4U (Germany) – „Big Bounce“
Ich hab‘ mal wieder einen tollen neuen deutschen Artist für euch parat! Oder sollte ich for you sagen? Weil der gute Cloppenburger Marcel Kiemes als 4U unterwegs ist! Knaller direkt zum Anfang, woo! Und anders als mein Talent für Witze, ist 4U’s Musik sogar echt richtig gut! Das liegt nicht daran, dass er ein Wunderkind ist, das sich in den rund 4 Jahren seit Beginn des Projektes easy peasy die krassesten Production SkillZ zugelegt hat, nein nein, der Jung ist einfach schon ’ne Weile dabei! Mit 16 gab’s die ersten Erfahrungen mit FL Studio, und ab 2013 ging’s dann auch schon, damals noch als „MKon“, los mit den Uploads. Genre war dabei erstmal vollkommen egal, es gab Dubstep, Glitch-Hop, Elektro, Melbournce Bounce, Reggae, Trap… aber eben auch Drum and Bass! 2017 kam dann noch das Trap-Duo Projekt „YELLOW NERDS“ mit Edwin Richter dazu, was sich aber 2019 auch schon wieder von der Bildschirmfläche verabschiedete. Eventuell damit zusammenhängend, wurde im gleichen Jahr dann auch endlich das 4U Projekt geboren! Mit Hardcore(artigem), Trap, Dubstep, Hardbass und allem möglichen was mit House endet gab’s wieder Genrevielfalt ohne Ende, bis dann DnB die anderen Richtungen Anfang 2022 entgültig ausstach – yay! Dementsprechend divers ist dann auch sein DnB Output seit dem geworden, von 4×4 Acid-Hämmerein bis hin zu sprunghaftem Dancefloor, hauptsache ballert! Mit „Big Bounce“ hat er diesen Ethos nun auf die absolute Zugspitze getrieben. Wie das? Mit zutiefst sinisteren Synth Switchereien, die sich einen unerbittlichen Kampf mit einem den Kopf absolut zerschmetternden, bösartig-bouncy Bassattacken abliefern, die über den Track hinweg einfach immer und immer zerstörerischer werden, bis am Ende sogar der 4×4 Motor und die Half-Time Maschinerie angeschmissen werden. Hallelujah! (Lennart Hoffmann)
Release: 27.10.2023
Label: -/-
Katalognummer: -/-
Wertung: 9/10
Nebulate – „It Is Everywhere / Tristesse“
Wie die Tradition es so will, gibt’s bei mir wieder mal nur Picks aus dem, zu meiner Verteidigung nicht enden wollenden, Quell deutsch-niederländischer Artists. Aus Aachen stammend, aber in den Niederlanden zur Schule gegangen und inzwischen auch in Maastricht ansässig, ist Nebulate quasi der perfekte Kandidat für mich! Der Niederdeutschländer, im Real Life auch Truls Stritzel genannt, ist ebenfalls schon rund 10 Jahre im Business unterwegs, mal als Pavor Diem, mal als DVerse, aber immer schön diverse im Output. Sogar „Twerk“ gibt’s in der Discografie zu bestaunen! Ab 2018 dann endlich als Nebulate mit vollem Fokus auf Trommel und Bässe, verschlug es ihn dann auch schnell auf allerlei großartige Labels, wie Neonlight’s Diascope, All172Things, Flex- und Blackout, und jetzt eben auch (PRO)T3K(T)! Wieder einmal werden Spenden für Tierschutzorganisationen gesammelt, und wieder einmal gibt’s als Anreiz dafür auch noch ein paar astreine Tunes dazu. „It Is Everywhere“ macht uns mit den schiefsten Horrorsynths und Dauerfeuer-Drums einmal gehörig Fuego unter’m Hintern, während wir uns in „Tristesse“ auf eine einschneidende Reise durch die tiefsten Tiefen des Weltalls und die absolut wunderschönsten Ecken des Universums begeben, mit einem zweiten Drop der einem den Mund offen stehen lässt. Checkt’s aus und lasst ein paar Euronen da wenn’s gefällt, ist immerhin nicht nur für zwei sehr gute Tunes sondern auch für einen sehr guten Zweck! (Lennart Hoffmann)
