V O E – „Left Unsaid EP“
Es ist nun wirklich kein Geheimnis, dass ich vom Output des australischen Singer-Songwriter-Produzenten-Performance Duos CARZi und Tevlo, besser bekannt als Viper’s neuestes Schmuckstück V O E (Vision Of Empire, eine League Of Legends Referenz), einfach nicht genug bekommen kann. Es gibt meiner Meinung nach kaum einen anderen Artist, der so vielseitig im Sound, so emotional-direkt im Storytelling und dazu auch noch so hoch-produktiv wie die beiden sind. Sowohl Caroline als auch Tom sind nicht nur herzensliebe Menschen, sie haben auch beide (!) grandiose Gesangsorgane auf Lager und reißen live einfach die Hütte ab. Seitdem ich sie rund 2020 kennengelernt habe, haben sie zurechterweise einen Riesensprung nach dem Nächsten gemacht, von Releases auf ProtoCode und Global League bis hin zu den Global Playern der Szene wie Liquicity, RAM, Blackout und eben auch Futurebound’s Viper, bei dem sie seit 2021 exklusiv unterwegs sind. Mit ihrer neuesten „Left Unsaid“ EP ist ihnen dabei ein weiterer 6-Track Geniestreich gelungen. Egal ob nun der Titeltrack mit seinem absoluten Ohrwurm-Vocal und dazugehörigem Instrumentalmassaker aus Neurobässen und -drums, das schicksalsverachtende „Our Own Way“ mit seiner grandiosen, facettenreichen One-man Show von Tom, das dramatisch angeheizte und unglaublich effektive Vocalspektakel „The Impact“, das atmosphärisch-emotionale Neurofeuerwerk mit UKF Stamp Of Approval „Sanity“, die noch viel atmosphärischerere Neuroatombombe „More Than This“, oder das riesenstarke Festivalhymnenfinale „We Will“, ich lieb es einfach alles. Die beiden sind einfach nicht zu stoppen. (Lennart Hoffmann)
Release: 04.08.2023
Label: Viper Recordings
Katalognummer: VPR311
Wertung: 10/10
NOŪS – „Right Place“
Von den (relativ) großen Namen springen wir doch mal wieder zu den Newcomern in der Szene, zum Schweizer NOŪS! Rund 2014 ging die ganze Musikgeschichte bei ihm los, mit seinem genremäßig wesentlich breiter aufgestellten „Mo Harper“ Alias, das DnB-spezifische NOŪS gesellte sich dann Mitte 2021 dazu. Neben „Amber / Kyga“ vom letzten Jahr, gibt es aber auch gar nicht so viel mehr über das Projekt zu berichten. Ihr, liebe Leser, seid also wirklich sehr früh bei der Entwicklung dieses unglaublich eindrucksvollen Projekts dabei. Ihr seid quasi am „Right Place“! Nun gut. Lasst euch von meinen schlechten Witzen nicht verunsichern, die Musik ist auch dieses Mal wieder eine wahrlich großartige Zurschaustellung des schier unendlichen Talents vom Herrn NOŪS. Erstklassiges Sounddesign, meisterhafte Kompositionen, blitzeblanke Production, einfach perfekt zusammengeschustert zu einem fantastischen, emotional-techigen Tune. (Lennart Hoffmann)
Release: 04.08.2023
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 9.5/10
Malixe – „Distance“
Was kriegt man, wenn man die wilde „In-die-Fresse“ Energie vom modernen amerikanischen Dubstep mit Sounddesign der Schule IMANU verbindet? Ungefähr sowas, wie das was der in Utah ansässige Michael Chicas aka Malixe in letzter Zeit so rausbringt! Schon seit rund 2011 steht der Name Malixe für allerlei düsteres und vor allem energiegeladenes, von Techno und Electro bis hin zu Halftime und Dubstep, passenderweise auf seiner eigenen „Dark Audio“ Plattform veröffentlicht. Seit seinem Debütalbum in 2020 hat sich auch DnB mit dazugesellt, und seit diesem Jahr hat sich das Ganze so weit entwickelt, dass seine „Save Myself“ EP vor ein paar Monaten zu 60% aus DnB besteht. You love to see it! Da ich allerdings erst zu spät auf ihn und seine Werke aufmerksam geworden bin, geht’s heute nicht um jene EP, sondern um sein glücklicherweise ebenfalls massives Followup, „Distance“! Glaubt mir, sobald das fast schon lächerlich heftige, erbarmungslos harte Dauerfeuer des aggressiven und zutiefst verzerrten Basses einen trifft, kann man gar nicht anders als die Miene zum Bassface zu verziehen. Maximale Zerstörung, im guten Sinne. (Lennart Hoffmann)
Release: 28.07.2023
Label: Dark Audio
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Minos – “Soul Shards”
