Irontype – “Fatline LP”
Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, da das Album des Jahres bei DnB-Awards gekürt wird (jetzt mal unabhängig welchen Landes), dann hab ich manchmal das Gefühl, dass die jüngst erschienenen Longplayer diejenigen ausstechen, welche im Laufe des Jahres released wurden. Möglicherweise weil das Production-Level dann schon wieder zweieinhalb Schritte vorangeschritten ist. Und so avanciert das Debütalbum „Fatline“ (nein, kein Schreibfehler, nicht Flatline!) von Irontype zu meinem Album des Jahres, obwohl es erst Ende November erschien und wie schon angedeutet irgendwie die bisherigen LPs von 2023 aussticht oder zumindest für den Moment vergessen macht. Meine lieben Zwangsneurofunker, bei so einem Album kann ich ja gar nicht anders, als den Namen Irontype weiter zu verbreiten, denn ich denke, zu wenige haben die eisenharten Jungs bislang auf dem Schirm. Mit den 15 Tracks hat das russische Producer-Duo (bestehend aus Acaled & Kaibre) aber mal ne ganze fette Linie durch mein Enzephalon gezogen. Nach dem ersten Schnellwaschgang durch die Horchlappen fällt nicht einer der Tracks ab. Im Nachfassen kann ich dann doch einige Favoriten herausstellen. Nebst dem titelgebenden Track sind das u.a. „World Of Vision“, „Street Of Sports“, die Collabs mit den vielversprechenden Nerv3 („Elements“) und Marcus Zero („Krishna“) sowie das echt brutale „Shot Down“. Wer es mit Burr Oak, Redpill oder den Teddy Killerz hält, wird hiermit selig werden. Neurofunk made in Russia wird irgendwie immer noch unterschätzt. Schon deshalb macht diese LP einen weiteren wichtigen Schritt hin zu mehr Aufmerksamkeit. (Metric)
Release: 25.11.2023
Label: Neuropunk Records
Katalognummer: NRPNK046
Wertung: 9/10
Pythius – “Turmoil LP”
Ein weiteres neues Album für die Neurofraktion kommt von Black Sun Empires Darling Pythius und ist im Vergleich zu Irontype etwas weniger technokratisch und bedient zugegeben ein paar mehr Flavours. Auffällig sind die Ausflüge in die Klangbereiche der Indie-Mucke, welche Pythius gekonnt mit DnB kombiniert – zum einen der Rahmen des Albums „In My Head“ und „Erase Me“ (jeweils feat. Reebz) sowie „Common Enemy“ (feat. Rienk). Doch neben Tracks, die mehr in Richtung Songstruktur gehen, schrieb Hylke natürlich auch Tunes für DJs und so sind meine persönlichen Favoriten dann doch die Dancefloor-Smasher „Arrival“ und „Another World“. Weil ich von weiteren Flavours gesprochen habe: außer Neurofutter hält Pythius hier u.a. auch zwei amtliche Stepper bereit, die echt zwingend sind („Byss“; „Broken“). Und natürlich gibt’s auch die zu erwartende Friends-Collab mit BSE („Doctrine“), die ehrlich gesagt mehr nach BSE als nach Pythius klingt. Während das Ding mit dem anderen Kumpel Merikan („Chimaera“) indes noch ziemlich bratzt, hab ich mir bei der Collab mit Burr Oak („Back To Life“, feat. Rhode) bisschen mehr erhofft. Das Teil ist mir zu breaky. Den Crossover zu Indie hab ich bereits erwähnt, so dass ich mir die Zeilen zu den anderen Tracks mit Vocals jetzt mal spare. Alles in allem trotzdem ein top Longplayer, der ein wahrlich breites Spektrum bedient und alles andere, als nur auf einer Schiene grinded! (Metric)
Release: 10.11.2023
Label: Blackout Music NL
Katalognummer: BLCKTNL154
Wertung: 8/10
DLR – “Money Till I Got None LP”