Release: 02.11.2023
Label: T3K Recordings
Katalognummer: PROT3KT019
Wertung: 9/10
Auris – „Zwanenmeer“
Yep, diesmal geht’s voll und ganz in die Niederlande. Würdet ihr mir das überhaupt glauben, wenn ich sage ich mach das nicht mal mit Absicht? Ich auch nicht. Diesmal macht der verdamsterdamt talentierte Jazz-Liquid Connoisseur Auris den Anfang. Bewaffnet mit Tunes inspiriert von FD, Villem oder Paul SG, ist Jos Vlaar bereits 2015 in der Szene aufgeschlagen, zuerst als (DJ) BTA, ab 2016 dann aber auch als Auris. Auch wenn die meisten davon scheinbar inzwischen nicht mehr online zu finden sind, gab es auch zu dieser Zeit schon einiges Schönes von ihm zu hören, aber er war auch im Eventbereich zutiefst engagiert. Grafiken für die Ignition Eventreihe, zuhauf Promos für die High Tea Truppe – und das waren nur die spezifischen Sachen die ich online rausfinden konnte! Das Produktionsrevival gab’s dann 2019 mit dem ersten Release auf High Tea’s Label, gefolgt von weiteren wohltuenden Klängen auf Goldfat, Differential, Vandal, Galacy, Carnelian und Headsbass. Seit 2021 kam dann noch seine Bridges Radio Show, früher auf Goat Shed, heutzutage auf DrumandBassNL, dazu und erst vor einem Monat haben Leniz und er Stepping Through, eine brandneue Soulful Liquid Eventreihe in Amsterdam, präsentiert! Während Differential als Label zwar leider diesen August das Zeitliche gesegnet hat, geht’s zum Glück jetzt schon wie der Phönix aus der Asche als Collective weiter – und Auris stellt den ersten Release, Zwanenmeer! Ähnlich wie die in den Aufführungen der Namensinspiration, gibt’s dabei auch die Seele streichelnde Streicher zu bestaunen, allerdings bleibt alles im Bereich des entspannten Strandurlaubs, mit sanften Klavieren, warmen Bässen und einer frischen Brise rollender Drums. Einfach schön! (Lennart Hoffmann)
Release: 03.11.2023
Label: Differential Collective
Katalognummer: DFFRNT 031
Wertung: 8.5/10
https://www.junodownload.com/products/auris-zwanenmeer/6355917-02/
[BORDERS] – „Luna EP“
Und zu guter Letzt, [BORDERS]! Direkt aus einer der wichtigsten DnB Kapitole in den Niederlanden, Utrecht, heraus hat Jaimey Borgers mit seinen 22 jungen Jahren schon so einiges geleistet. Wenn die Karriere mit einem allerersten Release auf In The Lab, der bereits innerhalb einer Woche direkt auf #1 in den Hypeddit Charts hochschnellte, anfängt, ist es fast kein Wunder mehr, dass er alle normalen Grenzen sprengt und kurz darauf schon Releases auf ProgRAM, Sinful Maze, High Tea, Nerd Nation, MODUS (!) und eben auch meinem liebsten bristolianischen Label Stellar Audio folgten. Trotzdem extremst beeindruckend. Dazu hat er mit seinem OBSCURITY AUDIO auch noch seine eigene Mixreihe und konnte bereits auf Events von Korsakov, Neuroheadz, Liquicity und MODUS glänzen – puh! Nach seinem Doppeldecker „Terra“ auf Stellar Ende letzten Jahres, hat ihn nun die Remixlust gepackt und er hat kurzerhand 4 weitere, ausgesprochen talentierte Newcomer auf die beiden Originale losgelassen, was dann zusammen