Den Heidelberger Steffen „Minos“ Ulrich muss man inzwischen eigentlich gar nicht mehr vorstellen, oder? Gibt ja sogar Interviews mit ihm direkt hier auf der Seite! Selbst sein grandioses Label Relik Recordings wurde vor knapp 2 Jahren hier, von mir sogar, im Kontext seiner „Talisman“ EP erwähnt. Seitdem hat er sich inzwischen auch noch andere aufstrebende, oder genauer gesagt zutiefst underratedte, Künstler wie Surreal oder Fintain mit ins archäologische Boot geholt, aber bei dieser neuesten Ausgrabung ist der Chef selbst wieder am Werk. Die neu ausgestellten „Soul Shards“ triefen dank einer perfekt aufeinander abgeschnittenen Kombination aus entspanntem Gitarrengezupfe, seelenberuhigenden Klavierakkorden und einem wahrhaft wunderbaren Vocalsample dabei nur so vor sommerlichem, souligen Charm. Der absolut perfekte Soundtrack für den Cocktail am Strand in diesen letzten paar Sommertagen, von denen uns hoffentlich noch einige bevorstehen. (Lennart Hoffmann)
Release: 18.08.2023
Label: Relik Recordings
Katalognummer: RELIK004
Wertung: 9.5/10
Dübël – „ECLECTIC EP“
Ich hab mir alle Mühe gegeben etwas online zu finden, aber ich kann euch herzlich wenig über den in Budapest ansässigen Producer Kristóf Lakatos alias Dübël berichten. Das einzige, was ich weiß, also außer dass er Student in seiner hiesigen Soziologieabteilung ist (?!), ist, dass seine Musik erste Sahne ist. Aber selbst da gibt es gar nicht mal so viel zu finden! Ein Remix hier, ein Selfrelease da, rund drei Jahre nichts, dann bam, eine richtig starke EP auf Saturate Records‘ Geschwisterlabel SoundMuseum. Nun gut, dann reden wir eben direkt über eben jene ECLECTIC EP! Wir starten relativ entspannt mit „SONOROUS“, mit schön wild-breakigen Drumpartien, unter denen sich immer größer werdende, stark vibrierende Wände aus bassigen Synths austoben und unsere Ohren massieren. Ähnlich ergeht es uns auf „BLAHA“ mit dem scheinbar komplett neuen Artist Schol. Auf einem wohlig-grummelnden Bass gibt es erstmal hauptsächlich simple Rhythmen zum Frühstück, nur von kleinen, hochfrequentierteren Sticheleien unterbrochen, aber die beiden unterziehen dem Ganzen so viele Veränderungen über die rund dreieinhalb Minuten, dass man sich irgendwann mit rollenden Breaks und einem voll-frontalen Gestocher-Ansturm auf das Gehör konfrontiert sieht. Und zu guter Letzt erleben wir auf „ICS“ noch einmal eine Evolution die seines Gleichen sucht, von breakigen Eskapaden mit simplem Basswummern im Hintergrund bis hin zu 2-step Drums mit extra harten Kicks, direkt ins Gesicht. Definitiv im Auge behalten! (Lennart Hoffmann)
Release: 08.08.2023
Label: SoundMuseum
Katalognummer: SM052
Wertung: 9/10
DJ Trax – “Back From Reality LP”
Freunde des „echten“ Jungle sollten sich, sofern nicht bereits geschehen, unbedingt mal mit DJ Trax beschäftigen. David Davies gehört zu den Gründervätern unserer Breakbeat-Musik und ist gleichzeitig immer noch aktiver Protagonist. Ich habe geahnt, dass sich bei 30+ Jahren eine Menge an nachweisbarer Produktivität bei ihm angesammelt hat – was und wie viel der gute Mann schon gemacht hat, überraschte mich dann aber doch. Dies hier aufzuführen, würde jedweden Rahmen sprengen, deswegen empfehle ich euch, einfach mal seine Bio auf SC reinzufahren. Da darf man sich schon mal die Frage stellen, weshalb andere Künstler mit weit weniger kreativer Bandbreite ungleich viel mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen. Das hier zu besprechende Album „Back From Reality“ findet sich wiederum komischerweise nicht auf Soundcloud, sondern nur auf Bandcamp und ist dort bereits ausverkauft. Dave Trax dachte sich wohl: wenn schon Sparte, dann machmers doch gleich exklusiv. Das Album mutet in mehrerlei Hinsicht archaisch und urwüchsig an. Die Soundscapes verfrachten einen äußerst way back (from reality) – mich persönlich in Zeiten von Reinforced, Paradox Music oder Moving Shadow. Und die Tracklängen von mindestens fünf Minuten zeigen den kurzatmigen kontemporären Wegwerfsingles mal gekonnt den Mittelfinger.
