A.way – “Closer / Hold Me”
Es ist schon bezeichnend, wenn sich Dave Columbo Jankins immer wieder an die Vision Radio Show full of dubs erinnert bzw. diese zitiert, bei der u.a. Annix Co-Host war. Das reicht zurück in den Februar dieses Jahres und da war „Closer“ entsprechend bereits eine dieser unfassbaren Dubs der Sendung. Nun ist das Teil endlich rausgekommen, wurde folgerichtig auf dem Annix-Label Neksus Sound released und hat seit dem ersten Airplay aber mal gar nichts von seiner klanglichen Pracht verloren. Was Martin Kačinec auch anfasst, es wird o(h)rgiastisch! Allein das Intro ist so cinematisch, dass Hans Zimmer die Kinnlade runterklappen dürfte. Die Beats sind auf Vollanschlag gepumpt und nach zwei Minuten und kurzer Arrangier-Schnitzelei geht’s auch schon in den Breakdown und auf zum final Part auf Halfstep bzw. 4/4-Beat. Perfektes Beispiel dafür, dass ein Track kurzknackig und dennoch gleichzeitig episch sein kann! Die Flip „Hold Me“ kommt indes insgesamt auf gerade mal zwei Minuten und ist ein deeperer Groover, der in seiner Cleverness u.a. Orgeltöne und Vogelgezwitscher enthält. Sollte man gar mal wieder sonntags in die Kirche gehen? Ob mit oder ohne Kirche, A.way ist für mich jetzt schon ein Gott! Amen (Metric)
Release: 16.06.2023
Label: Neksus Sound
Katalognummer: NEX028
Wertung: 9/10
Noise Parfumerie – “Meifu (冥府)”
More sophisticated Music kommt hier von Noise Parfumerie. Der ominöse Artist aus Japan erinnert mich in seiner Krassheit und Radikalität an die Arbeiten von Gyrofield. Kosenprod liegt hier (mal wieder) goldrichtig, eine EP dieses ungeschliffenen Diamanten zu veröffentlichen, deren Grundtenor irgendwo zwischen Cyberpunk und Dystopie verortet ist. Die beiden ersten Tracks sind meine Favoriten. Opener „Nightmare“ geht auf Frontalangriff direkt aus’m Schützengraben und rasiert mit viel Ratatat erst mal alles weg. Gern hätte ich das mit weniger Guntalk beschrieben, aber hier herrscht pure Zerstörung. „Blood“ ist die logische Folge – hier wird auf die Vendetta eingeschworen. Musikalisch ist das was für Gesichtsentgleisungen, ganz ohne den Einsatz zusätzlicher Drogen. „Clone Human“ richtet sich an die Fans von Splitter-Breakbeats: künstlerisch wertvoll, könnte die Menschen auf dem Dancefloor jedoch vor Probleme stellen. Zuletzt ist „I’ll Be Back“ die terminatoreske Verheißung und im direkten Vergleich wesentlich geradliniger. Möglicherweise kommt in diesem Track aber der durch und durch maschinistische Sound der gesamten EP am stärksten zur Geltung. Diese trägt übrigens den Namen „Meifu (冥府)“ und die japanischen Schriftzeichen stehen für Hölle. Und damit schließt sich der Kreis, denn diese EP brennt wie Höllenfeuer! (Metric)
Release: 26.06.2023
Label: Kosenprod
Katalognummer: KOSEN69
Wertung: 9/10
Exept – “Black Soul LP”
Wird mal wieder Zeit für eine Veröffentlichung aus dem Hause Delta9. Michele und Marco formieren das Duo „Exept“ und die beiden Römer haben mit „Black Soul“ ihr Debütalbum vorgelegt. Diesem liegen zwei Jahre Produktionsprozess zugrunde und ich könnte jetzt behaupten: das hört man dem Album auch an. Tatsächlich wirkt die LP sehr rund und ausgegoren. Der für Delta9 zu erwartende Sound ist grundsätzlich minimal, perkussiv und techy, doch zu keiner Zeit der LP zu trocken oder gar langweilig. Im Gegenteil. Die allermeisten Tracks ziehen dich mit ihrem zwingenden Groove mächtig in ihren Bann. „Icebreaker“ ist mein Favorit und steht exemplarisch für kontemporäre Rollers inklusive Tech-Beat und raumgreifende Synths. Überhaupt besteht der überwiegende Teil des Albums aus absolut tödlichen Groovern, teilweise in Kollaboration z.B. mit Künstlern wie Slwdwn oder Disprove. Dazu gibt’s zwei Halfstep-Nummern und das Ganze wird eingerahmt mit Intro und Main Theme. Führen Exept bezüglich der schwarzen Seele tatsächlich Böses im Schilde? Vielleicht wollen sie auch nur die Rollers-Weltherrschaft an sich reißen. Das würde ich ihnen nach diesem Album sogar zugestehen. Zumindest eine Zeit lang. (Metric)
Release: 23.06.2023
Label: Delta9 Recordings
Katalognummer: 10278310
Wertung: 9/10
The North Quarter All Stars – „Balboa Square LP“
Was passiert, wenn man einen ganzen Haufen Liquid Legenden, handgepickt aus Lenzman’s illustrem The North Quarter Label Lineup, zusammen mit lyrischen und gesanglichen Meistern wie Steo und Fox für ein paar Tage im Westen Amsterdams einsperrt? Diesem daraus resultierenden Album zufolge: pure Magie! Unter dem mysteriösen „The North Quarter All Stars“ Banner, wird hier das volle Ohrenmerk auf das was wirklich wichtig ist gelegt, die Musik. Während natürlich auch die deeperen Vibes nicht zu kurz kommen, mit dem Techno-inspirierten „Everything Nice“ und dem breakigen „Never“, zielt der Großteil des restlichen Albums genau auf die Art von souligen, Hiphop-inspirierten, absolut wunderschönen Liquid ab, den ich auf dem britischen Label am liebsten habe. Und von Steo Vocals kann ich eh nie genug kriegen! Eine wirklich willkommene, die Seele beruhigende und das Gemüt abkühlende Abwechslung im aktuell doch sehr erhitzten Alltag. (Lennart Hoffmann)