die neue „Luna“ EP bildet. Den Anfang macht er aber selbst, mit einem noch wilderen, noch aggressiveren Spin auf „Cenote“, gefolgt von einer zunächst noch etwas minimalistischer angesetzten, später aber ebenfalls eskalierenden Version von TER3NCE. Dann ist auch schon „Perplex“ dran mit geremixed werden! Erst gibt’s eine rhythmisch zutiefst zufriedenstellende und schlichtweg wunderschöne Neuanordnung von DIVICIOUX (der von letztem Monat!), dann gibt’s ein mal eine harte hackfleischhackende Zerhackung von Fryware (FKA JFRY, FYI) und den Abschluss macht Falcon mit einem Sounddesign-Massaker-Punch der aller-, allerhöchsten Güte. Was für ein Paket! (Lennart Hoffmann)
Release: 03.11.2023
Label: Stellar Audio
Katalognummer: -/-
Wertung: 9.5/10
Genic – “Process LP”
Mein erster Gedanke zum zweiten Album von Genic war: es ist immer eine schöne Challenge, Bristol-Sound zu machen, auch wenn man gar nicht aus der Rollers-Stadt kommt. Dabei weiß ich das gar nicht und bekam es auch nicht heraus. Lediglich bei Josh, einer Hälfte des Projekts, steht London als Wohnort dabei und das kann ja auch zu Reputationszwecken sein. Anyway, wenn die Mucke gut ist, wird die Frage nach: „wer hat’s erfunden?“ eh schnell obsolet. In jedem Falle ist es eine LP geworden, welche in dieser Form nur ein Release auf Dispatch zulässig macht, maximal auf ein bis zwei ähnlich gearteten Labels. Es ist was für die Fans des klassischen funky Rollers-Sounds á la DLR, so viel steht fest. Unaufhörlich vor sich hin treibende Roller sind z.B. „Tedious“, „The Groove“, „Panic“ oder „Endurance“. Und doch schleichen sich auf dem Album auch einige deepere, beinahe liquide Titel ein, wie z.B. das kongeniale „Blue Skies“, was mit seinen organischen Zusätzen realer Instrumente zu meinem heimlichen Lieblingsstück des Longplayers avanciert. „Spend It All“ und „Unforgiven” sind die beiden anderen Tiefgänger jeweils am Anfang und Ende des Albums und lockern wunderbar auf. Der grundsätzliche Pfad der Rollers-Tugend wird hier jedoch nie verlassen. Und das ist auch gut so. Mir gefällt btw. auch der Titel „Process“, denn er impliziert, dass sich das Genic-Duo mit diesem Album in einer Entwicklung befindet, die noch einiges an Weg vor sich hat, statt sich satt und zufrieden zurückzulehnen. Davon ist indes mal gar nicht auszugehen, denn man hört diesem Album anhand seines klaren und sauberen Klangs an, dass ihm viele viele Stunden Arbeit am Sounddesign vorangegangen sind. Dies zahlt sich nun aus. Saubere Arbeit, Genic! (Metric)
Release: 06.10.2023
Label: Dispatch Recordings
Katalognummer: DISGENLP002
Wertung: 9/10
Various Artists – “NËU V, Part 1”
Das Neosignal-Schwesterlabel wird fünf Jahre alt! Das muss natürlich anhand einer amtlichen Compilation gefeiert werden. In der Bandcamp-Info ist zu lesen, dass man ursprünglich geplant hatte, dass sich die Artists aus dem derzeitigen Roster gegenseitig remixen. Doch dann luden sie einfach eine Menge neuer Freunde ein, am Projekt teilzuhaben und siehe da: die Remixe flogen ein wie Tauben in den Bahnhof. So viele, dass man sie nicht alle auf einmal veröffentlichen und man sich somit auf weitere Episoden dieser Reihe freuen kann. Der hier vorliegende erste Teil beinhaltet