Nach den ersten drei sehr jungligen Tracks folgt dann der für mich stärkste Titel der LP „Long Rhode Home“. Bei der siebenminütigen Nummer mit dem Gimmick im zweiten Wort des Tracktitels handelt es sich um feinsten Drumfunk – dem organischsten aller Drum´n´Bass-Subgenres, da sich die Tracks anhören, wie live mit Instrumenten eingespielt (häufig ist das wohl auch so?!). Gleichzeitig ist Drumfunk chronisch unterrepräsentiert. Während sich viele Szeneleute daran abarbeiten, Jungle salonfähig zu machen, bleibt Drumfunk was für Connaisseure. Dabei gibt es auch hier feine Sachen zu entdecken. Und wenn du selbst irgendwann mal am Schlagzeug gesessen hast, dann kannst du auch ein Gefühl dazu aufbauen, promised! Ich persönlich schätze vor allem die Integrität dieser Musik, denn hier hat nie EDM Einzug gehalten und man biedert sich nicht beim Mainstream an.
Nach diesem „Heimweg“-Epos kommen mit dem oldskooligen „The Void“ und dem dubbigen „Soul Fire“ zwei breakbeatige Downbeat-Titel, bevor „Reflections“ voll auf’s Jungle-Tomatenmark drückt und „Connection“ eher den Bogen zum Anfang des Albums spannt.
Im Grunde review(t)e ich hiermit jedoch ehrlich gesagt weniger das Album, als mehr diesen einen Titel „Long Rhode Home“. Das Ding ist Klassenbester und könnte ein echt zeitloser stone cold Classic werden. (Metric)
Release: 28.07.2023
Label: Over/Shadow
Katalognummer: OSHLP03
Wertung: 8/10
https://djtrax.bandcamp.com/album/break-from-reality
Various Artists – “Space Yacht – Critical Mass Vol.2”
Space Yacht ist eines der Plattformen, die einem als DnB-Only-Consumer nicht unbedingt geläufig ist, allein, weil darauf neben Drum and Bass musikalisch gesehen noch eine ganze Menge anderes passiert. Dabei bringt das Label aus L.A. ein paar amtliche Stats mit, hätte ich gar nicht so vermutet. Scheint da echt ne große Nummer zu sein, u.a. da sie auch als Promoter in Nordamerika fungieren. Für den zweiten Teil der „Critical Mass“-Compilation konzentriert man sich indes wieder ganz auf neue Talente und deckt dabei zugleich eine große Bandbreite an Subgenres ab. Zunächst küre ich wie gewohnt meine Favoriten der Veröffentlichung, als da wären: „Wavhart – Tunnel Vision“ – ein Indie-beeinfluster und dennoch trockener Screwdriver inkl. Halfstep-Finish; „No Etiquette – Everybody“ – schöner Peaktimeschnalzer, der den Buildup auszreizt, bis die rote Lampe kommt sowie „Wraith, Sam Foxx & MC Dino – The Get Down“ – Oldskool-JumpUp-anmutend, den beteiligten MC aber echt gut in Szene setzend. Unter vielen unbekannten Namen, welche die Werkschau bereit hält, sind vielleicht am ehesten Dr. Apollo (u.a. durch seine Collabs mit Reid Speed) und Skellytn (der gerade einen richtig guten Lauf hat) ein Begriff. Zugegeben, hier und da mag man Einflüsse von EDM bzw. Bass Music ausmachen und dennoch herrscht über die gesamte Spielzeit eine solide Grundspannung. Da nehmen wir sogar den abschließenden 150er Breakbeat-Track noch mit. Space Yacht fungiert hier wie Noahs Arche. Von jeder Art wird was für die Zukunft gesichert. (Metric)
Release: 13.07.2023
Label: Space Yacht
Katalognummer: SY083
Wertung: 8/10