Release: 07.07.2023
Label: The North Quarter
Katalognummer: NQ043
Wertung: 9.5/10
GIANT22 – „Chapter Eight“
Könnte natürlich nur mein persönlicher Mitteldeutschland Bias-slash-Ignoranz sein, aber Frankfurt ist normalerweise nicht unbedingt die Stadt, die man mit DnB assoziiert. Umso cooler ist es deshalb, dass Mario Porst aka DJ Giant aka GIANT22 die Genre Flagge mit den Bemühungen der letzten Jahre ganz weit hochhält. Natürlich hat er sich schon seit er 1996 als DJ angefangen hat einen geradezu gigantischen Namen gemacht und auch als Produzent allerlei Erfahrung gesammelt, aber die Gründung seines eigenen Labels „EPO22 Music Tales“ im letzten Jahr hat ihn dann nun entgültig in der internationalen Szene ankommen lassen. Mit ausschließlich 2 Tunes pro Release und gegründet am 22.02.2022, wahrscheinlich sogar um 22:22 Uhr, lebt Mario nicht nur seine Liebe für Zahlen aus, mit Releases von VovKING, Evolved, Matec und natürlich sich selbst mausert er sich zwei-felsohne auch langsam aber sicher auf die Listen der interessanteren Labels da draußen. Letzten Monat gab’s dann auch schon „Chapter Eight“ der musikalischen Geschichten, vom Labelchef höchstpersönlich. Einerseits kombiniert er auf „Virtual Love“ sommerliche Vocal- und Synthmelodien mit bösen Bässen, zweierseits gibt es allerlei futuristische Synthspielereien auf „We Go“. Wunderbares Zeugs. Definitiv mehr als nur zweidimensional. (Lennart Hoffmann)
Release: 16.07.2023
Label: EPO22 Music Tales
Katalognummer: EPO22008
Wertung: 8.5/10
Survey – „Push EP“
Die Legenden sind zurück! Nach einigen relativ ruhigen Releasejahren, haben die Berliner Hardy Schulz und Stephen Albrecht, auch bekannt unter dem zutiefst ungooglebaren Namen „Survey“, endlich mal wieder einen ganzen Batzen neuer, wummernder Klänge am Start! Nachdem sie sich 2008 in der heutigen Stammkneipe kennengelernt und auf Anhieb gut verstanden haben, haben die beiden nach und nach die gesamte Szene für sich erobert, mit einer dauerhaften Residency im Berliner Gretchen und prächtigen Produktionen auf Flexout, Invisible und natürlich auch Dispatch. Warum natürlich? Na, weil eben jene neue Survey EP, die „Push“ EP, genau dort veröffentlicht wurde! Bestehend aus 4 mystisch-atmosphärischen, massivst brummenden Tracks, ist Push für mich persönlich einer der besten EPs aus dem Hause Schulz & Albrecht, und das sagt schon was! Ob nun der Titeltrack mit seinen, nunja, pushenden Bassattacken und rollenden Drums, „Dots“ mit der fast schon erdrückend starken Atmosphäre, das schnell-feuernde Feuerwerk der Sinne „Panoptic“, oder eben das synkopierte Bassmonster „Snapper“, es ist alles einfach nur wunderbar. (Lennart Hoffmann)
Release: 14.07.2023
Label: Dispatch Recordings
Katalognummer: DIS187
Wertung: 9/10
Low:r, SiLi – „Grandma Funk“
Habt ihr euch eigentlich schon immer mal gefragt, wer eigentlich alles den Funk so hat? Keine Sorge, Ben „Low:r“ Downton und Silas „SiLi“ Bertschy haben Antworten parat! Falls euch die Namen nichts sagen, ein kleiner Crashkurs: Low:r kommt aus dem britonischen Hersham, SiLi aus dem durchaus höh:r gelegenen Bern. Low:r hat die Szene früher als Morah unsicher gemacht, probierte sich dabei durch allerlei Genres von Electro Swing bis Downtempo, bis er dann 2016 endlich das Rebranding vollzog. Das war auch so ungefähr die Zeit, in der SiLi seinen Anfang fand. Inzwischen kann Low:r Releases auf Terra Firma, Soulvent und letztendlich auch Liquicity verzeichnen, während es SiLi’s liquidige Tracks auf Differential, Fokuz, Glitch Audio and Liquicity und seine düstereren Kreationen auf Skankandbass, Delta9 und Flexout zu bestaunen gibt. Zwar unterscheiden sich beide in vielerlei Hinsicht, was sie verbindet ist jedoch das Gespür für einen einzigartigen Style, einen speziellen Swagger, einen.. Funk. Wenn ich also hörte, dass die beiden nun zusammen in den Spiegel gucken und eben jenen Swag aufdrehen wollen, wusste ich, dass es ganz grandios wird. Und genau so kam es dann auch! „Grandma Funk“ hat nicht nur den besten Titel und das beste Vocal aller Zeiten, eingesprochen von Ben’s Freundin, der Tune hat auch maximal funkige Produktion und eine sich stetig weiter entwickelnde und trotzdem extremst eingängige Komposition am Start. Eine perfekte Fusion beider Künstler. Ich lieb’s. (Lennart Hoffmann)
Release: 30.06.2023
Label: Liquicity Records
Katalognummer: LIQ194
Wertung: 9.5/10