Aller guten Alben sind drei. Okay, es gab gewiss noch viele weitere jüngst erschienene Longplayer, aber man muss ja eine Auswahl treffen. Und an einem neuen Album von DLR kommt man nun mal nicht vorbei. Was James als Solokünstler so besonders macht, ist, dass er über die vergangenen Jahre faktisch einen eigenen Trademark-Sound erschaffen hat. Sein Mixdown ist so luftig und macht die Tracks so dermaßen bouncy und funky, dass es bristoliger einfach nicht geht. Manche sprechen sogar von einer neuen Form von JumpUp. Soweit würde ich zwar nicht gehen und doch ist ein proper Skankout mit dieser LP ganz sicher möglich. Der Titel klingt wie von einem Rap-Album entwendet und doch haben wir damit (nebst der Bristol-Komponente) bereits die zweite Dimension des Releases abgefrühstückt. Thematisch geht’s nämlich simpel um Kohle (würde also immer noch zu Rap passen) – ist laut Pressetext aber durchaus tiefgehender gemeint, sinngemäß der ewige Clinch zwischen Segen und Fluch des Geldes. Anyway, zwingendster aller Tracks ist für mich 1, 2, 3, 4 VIP – ein grandioser Roller, dessen Wirkung ich bereits im Club unter Beweis stellen konnte. Die anderen Nummern sind allesamt artverwandt, mit jeweils verschobenen Nuancen, was den klanglichen Approach angeht. Ob instrumental oder mit den Bars bzw. Vocals von Fox („Stoopid“), Gusto („Deep Space“), dem großartigen Rider Shafique („Leave Behind“) oder der Neuentdeckung Freddy B („Money Games“) – funktionieren tun die alle. DLR bleibt die bewährte Bristol-Bank! (Metric)
Release: 15.11.2023
Label: Sofa Sound
Katalognummer: SS010
Wertung: 9/10
Badlokk, MC Coppa – „Hurricane“
Muss ich dem gemeinen deutschen DnB Fan Badlokk überhaupt noch vorstellen? Odenthal born and raised, ist der inzwischen Kölsche Jung‘ Rene Weidanz immerhin schon gute 15 Jahre in der deutschen Szene unterwegs. Ob nun als alles zerstörender, mehrfach preisgekrönter Scheibenbursche, oder als Gründer der inzwischen international renommierten, ebenfalls multipel ausgezeichneten Plattenfirma Hanzom, der Name Badlokk ist einfach ein Garant für höchste Qualität. Während alledem, hat Rene allerdings auch noch ein weiteres Projekt am Laufen gehabt: Selbst Banger zu produzieren! Nach einigen Jahren des Schuftens im Schatten, ist die Zeit für den ersten richtigen Release nun endlich gekommen: Hurra! Oder sollte ich sagen, Hurra-icane? Mit MC Coppa on the mic konnte sowieso schon nicht allzu viel schief laufen, aber Badlokk hat auch noch peitschende Snares, zutiefst böse Neuro-bässe und einen komplett von den Socken hauenden Switchup in der zweiten Hälfte mit am Start – wenn das nicht mal dem Namen gerecht wird! (Lennart Hoffmann)
Release: 24.11.2023
Label: Hanzom Music
Katalognummer: H054
Wertung: 9/10
blend – „Chrome“
Von einem Debüt zum nächsten, lasst uns rüber in die Schweiz hüpfen und über den neuesten, extra hellen Stern am Luzerner Himmel sprechen: blend! Bestehend aus Benedict Sieber, auch bekannt als Bene, ein, wenn ich den alten Promotext richtig verstanden habe, gerade mal 18-jähriger (!) Produzent, und Niklas Wey, früher auch bekannt als Blurry Sight und als Teil der BAMMS und inzwischen auch der Drum Army Crew zutiefst in der Luzerner Szene verankert, ist blend selbst wenn man die einzelnen Soloprojekte mitrechnet trotzdem immer noch sehr neu in der Szene. Umso abgefahrener ist es deshalb, dass ihre Debüt-EP „Chrome“, herausgebracht auf dem absurd underratedten Labelarm der zuvor erwähnten Drum Army Crew, so grandios gut ist! Schon EP Opener „PRVLG“ zeigt was für ein perfektes Fingerspitzengefühl für Techymelodisches die beiden besitzen, aber es geht auch spitze weiter, mit dem atmosphärisch beeindruckenden und rhythmisch faszinierenden BBanger „BB“, dem nach vorne huschenden Geheimagentensoundtrack „Beg Me Pardon“ und dem all-umfassenden Ohr-massierenden Titeltrack „Chrome“. Wirklich blendend! (Lennart Hoffmann)
