Wir möchten eure Aufmerksamkeit auf einen aufstrebenden und jungydynamischen Producer aus Hessen lenken: Surreal haut konstant hochqualitatives Material raus. Und das auch nicht gerade auf irgendwelchen Feld-, Wald- und Wiesenlabels. Daher ist es an der Zeit mit ihm mal über Release, Pläne und die Szene zu sprechen.
Hallo. Du bist ein Drum & Bass Produzent und DJ der sich überwiegend den deepen, funkigen und liquiden Sounds widmet und diese auch ziemlich erfolgreich veröffentlicht (z.B. auf Celsius, Fokuz, Influenza, Soul Deep und weiteren). Wir haben uns ja schonmal in der Kurzbar in Mannheim persönlich kennengelernt. Erzähl uns hier doch mal ein wenig über Dich und Deine Person. Wie alt bist du? Wo wohnst du? Was machst du so?
Gude. Mein Name ist Kai, ich bin eben 30 geworden und ich komme aus Frankfurt. Ich mache hauptsächlich Architektur…nebenbei aber auch ein bisschen Musik.
Vor kurzem ist Deine Most Wanted EP auf dem Label Fokuz erschienen. Das ganze ist nicht unbedingt der klassische Liquid, ziemlich funky, aber doch harmonisch und mit einem dezentem und gediegenem Vibe. Fast ein wenig retro. Wolltest du bewusst mal was anderes bringen oder was steckt dahinter?
Vielleicht klingt die EP retro, weil die Musik, die mich zu den Tracks inspiriert, oft “retro” ist.
Die ganze Musik, die ich liebe, wie Soul, Funk, Jazz, Hip Hop und natürlich auch Jungle und Drum & Bass. Samples finden, cutten, neu arrangen. Ich denke vor den Tracks meistens nicht bewusst nach wie sie am Ende klingen sollen, sondern das Ergebnis entsteht durch den Prozess.
Ich wollte nicht bewusst was anderes machen, sondern einfach Spaß am Machen haben.
So wie ich es beobachtet habe, hast Du bisher ziemlich viel bei Celsius Recordings veröffentlicht. Besteht da eine besondere Verbindung?
Nicht nur Celsius sondern generell Labels von Marco aka Dreazz: also Fokuz, Celsius, Influenza und so weiter. Marco versucht immer neue Talente zu finden (Satl, Silence Groove, Random Movement und viele mehr) und unterstützt die Artists in der Entwicklung – sowohl im Mixing als auch im arrangieren von Tracks. Wenn man selbst Support bekommt, will man dann natürlich auch die Labels unterstützen und ein Teil davon sein. Ich werde immer weiter Musik dort hin schicken und mit der Fokuz-Family arbeiten. Seit zwei Jahren mache ich auch den Celsius Podcast, um aufkommende Artists zu supporten und das rauszutragen, was auf diesen wundervollen Labels so alles rauskommt.
Arbeitest du derzeit oder in naher Zukunft an weiteren Projekten und kannst du uns darüber etwas erzählen?
Na klar – es kommt Musik! Zwei neue EPs im Kasten, die ich noch nicht mal losgeschickt habe und dann kommt da noch was Besonderes im Juli. Haltet den Blick Richtung Galacy. Die Tracks bewegen sich immer mehr Richtung Funk & Soul und so langsam merkt man, dass man seinen eigenen Stil findet.
Seit wann ist für dich die Leidenschaft zu diesem Genre so stark geworden, dass Du Dich dazu entschlossen hast Drum & Bass Produzent zu werden? Schonmal überlegt das Vollzeit zu machen?
Die Liebe für Drum & Bass war schon immer da. Wenn man früher auf Raves gegangen ist wollte man auch da oben stehen und die Möglichkeit bekommen den Leuten das zu zeigen was man selbst mag. Also habe ich als DJ angefangen auf kleinen Raves zu spielen. Beats selbst zu machen war nur der nächste logische Schritt. Das mache ich jetzt seit gut sieben Jahren und es wird jedes Jahr besser. Natürlich denkt man auch darüber nach sowas Vollzeit zu machen, jedoch wäre erstens das Gehalt im Moment zu niedrig und zu unregelmäßig (vor allem in Zeiten von Corona), und zweitens habe ich auch ein großes Herz für die Architektur und den kreativen Output, den ich im Beruf jeden Tag geben darf.
Kannst du uns ein wenig über Deine Inspirationen in deinen Tracks erzählen?
Wie schon erwähnt kommt die größte Inspiration bei mir aus der Musik, die ich am meisten mag.
Ich liebe guten Soul, wie von den Monophonics, Lee Fields, Charles Bradley, Curtis Mayfield und vielen mehr. Ich mag guten Hip Hop, Gang Starr, Das EFX, Nas, Pete Rock, Lords Of The Underground. Und im Drum & Bass sehe ich meine größte Inspirationen in Calibre, Random Movement, Marcus Intalex aber auch kleineren Producern wie zum Beispiel Sevin. Das fließt alles alles in den Sound.
