein paar seiner Multi-Genre Demos von vor 4 Jahren entdecken können, aber da hört’s auch fast schon auf. Ach ja: Soulvent folgt ihm auf SoundCloud! Der Dive ist heute mal extra deep, ich sag’s euch! Aber ist ja auch egal, ob nun ein krasser Background hinter dem Projekt steht oder ob es sich einfach um einen talentierten neuen Künstler handelt, was zählt ist doch die Musik. Die ist nämlich richtig spitze! Sein neuester Streich „Current“, die zweite Auskopplung seines bald™️ erscheinenden, fünf Tracks starken Debütreleases „IMMERSION“, strotzt gerade so vor wunderbaren Liquid Ideen. Ob es nun das klassisch-wunderschöne Piano ist, welches uns melodiös durch die melancholische Atmosphäre begleitet, die nostalgisch angehauchten Drums, die uns nach vorne treiben, oder der Switch zu den Sound der neuen Schule in der zweiten Hälfte, der Tune hat einfach was! (Lennart Hoffmann)
Release: 25.05.2023
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 8.5/10
Blacksite – „Dreamscape“
Von diesem recht entspannten niederländischen Start schwingen wir uns rüber nach Erfurt, um die abgefahrenen Sounddesign Spielereien von Lorenz Kühn zu bestaunen! Als „Blacksite“ macht er schon seit 2019 allerlei Clubs und SoundCloud Playlisten unsicher, mit Bootlegs von Leotrix, Essenger und Oliverse und Originalen auf Scāpegōt oder MDP. Ach ja, ist natürlich alles Tearout Dubstep oder Riddim oder so. Selbst die Tagesschau war vor seinem Händchen für eskalierende elektronische Musik nicht gefeit! Anfang des Jahres hat sich Lorenz dann aber entschieden, das Ganze noch mal etwas anders aufzuziehen. Unter dem „Organic Bass“ Banner, inklusive visuell schickem Rebranding, hat es ihn zu noch ausgefalleneren auditiven Landschaften hinbewegt, mit allerhand Einflüssen aus dem Bereich der Trommeln und Bässe, die zuerst in dem sehr empfehlenswerten „Organic Tapes“ ID Showcase und inzwischen auch auf seiner „Electronic Nature“ EP zu bestaunen sind. Mit „Dreamscape“ gibt’s dann jetzt direkt den nächsten klanglichen Paukenschlag. Das verträumte Spielzeuguhr Intro voller irgendwie gruseliger Strandgeräusche lässt einen zwar erstmal denken, dass das ein entspannterer Ausflug wird, aber das ändert sich schlagartig sobald wir beim Drop ankommen. Wahrlich verrückt angeordnete Drums und Basses, Rhythmen, die man so noch nicht gehört hat, plötzliche 4×4 Einlagen, hui! In der zweiten Hälfte dann ohne Kompromisse, straight-forward in’s Gesicht. Doppel-hui! Definitiv auschecken! (Lennart Hoffmann)
Release: 26.05.2023
Label: Organic Bass Music
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Teniak – „Bad Science / Snitchcraft“
Wo wir gerade bei Maschinen des abgefahrenen Sounddesigns sind, lasst uns doch mal etwas über Teniak quatschen! Anfang 2021 hat es den in Helsinki ansässigen Finnen Viktor Hurskainen zum ersten Mal dazu verleitet, die ersten paar seiner Kreationen zu veröffentlichen. Hochwahrscheinlich inspiriert von den magischen Schöpfungen aus der Ecke KOAN Sound und Joe Ford, gab’s beim Debüt erstmal Glitch Hop, kurz darauf wurde aber auch schon die DnB Maschine angeschmissen. Sein wildes 2022er Abenteuer „Wingardium Capricciosa“ ist dann auch in meinen Instagram DM’s gelandet, mit dem Teaser, dass da bald was auf einem großen Label kommt – beides für sich genommen schon Grund genug, ihm direkt einen Follow da zu lassen. Nun hat es mit dem Release auf ProgRAM dann doch etwas länger gedauert als gedacht, aber glaubt mir, das Warten hat sich gelohnt! Wie man sich bei den Anfängen fast schon denken kann, hat Viktor für diesen Anlass die vollste Sounddesign Artillerie aufgefahren, aber selbst diese Erwartungshaltung bereitet einen nicht darauf vor, wie sehr es hier abgeht. „Bad Science“ bringt nicht nur ein ganzes Orchester mit in’s Spiel, er überrollt einen dann auch noch mit einer vom Weltall sichtbaren Wand aus Synths und allerlei anderen verrückten Spielereien. „Snitchcraft“ führt den roten Faden der klassischen Musik Inspirationen weiter, mit einer erneut großartigen Buildup Atmosphäre, Orgel-artigen Synths und einem wahren Feuerwerk an dissonanten, wahrhaft wahnsinnigen Stabs. Definitiv komplett anhören die beiden! (Lennart Hoffmann)
Release: 26.05.2023
Label: ProgRAM
Katalognummer: 4050538920901
Wertung: 9/10
Acris – „Prayer EP“
Nach diesem Ausflug in den wilden Norden, geht’s noch einmal runter in die geographisch hohen, aber musikalisch deepen Tiefen. Straight outta Österreich, hat Leon Bernhard alias Acris schon seit mindestens 2016 sein Talent für alles Elektronische zwischen Future House zu Dancehall zur Schau gestellt. 2019 kam dann auch langsam DnB mit in’s Spiel und ehe man sich versah, hat er auch schon Tunes von Sub Focus, IMANU, Diplo, Nia Archives, Skrillex und Bou seinen DnB Stempel aufgedrückt. Gibt auch genug Originale im Katalog, aber Remixe liegen ihm echt! Nach alledem gibt es jetzt aber auch endlich mal seinen ersten Labelrelease, auf einem dem absolut underratedsten Labels, die das Genre so hergibt: Division’s Deep Within Recordings! Auf seiner 5 Track starken „Prayer“ EP probiert sich Acris dabei an allem, was das deep und dunkle DnB Spektrum so zu bieten hat, mit vollstem Erfolg. Ob nun die düsteren, zutiefst sitzenden Basslines auf Titeltrack „Prayer“, die fast schon sommerlichen vocal- und Synth-getriebenen Vibes auf „Tell Me Why“ und „Ride With Me“ mit Eevian im Gepäck, das steppige Bassmassaker auf dem sehr treffend benannten „Insane“ oder das minimalistische Gewobble auf EP Finale „Better Day“, es wird hier ausschließlich auf echt hohem Niveau gearbeitet. Ein weiterer Eintrag in die lange Liste an Erfolgen für Deep Within und der erste von sicherlich vielen zukünftigen Meilensteinen für Acris. Grandios! (Lennart Hoffmann)
Release: 26.05.2023
Label: Deep Within Recordings
Katalognummer: DWR13
Wertung: 9/10