Release: 01.12.2023
Label: Drum Army
Katalognummer: NI012
Wertung: 9.5/10
Emerald Lotus – „Sunflowers EP“
Und noch ein Debüt! Bristolianer Harry Knight hat zwar schon länger seine Finger im Musikspiel, mit Projekten wie dem doch eher rave-lastigen itallik, Lofi und Future Garage Alias Kismet und dem ungooglebaren sno., aber Ende letzten, Anfang diesen Jahres hats ihn dann doch noch mal zu einem Neuanfang gebracht. Fast als Neostalgia, aber dann schlussendlich doch lieber als Emerald Lotus, hat Harry seither nur ein Ziel vor Augen: Jazz, Soul und Funk mit Drum and Bass zu fusionieren. Mit seiner Sunflowers EP ist ihm das meiner Meinung nach wunderbar gelungen! „Elixyr“ strahlt nur so vor souligen Vocals und glitzernem Traumstaub, „Sunflowers“ gibt uns eine loungige Piano Performance für die Ewigkeit, „Soundboy In Concert“ fährt die komplette Big Band für den stylischten Rave ever auf, „My Time“ eskaliert komplett auf den Drums, und „Transcendence“ mit dBs Institute Mitstudent OTROM funkt uns noch ein mal extra wilde Rhythmen zusammen. Und nein, ich weiß auch nicht wofür dBs steht, nur, dass es wohl eine (Musik-)Uni in Bristol ist. Meine Vermutung ist bisher „da Bristol soundboy“ Institute. Was ich aber weiß ist, dass diese EP absolut wunderbar ist! (Lennart Hoffmann)
Release: 24.11.2023
Label: Rosebloom Records
Katalognummer: ROSEBR004
Wertung: 8.5/10
NOVALU – „Veiled EP“
Der krönende Abschluss für unsere Session heute. Ganz genau, es ist mal wieder Zeit für den Leipziger Techy DnBaron, für einen der interessantesten Künstler den Deutschland gerade so zu bieten hat, für den Newcomer der mich einfach wieder und wieder umhaut: NOVALU! Nach seinem Ausflug auf SoundMuseum im Frühjahr, ist er nun back im Selfrelease Business, mit einer EP, die einem so echt nicht oft unterkommt. „Veiled“, nennt sich dieses Kronjuwel des Genres. Ich mein, schon der Titeltrack, mit dem diese wunderbare Reise beginnt, mit seinen verstörend schönen Alienvocals und zerstörend dröhnenden Atombombenbässen, lässt einen als komplett neuen Menschen zurück, aber da kommen ja noch vier andere Tunes hinterher! „Now I See“ führt uns auf eine Odyssee durch die abgefahrensten Rhythmen und gigantisch grandiosen Bass- und Vocalmelodien, „Certain Things Won’t Change“ cruised, ironischerweise, genau in einen House-Tempowechsel voller fantastischer Kreativität im Sounddesign und Flow rein, „Where Have You Been“ ruft mit seinen kathartischen Schreien und dem einhergehenden kopf- und seeleverdrehenden Instrumentalmassaker selbst die allertiefst verbuddelten Traumata wieder hervor (in a good way!), und „when you think about us, what color u see?“ gibt uns noch einmal einen Ambient Ausatmer mit auf den Weg. Absolut erstklassig, in allen Belangen. (Lennart Hoffmann)
Release: 01.12.2023
Label: Selfreleased
Katalognummer: -/-
Wertung: 10/10