Wie würdest Du Deinen Sound im allgemeinen selber beschreiben?
Unkompliziert.
Wie ist Deine Meinung zu den derzeitigen Umständen mit den ganzen Einschränkungen?
Glaubst Du das Ganze hat bald ein Ende und Veranstaltungen können wie vor den ganzen Lockdowns wieder durchgeführt werden?
Oder vermutest Du das dies zu einer permanenten Veränderungen der Gesellschaft führen wird?
Natürlich ist die Situation beschissen. Man kann daran nichts gut reden. Nicht nur, dass man das Soziale, den Spaß und den Ausgleich zum Alltag bei Veranstaltungen vermisst – die Kultur im Ganzen leidet massiv. Sowas MUSS vom Staat am Leben gehalten werden. Ich glaube nicht, dass Parties über das nächste Jahr so wie vorher stattfinden können und ich bin auch der Meinung, dass eine Party mit 1,5m Abstand nicht annähernd die gleiche Stimmung erzeugen kann. Und ein Stream wird sowieso niemals einen Rave ersetzen können. Umso mehr habe ich die Hoffnung, dass die Sehnsucht nach guten Parties so stark wird, dass die Clubkultur nach COVID neuen Wind bekommt und daraus viel Neues entsteht.
Wie beobachtest Du die derzeitigen Veränderungen in der Drum & Bass Szene, z.b. die starke Entwicklung hin zu einem “technoiden” Sound und auch die hohe Zahl von Newcomern? Oder machst du dir über sowas keine Gedanken?
Die hohe Zahl von Newcomern sehe ich sehr positiv. Vor Allem, weil die Qualität stimmt. Leute wie Tweakz, Sl8r, Hireath bringen frische Luft in die Szene. Von Foghorns abgesehen finde ich, dass sich auch viele Sounds zurück zum Alten bewegen. Man versucht nicht mehr die krassesten Synths und Basslines zu bauen nur weil man es kann, sondern bewegt sich auch wieder auf melodischerem Niveau.
Kannst Du uns ein paar für Dich wegweisende Künstler, Tracks oder Labels nennen?
Neben legendären tracks von Calibre oder Marcus Intalex, die jeder liebt, bleiben mir vor allem Tracks im Kopf, die die selben Einflüsse in sich tragen, die auch mich inspirieren. Das wären z.B.:
Sevin – Mondays
Lenzman – Flatbush
Random Movement – Goblin Jazz Banquet
Skeletone & Silence Groove – Showtime
Satl – Ayo
Dementsprechend haben mich immer Labels begleitet, die einen solchen Sound geboten haben. Fokuz, Metalheadz, The North Quarter, Signature, V Recordings, Innerground aber auch viele andere.
Was denkst du hat Dich am meissten beeinflusst Künstler im Bereich Drum & Bass zu werden?
Gab es in der Familie oder im Freundeskreis besondere Einflüsse?
In meiner Familie macht eigentlich niemand wirklich Musik. Eigentlich waren eher die Raves und die Freunde der Einfluss. Die Entscheidung Musik selbst zu machen kam dann fliessend von alleine. Das war für mich dann mehr oder weniger ein Weg, den ich alleine gegangen bin.
Was treibst Du sonst so, wenn Du nicht gerade an einem neuem Track oder Album arbeitest?
Also womit beschäftigst Du Dich gerne um einen Ausgleich zu bekommen, mal durchzuatmen und nicht immer am PC/Studio zu hängen?
Ehrlich gesagt ist Musik mein Ausgleich zum stressigen Alltag. Ich bin kein Sportler.
Wenn ich keine Musik mache vertreibe ich mir die Zeit am liebsten mit meiner Familie, meinen Freunden und natürlich meiner Freundin.
Besitzt du ein eigenes Studio bzw. was für Equipment und welche DAW nutzt Du um Deine Tracks zu produzieren?
Über die Jahre habe ich mir ein kleines Studio zusammengekauft. Ich habe alles hier was ich brauche: ein Midi Keyboard, zwei Monitore, meine geliebten Audeze Kopfhörer und ein kleines DJ Setup. Meine Software war von Anfang an Ableton. Es ist sehr intuitiv und war für mich einfach zu lernen und zu verstehen.
Wie ist dein persönlicher Ausblick im Bereich der Musik?
Oder machst du keine Pläne und lässt Dich eher spontan von der Intuition treiben?
Klar versucht man immer weiter zu kommen, mehr Kontakte zu knüpfen und nicht zu stagnieren aber ich habe kein genaues Bild darüber wie ich mich entwickeln oder wo ich als nächstes spielen will. Für mich steht im Vordergrund immer der Spaß – nicht das Geld und auch nicht der Ruhm.
Möchtest du am Schluss noch was loswerden? Hau raus!
An alle DJs: bitte hört auf so inflationär sets aus eurem Wohnzimmer zu streamen. Danke.
Danke für das Interview und alles Gute!