neun Remixe, von denen der überwiegende Teil aus den NËU-Laboren sehr vielversprechender Künstler destilliert wurde. Dem Duktus des Labels werden sie allesamt gerecht. Es ist der zu erwartende Sound: futuristisch-sophisticated; gekonnt arrangiert und clean wie Glatze in der Sonne. Das technoide 4/4-Momentum nimmt man indes auch bei NËU gern mit. Dafür steht zum einen der Remix von Erotic Café von Tom Finsters “Phantom Power“ und zum anderen Subtension – “Tween Wave“ im Matens Remix. Unbedingt zu achten ist auch auf die Protagonisten von Track 4 und 5. Da haben wir Blooom aus Leipzig (dreimal „o“ ist unabdingbar, sonst landet man beim falschen!), der sich “Charmes“ von The Caracal Project vorgenommen hat und ein echtes Bassline-Peaktime-Monster kreiert hat. Der aufstrebende Holländer Trinist hat bei seiner Interpretation von Missins “Strain“ stärker das Drumwork in den Fokus genommen, so dass der Remix klingt, als würde einer in der Küche unzählige Zutaten in Tetris-Manier in die Regale stopfen. Volle Bambule übrigens im zweiten Drop. Für mich sind das jedenfalls die vier stärksten Remixe. Und doch gehört das Talent von Maysev, Rueben und Visla ebenso hervorgehoben wie die Arbeit von den etablierteren Heads Ground und Subtension – letzterer bekleidet übrigens die Ausklangsposition mit einem Halfstep-Remix von Freshneys “In Pieces“.
Der nächste Teil kann kommen, ich bin bereit! (Metric)
Release: 27.10.2023
Label: NËU
Katalognummer: NËUVLPPT1
Wertung: 8/10
https://neosignalrecordings.bandcamp.com/album/n-u-v-part-1
Various Artists – “Refraction Vol.2“
Mehr Compilation-Business haben wir im Programm vom gedeihenden Bristol-Label Transparent Audio. Konzeptionell hat man sich hier auf die Dialektik von “Refraction“ (Brechung) und “Diffraction“ (Beugung) eingeschossen und ist demgemäß jetzt bei der zweiten Ausgabe der “Refraction“ angelangt. Inwieweit die beiden Themenkomplexe auf die Auswahl der enthaltenen Tracks Einfluss nehmen, bliebe weiterführend zu untersuchen, erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt jedoch überschaubar relevant. Ganze 19 Titel sind’s jedenfalls geworden und neben ganz wenigen ganz neuen Namen, haben die meisten Producer Stallgeruch. Derartigen Rollers-Compilations kann man nun eine gewisse Ansammlung an techsteppigen Tools nicht absprechen. Für Abwechslung sorgt z.B. mit Primitive Instinct – “Insecure“ eine deep-heitere Nummer oder auch Koax & Freddy B – “Bounceback“ – dem einzigen Track mit MC-Beteiligung bei gleichzeitig schrägschönen Sägezahnbasslines. Der für mich stärkste Tune ist allerdings vom recht neuen Namen Morrow: “Lost In Space“ – er kommt zunächst unscheinbar reingedarkt, entwickelt innerhalb des Space-Themes aber eine echt griffige Trippigkeit. Deutsche Beteiligung haben wir hier übrigens neben Dava (den wir in der letzten Review-Runde dabei hatten) noch mit Tweakz aus Hamburg. “I Need“ mimt den Abschluss der Compilation. Er klingt thematisch nach Surveillance (also wirklich die Überwachung, nicht das Label) und greift in den Basslines zu wie der Habicht seine Beute. Irgendwann kriegt der Bristol-Sound sie alle. Isso! (Metric)
Release: 27.10.2023
Label: Transparent Audio
Katalognummer: TSA037
Wertung: 8/10